Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

der ein Kind, wie ich vorher war. -- Ach, ich
weiß selbst nicht, was ich von mir will, die Zu-
kunft und die ganze Welt liegt in einer finstern
Ausdehnung vor mir, ich ahnde, daß die Freu-
den dieses Lebens vielleicht die zartesten Blu-
men sind; wehe dem Herzen, in welchem der
Frühling zu früh aufgeht, ein einziger wieder-
kehrender Wintertag läßt alle Blüthen erster-
ben, dann ruft sie kein Sonnenschein in's Le-
ben zurück, keine herabfallende Thräne erquickt
sie wieder. William, wenn dieser ewige Win-
ter meiner wartete? -- Doch, lassen Sie uns
abbrechen, wir können dem Schicksale nicht ge-
biethen, aber Wünsche sind doch verzeihlich.

Ihr Vater ist von neuem unpäßlich gewor-
den, er sieht sehr bleich aus, ich habe ihn neu-
lich in London gesehn; doch seyn Sie nicht be-
trübt darüber, etwas ist er indeß schon besser
geworden. Mit welcher Freude sprach er von
Ihnen! -- O wie liebt' ich ihn um dieser Lie-
be willen! Ich fühlte mich in Ihrem Lobe so
geehrt, -- und, -- ich weiß nicht, ob ich wei-
ter schreiben soll, -- ach William, -- und da
sprach er von seinen Planen mit Ihnen, von
gewissen Verbindungen, die so gut wie geschlos-

der ein Kind, wie ich vorher war. — Ach, ich
weiß ſelbſt nicht, was ich von mir will, die Zu-
kunft und die ganze Welt liegt in einer finſtern
Ausdehnung vor mir, ich ahnde, daß die Freu-
den dieſes Lebens vielleicht die zarteſten Blu-
men ſind; wehe dem Herzen, in welchem der
Fruͤhling zu fruͤh aufgeht, ein einziger wieder-
kehrender Wintertag laͤßt alle Bluͤthen erſter-
ben, dann ruft ſie kein Sonnenſchein in’s Le-
ben zuruͤck, keine herabfallende Thraͤne erquickt
ſie wieder. William, wenn dieſer ewige Win-
ter meiner wartete? — Doch, laſſen Sie uns
abbrechen, wir koͤnnen dem Schickſale nicht ge-
biethen, aber Wuͤnſche ſind doch verzeihlich.

Ihr Vater iſt von neuem unpaͤßlich gewor-
den, er ſieht ſehr bleich aus, ich habe ihn neu-
lich in London geſehn; doch ſeyn Sie nicht be-
truͤbt daruͤber, etwas iſt er indeß ſchon beſſer
geworden. Mit welcher Freude ſprach er von
Ihnen! — O wie liebt’ ich ihn um dieſer Lie-
be willen! Ich fuͤhlte mich in Ihrem Lobe ſo
geehrt, — und, — ich weiß nicht, ob ich wei-
ter ſchreiben ſoll, — ach William, — und da
ſprach er von ſeinen Planen mit Ihnen, von
gewiſſen Verbindungen, die ſo gut wie geſchloſ-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="110[108]"/>
der ein Kind, wie ich vorher war. &#x2014; Ach, ich<lb/>
weiß &#x017F;elb&#x017F;t nicht, was ich von mir will, die Zu-<lb/>
kunft und die ganze Welt liegt in einer fin&#x017F;tern<lb/>
Ausdehnung vor mir, ich ahnde, daß die Freu-<lb/>
den die&#x017F;es Lebens vielleicht die zarte&#x017F;ten Blu-<lb/>
men &#x017F;ind; wehe dem Herzen, in welchem der<lb/>
Fru&#x0364;hling zu fru&#x0364;h aufgeht, ein einziger wieder-<lb/>
kehrender Wintertag la&#x0364;ßt alle Blu&#x0364;then er&#x017F;ter-<lb/>
ben, dann ruft &#x017F;ie kein Sonnen&#x017F;chein in&#x2019;s Le-<lb/>
ben zuru&#x0364;ck, keine herabfallende Thra&#x0364;ne erquickt<lb/>
&#x017F;ie wieder. William, wenn die&#x017F;er ewige Win-<lb/>
ter meiner wartete? &#x2014; Doch, la&#x017F;&#x017F;en Sie uns<lb/>
abbrechen, wir ko&#x0364;nnen dem Schick&#x017F;ale nicht ge-<lb/>
biethen, aber Wu&#x0364;n&#x017F;che &#x017F;ind doch verzeihlich.</p><lb/>
          <p>Ihr Vater i&#x017F;t von neuem unpa&#x0364;ßlich gewor-<lb/>
den, er &#x017F;ieht &#x017F;ehr bleich aus, ich habe ihn neu-<lb/>
lich in London ge&#x017F;ehn; doch &#x017F;eyn Sie nicht be-<lb/>
tru&#x0364;bt daru&#x0364;ber, etwas i&#x017F;t er indeß &#x017F;chon be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
geworden. Mit welcher Freude &#x017F;prach er von<lb/>
Ihnen! &#x2014; O wie liebt&#x2019; ich ihn um die&#x017F;er Lie-<lb/>
be willen! Ich fu&#x0364;hlte mich in Ihrem Lobe &#x017F;o<lb/>
geehrt, &#x2014; und, &#x2014; ich weiß nicht, ob ich wei-<lb/>
ter &#x017F;chreiben &#x017F;oll, &#x2014; ach William, &#x2014; und da<lb/>
&#x017F;prach er von &#x017F;einen Planen mit Ihnen, von<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Verbindungen, die &#x017F;o gut wie ge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110[108]/0118] der ein Kind, wie ich vorher war. — Ach, ich weiß ſelbſt nicht, was ich von mir will, die Zu- kunft und die ganze Welt liegt in einer finſtern Ausdehnung vor mir, ich ahnde, daß die Freu- den dieſes Lebens vielleicht die zarteſten Blu- men ſind; wehe dem Herzen, in welchem der Fruͤhling zu fruͤh aufgeht, ein einziger wieder- kehrender Wintertag laͤßt alle Bluͤthen erſter- ben, dann ruft ſie kein Sonnenſchein in’s Le- ben zuruͤck, keine herabfallende Thraͤne erquickt ſie wieder. William, wenn dieſer ewige Win- ter meiner wartete? — Doch, laſſen Sie uns abbrechen, wir koͤnnen dem Schickſale nicht ge- biethen, aber Wuͤnſche ſind doch verzeihlich. Ihr Vater iſt von neuem unpaͤßlich gewor- den, er ſieht ſehr bleich aus, ich habe ihn neu- lich in London geſehn; doch ſeyn Sie nicht be- truͤbt daruͤber, etwas iſt er indeß ſchon beſſer geworden. Mit welcher Freude ſprach er von Ihnen! — O wie liebt’ ich ihn um dieſer Lie- be willen! Ich fuͤhlte mich in Ihrem Lobe ſo geehrt, — und, — ich weiß nicht, ob ich wei- ter ſchreiben ſoll, — ach William, — und da ſprach er von ſeinen Planen mit Ihnen, von gewiſſen Verbindungen, die ſo gut wie geſchloſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/118
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 110[108]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/118>, abgerufen am 24.11.2024.