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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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gen. Sie starb, -- und wie Meteore gingen
alle meine Seeligkeiten auf ewig unter, sie ver-
sanken wie hinter einem finstern fernen Walde,
kein Schimmer aus jener Zeit hat mir seitdem
zurückgeleuchtet.

Und auch nie wird ein Strahl zu mir zu-
rückkehren! Ich sitze auf dem Grabmahle mei-
ner Freuden und mag selbst kein Almosen aus
der Hand des Vorübergehenden nehmen, mein
Elend ist mein Trost. --

Ich fürchte, William, Du verstehst mich
nicht, unser Gefühl widerspricht sich hier. Aber
wenn Amalie Dich liebt, so ist sie durch Deine
Liebe elend, denn Du wirst ihr dann nie zurück-
geben, was sie Dir im vollen Maaße ihrer Em-
pfindungen schenkt. Sie seufzt um Dich und
Du vergissest sie, sie leidet, und Dich bewill-
kommen neue Freuden, -- taufe Deine Sinn-
lichkeit nicht mit dem Nahmen Liebe, Du be-
leidigst diese hohe Gottheit: denn ist nicht Lie-
be eben dadurch Liebe, daß sie gänzlich unsern
Busen füllt? Unsre Seele ist zu eng, um zwei
Wesen mit einem Gefühle zu umfangen, und
wer es kann, der ist am Herzensgefühl arm ge-
worden.


gen. Sie ſtarb, — und wie Meteore gingen
alle meine Seeligkeiten auf ewig unter, ſie ver-
ſanken wie hinter einem finſtern fernen Walde,
kein Schimmer aus jener Zeit hat mir ſeitdem
zuruͤckgeleuchtet.

Und auch nie wird ein Strahl zu mir zu-
ruͤckkehren! Ich ſitze auf dem Grabmahle mei-
ner Freuden und mag ſelbſt kein Almoſen aus
der Hand des Voruͤbergehenden nehmen, mein
Elend iſt mein Troſt. —

Ich fuͤrchte, William, Du verſtehſt mich
nicht, unſer Gefuͤhl widerſpricht ſich hier. Aber
wenn Amalie Dich liebt, ſo iſt ſie durch Deine
Liebe elend, denn Du wirſt ihr dann nie zuruͤck-
geben, was ſie Dir im vollen Maaße ihrer Em-
pfindungen ſchenkt. Sie ſeufzt um Dich und
Du vergiſſeſt ſie, ſie leidet, und Dich bewill-
kommen neue Freuden, — taufe Deine Sinn-
lichkeit nicht mit dem Nahmen Liebe, Du be-
leidigſt dieſe hohe Gottheit: denn iſt nicht Lie-
be eben dadurch Liebe, daß ſie gaͤnzlich unſern
Buſen fuͤllt? Unſre Seele iſt zu eng, um zwei
Weſen mit einem Gefuͤhle zu umfangen, und
wer es kann, der iſt am Herzensgefuͤhl arm ge-
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[150[148]/0158] gen. Sie ſtarb, — und wie Meteore gingen alle meine Seeligkeiten auf ewig unter, ſie ver- ſanken wie hinter einem finſtern fernen Walde, kein Schimmer aus jener Zeit hat mir ſeitdem zuruͤckgeleuchtet. Und auch nie wird ein Strahl zu mir zu- ruͤckkehren! Ich ſitze auf dem Grabmahle mei- ner Freuden und mag ſelbſt kein Almoſen aus der Hand des Voruͤbergehenden nehmen, mein Elend iſt mein Troſt. — Ich fuͤrchte, William, Du verſtehſt mich nicht, unſer Gefuͤhl widerſpricht ſich hier. Aber wenn Amalie Dich liebt, ſo iſt ſie durch Deine Liebe elend, denn Du wirſt ihr dann nie zuruͤck- geben, was ſie Dir im vollen Maaße ihrer Em- pfindungen ſchenkt. Sie ſeufzt um Dich und Du vergiſſeſt ſie, ſie leidet, und Dich bewill- kommen neue Freuden, — taufe Deine Sinn- lichkeit nicht mit dem Nahmen Liebe, Du be- leidigſt dieſe hohe Gottheit: denn iſt nicht Lie- be eben dadurch Liebe, daß ſie gaͤnzlich unſern Buſen fuͤllt? Unſre Seele iſt zu eng, um zwei Weſen mit einem Gefuͤhle zu umfangen, und wer es kann, der iſt am Herzensgefuͤhl arm ge- worden.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 150[148]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/158>, abgerufen am 28.04.2024.