Welt verkriechen, die Du seit einem Jahre mit so vieler Freude verlassen hast? Bist Du in Deiner Vaterstadt von kleinlichen Verhältnissen gesesselt, die so oft den Menschen anders stellen und ihn anders handeln lassen, als er es mit freyerem Willen thun würde? Dann solltest Du wenigstens den Rath eines ältern Freundes hö- ren. Wenn es kein ander Mittel giebt, muß man solche Verbindungen mit Gewalt zerreissen, man muß Eine unangenehme Stunde veranlassen, um sich tausend zu ersparen. Aber ich fürchte, Du bist zu einem solchen Entschlusse zu schwach, Du duldest lieber tägliche Martern als nur auf eine Viertelstunde die Pein auf die Menschen zu wenden die Dir das Leben verbittern; glaube mir, daß man jede Verbindung aufheben kann, wenn man nur ernstlich will; dem festen, eigen- sinnigen Muthe erliegt am Ende jeder Mensch. Oder solltest Du vielleicht Thor genug seyn, Dich in Florenz verliebt zu haben und deshalb nicht zu uns zurükkehren? Nun, so wünsche ich Dir recht baldige Erhörung, damit Du schnell wieder in einen Menschen verwandelt werdest. --
Ich bin es überdrüssig, noch weiter etwas hinzuzusetzen; antworte mir wenigstens auf die-
sen
Welt verkriechen, die Du ſeit einem Jahre mit ſo vieler Freude verlaſſen haſt? Biſt Du in Deiner Vaterſtadt von kleinlichen Verhaͤltniſſen geſeſſelt, die ſo oft den Menſchen anders ſtellen und ihn anders handeln laſſen, als er es mit freyerem Willen thun wuͤrde? Dann ſollteſt Du wenigſtens den Rath eines aͤltern Freundes hoͤ- ren. Wenn es kein ander Mittel giebt, muß man ſolche Verbindungen mit Gewalt zerreiſſen, man muß Eine unangenehme Stunde veranlaſſen, um ſich tauſend zu erſparen. Aber ich fuͤrchte, Du biſt zu einem ſolchen Entſchluſſe zu ſchwach, Du duldeſt lieber taͤgliche Martern als nur auf eine Viertelſtunde die Pein auf die Menſchen zu wenden die Dir das Leben verbittern; glaube mir, daß man jede Verbindung aufheben kann, wenn man nur ernſtlich will; dem feſten, eigen- ſinnigen Muthe erliegt am Ende jeder Menſch. Oder ſollteſt Du vielleicht Thor genug ſeyn, Dich in Florenz verliebt zu haben und deshalb nicht zu uns zuruͤkkehren? Nun, ſo wuͤnſche ich Dir recht baldige Erhoͤrung, damit Du ſchnell wieder in einen Menſchen verwandelt werdeſt. —
Ich bin es uͤberdruͤſſig, noch weiter etwas hinzuzuſetzen; antworte mir wenigſtens auf die-
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Welt verkriechen, die Du ſeit einem Jahre mit
ſo vieler Freude verlaſſen haſt? Biſt Du in
Deiner Vaterſtadt von kleinlichen Verhaͤltniſſen
geſeſſelt, die ſo oft den Menſchen anders ſtellen
und ihn anders handeln laſſen, als er es mit
freyerem Willen thun wuͤrde? Dann ſollteſt Du
wenigſtens den Rath eines aͤltern Freundes hoͤ-
ren. Wenn es kein ander Mittel giebt, muß
man ſolche Verbindungen mit Gewalt zerreiſſen,
man muß Eine unangenehme Stunde veranlaſſen,
um ſich tauſend zu erſparen. Aber ich fuͤrchte,
Du biſt zu einem ſolchen Entſchluſſe zu ſchwach,
Du duldeſt lieber taͤgliche Martern als nur auf
eine Viertelſtunde die Pein auf die Menſchen
zu wenden die Dir das Leben verbittern; glaube
mir, daß man jede Verbindung aufheben kann,
wenn man nur ernſtlich will; dem feſten, eigen-
ſinnigen Muthe erliegt am Ende jeder Menſch.
Oder ſollteſt Du vielleicht Thor genug ſeyn,
Dich in Florenz verliebt zu haben und deshalb
nicht zu uns zuruͤkkehren? Nun, ſo wuͤnſche ich
Dir recht baldige Erhoͤrung, damit Du ſchnell
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/167>, abgerufen am 23.11.2024.
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