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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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haben, sich wieder über die Wolken hinauszuhe-
ben. Auch bei den poetischen Genüssen scheint
mir eine gewisse Häuslichkeit nothwendig; man
muß nicht verschwenden, um nachher nicht zu
darben, -- sonderbar! daß ich alles dies vor
wenigen Monathen von Mortimer schon hörte
und es doch damahls nicht glauben wollte!
Seit ich es aber selbst erfunden zu haben glau-
be, bin ich vollkommen davon überzeugt. -- Ist
dies nicht ein ziemlich kleinlicher Eigensinn?

Doch ich vermeide itzt jene hohen Spannun-
gen der Einbildungskraft, und sie sind auch nicht
immer die Ursache, die jenes niederschlagende
Gefühl in mlr erzeugen, das mich zuweilen wi-
der meinen Willen verfolgt. Keiner, als Du
Eduard, kennt so gut den seltsamen Hang mei-
ner Seele, bei fröhlichen Gegenständen irgend ei-
nen traurigen, melancholischen Zug aufzusuchen
und ihn unvermerkt in das lachende Gemählde
zu schieben; dies würzt die Wollust durch den
Kontrast noch feiner, die Freude wird gemildert,
aber ihre Wärme durchdringt uns um so inni-
ger; es sind die Ruinen, die der Mahler in sei-
ne muntre Landschaft wirft, um den Effekt zu
erhöhen. Dieser Art von feinstem Epikuräismus

haben, ſich wieder uͤber die Wolken hinauszuhe-
ben. Auch bei den poetiſchen Genuͤſſen ſcheint
mir eine gewiſſe Haͤuslichkeit nothwendig; man
muß nicht verſchwenden, um nachher nicht zu
darben, — ſonderbar! daß ich alles dies vor
wenigen Monathen von Mortimer ſchon hoͤrte
und es doch damahls nicht glauben wollte!
Seit ich es aber ſelbſt erfunden zu haben glau-
be, bin ich vollkommen davon uͤberzeugt. — Iſt
dies nicht ein ziemlich kleinlicher Eigenſinn?

Doch ich vermeide itzt jene hohen Spannun-
gen der Einbildungskraft, und ſie ſind auch nicht
immer die Urſache, die jenes niederſchlagende
Gefuͤhl in mlr erzeugen, das mich zuweilen wi-
der meinen Willen verfolgt. Keiner, als Du
Eduard, kennt ſo gut den ſeltſamen Hang mei-
ner Seele, bei froͤhlichen Gegenſtaͤnden irgend ei-
nen traurigen, melancholiſchen Zug aufzuſuchen
und ihn unvermerkt in das lachende Gemaͤhlde
zu ſchieben; dies wuͤrzt die Wolluſt durch den
Kontraſt noch feiner, die Freude wird gemildert,
aber ihre Waͤrme durchdringt uns um ſo inni-
ger; es ſind die Ruinen, die der Mahler in ſei-
ne muntre Landſchaft wirft, um den Effekt zu
erhoͤhen. Dieſer Art von feinſtem Epikuraͤismus

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[237[235]/0245] haben, ſich wieder uͤber die Wolken hinauszuhe- ben. Auch bei den poetiſchen Genuͤſſen ſcheint mir eine gewiſſe Haͤuslichkeit nothwendig; man muß nicht verſchwenden, um nachher nicht zu darben, — ſonderbar! daß ich alles dies vor wenigen Monathen von Mortimer ſchon hoͤrte und es doch damahls nicht glauben wollte! Seit ich es aber ſelbſt erfunden zu haben glau- be, bin ich vollkommen davon uͤberzeugt. — Iſt dies nicht ein ziemlich kleinlicher Eigenſinn? Doch ich vermeide itzt jene hohen Spannun- gen der Einbildungskraft, und ſie ſind auch nicht immer die Urſache, die jenes niederſchlagende Gefuͤhl in mlr erzeugen, das mich zuweilen wi- der meinen Willen verfolgt. Keiner, als Du Eduard, kennt ſo gut den ſeltſamen Hang mei- ner Seele, bei froͤhlichen Gegenſtaͤnden irgend ei- nen traurigen, melancholiſchen Zug aufzuſuchen und ihn unvermerkt in das lachende Gemaͤhlde zu ſchieben; dies wuͤrzt die Wolluſt durch den Kontraſt noch feiner, die Freude wird gemildert, aber ihre Waͤrme durchdringt uns um ſo inni- ger; es ſind die Ruinen, die der Mahler in ſei- ne muntre Landſchaft wirft, um den Effekt zu erhoͤhen. Dieſer Art von feinſtem Epikuraͤismus

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 237[235]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/245>, abgerufen am 22.11.2024.