Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

hier einen übertriebenen sinnlichen Genuß zu versprechen scheint, und auch er wird sich wundern, wenn er erfährt, wie alles dies so ganz anders und im entgegengesetzten Sinne gemeint sei. Meine Herren, ich bitte, Acht zu geben und meine Worte nicht zu leicht in das Ohr fallen zu lassen. Wenn Länder die Geburt eines Prinzen feierlich begehen, wenn in Arabien ein ganzer Stamm sich festlich freut, indem sich ein Dichter in ihm gezeigt und hervorgethan hat, wenn die Installation des Lord Mayor mit einem Schmause verherrlicht wird, ja wenn man die Geburtsstunde der Pferde von echter Race nicht unbillig auf nachdenkliche Weise auszeichnet: so liegt es uns ja wohl noch näher (um nicht mit einem Antiklimax zu schließen) aufzuschauen, gerührt zu sein und etwa mit Gläsern anzustoßen, wenn das Unsterbliche sich uns zeigt, wenn die Tugend uns würdigt, körperlich vor uns zu erscheinen. Ja, meine Freunde, gerührten Herzens spreche ich es aus, ein junger angehender Tugendhafter ist unter uns, der noch heut Abend sich als eingepuppter Schmetterling durchbeißen und seine Schwingen im neuen Leben entfalten wird. Es ist Niemand anders als unser edler Wirth, der uns so manchen Schmaus gegönnt, so manches Glas eingeschenkt hat. Aber ein feuriger Vorsatz, abgerechnet, daß er selbst auf dem Trocknen sitzt, jener Impetus der Begeisterung, von dem schon die Alten sangen, reißt ihn nun von uns in lichte Höhen hinauf, und wir, von diesem Tisch und Flaschen und Schüsseln, seiner irdischen Grabesstätte, schauen ihm

hier einen übertriebenen sinnlichen Genuß zu versprechen scheint, und auch er wird sich wundern, wenn er erfährt, wie alles dies so ganz anders und im entgegengesetzten Sinne gemeint sei. Meine Herren, ich bitte, Acht zu geben und meine Worte nicht zu leicht in das Ohr fallen zu lassen. Wenn Länder die Geburt eines Prinzen feierlich begehen, wenn in Arabien ein ganzer Stamm sich festlich freut, indem sich ein Dichter in ihm gezeigt und hervorgethan hat, wenn die Installation des Lord Mayor mit einem Schmause verherrlicht wird, ja wenn man die Geburtsstunde der Pferde von echter Race nicht unbillig auf nachdenkliche Weise auszeichnet: so liegt es uns ja wohl noch näher (um nicht mit einem Antiklimax zu schließen) aufzuschauen, gerührt zu sein und etwa mit Gläsern anzustoßen, wenn das Unsterbliche sich uns zeigt, wenn die Tugend uns würdigt, körperlich vor uns zu erscheinen. Ja, meine Freunde, gerührten Herzens spreche ich es aus, ein junger angehender Tugendhafter ist unter uns, der noch heut Abend sich als eingepuppter Schmetterling durchbeißen und seine Schwingen im neuen Leben entfalten wird. Es ist Niemand anders als unser edler Wirth, der uns so manchen Schmaus gegönnt, so manches Glas eingeschenkt hat. Aber ein feuriger Vorsatz, abgerechnet, daß er selbst auf dem Trocknen sitzt, jener Impetus der Begeisterung, von dem schon die Alten sangen, reißt ihn nun von uns in lichte Höhen hinauf, und wir, von diesem Tisch und Flaschen und Schüsseln, seiner irdischen Grabesstätte, schauen ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="7">
        <p><pb facs="#f0099"/>
hier einen                übertriebenen sinnlichen Genuß zu versprechen scheint, und auch er wird sich wundern,                wenn er erfährt, wie alles dies so ganz anders und im entgegengesetzten Sinne gemeint                sei. Meine Herren, ich bitte, Acht zu geben und meine Worte nicht zu leicht in das                Ohr fallen zu lassen. Wenn Länder die Geburt eines Prinzen feierlich begehen, wenn in                Arabien ein ganzer Stamm sich festlich freut, indem sich ein Dichter in ihm gezeigt                und hervorgethan hat, wenn die Installation des Lord Mayor mit einem Schmause                verherrlicht wird, ja wenn man die Geburtsstunde der Pferde von echter Race nicht                unbillig auf nachdenkliche Weise auszeichnet: so liegt es uns ja wohl noch näher (um                nicht mit einem Antiklimax zu schließen) aufzuschauen, gerührt zu sein und etwa mit                Gläsern anzustoßen, wenn das Unsterbliche sich uns zeigt, wenn die Tugend uns                würdigt, körperlich vor uns zu erscheinen. Ja, meine Freunde, gerührten Herzens                spreche ich es aus, ein junger angehender Tugendhafter ist unter uns, der noch heut                Abend sich als eingepuppter Schmetterling durchbeißen und seine Schwingen im neuen                Leben entfalten wird. Es ist Niemand anders als unser edler Wirth, der uns so manchen                Schmaus gegönnt, so manches Glas eingeschenkt hat. Aber ein feuriger Vorsatz,                abgerechnet, daß er selbst auf dem Trocknen sitzt, jener Impetus der Begeisterung,                von dem schon die Alten sangen, reißt ihn nun von uns in lichte Höhen hinauf, und                wir, von diesem Tisch und Flaschen und Schüsseln, seiner irdischen Grabesstätte,                schauen ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0099] hier einen übertriebenen sinnlichen Genuß zu versprechen scheint, und auch er wird sich wundern, wenn er erfährt, wie alles dies so ganz anders und im entgegengesetzten Sinne gemeint sei. Meine Herren, ich bitte, Acht zu geben und meine Worte nicht zu leicht in das Ohr fallen zu lassen. Wenn Länder die Geburt eines Prinzen feierlich begehen, wenn in Arabien ein ganzer Stamm sich festlich freut, indem sich ein Dichter in ihm gezeigt und hervorgethan hat, wenn die Installation des Lord Mayor mit einem Schmause verherrlicht wird, ja wenn man die Geburtsstunde der Pferde von echter Race nicht unbillig auf nachdenkliche Weise auszeichnet: so liegt es uns ja wohl noch näher (um nicht mit einem Antiklimax zu schließen) aufzuschauen, gerührt zu sein und etwa mit Gläsern anzustoßen, wenn das Unsterbliche sich uns zeigt, wenn die Tugend uns würdigt, körperlich vor uns zu erscheinen. Ja, meine Freunde, gerührten Herzens spreche ich es aus, ein junger angehender Tugendhafter ist unter uns, der noch heut Abend sich als eingepuppter Schmetterling durchbeißen und seine Schwingen im neuen Leben entfalten wird. Es ist Niemand anders als unser edler Wirth, der uns so manchen Schmaus gegönnt, so manches Glas eingeschenkt hat. Aber ein feuriger Vorsatz, abgerechnet, daß er selbst auf dem Trocknen sitzt, jener Impetus der Begeisterung, von dem schon die Alten sangen, reißt ihn nun von uns in lichte Höhen hinauf, und wir, von diesem Tisch und Flaschen und Schüsseln, seiner irdischen Grabesstätte, schauen ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/99
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/99>, abgerufen am 05.12.2024.