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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihm entfernt hatte, als sie gesehen, daß sein Vermögen verschwendet war; er entdeckte ihr seine Lage und seine Hoffnungen, und sie versprach, sich mit dem besten Eifer für ihn zu verwenden. Sei nur ruhig, mein Freund, so beschloß sie ihre Versicherungen, es kann und soll dir nicht fehlen, und dann wird es sich ja zeigen, ob du noch ein Fünkchen Liebe in deinem kalten Herzen für mich aufbewahrt hast. Nur mußt du vorsichtig sein und in seiner Gegenwart fremd gegen mich thun, damit er nie erfährt oder merkt, daß wir uns schon sonst gekannt haben.

Mit einem flüchtigen Kuß, wobei die geschminkte Wange ihm einen lebhaften Widerwillen erregte, verließ sie ihn, und Eduard ging mit dem größten Mißbehagen im Saale auf und ab, da sich Alles so ganz anders gestaltete, als er es sich vorgebildet hatte. Dieses Wesen, welches er hassen mußte, in seiner neuen Umgebung zu finden, schlug alle seine Hoffnungen nieder, und er nahm sich fest vor, ihren Netzen und Lockungen zu entgehen, und wenn diese seine Tugend ihm auch die größtern Nachtheile bringen sollte.

Indem öffnete sich die Thüre, und jener ihm so widerwärtige Unbekannte trat mit seinem hoffärtigen Gange und stolzer Geberde herein.

Eduard ging ihm entgegen und sagte: vielleicht gehören Sie zum Gefolge Seiner Durchlaucht und können mir melden, ob ich jetzt die Ehre haben kann, ihm meine Aufwartung zu machen.

ihm entfernt hatte, als sie gesehen, daß sein Vermögen verschwendet war; er entdeckte ihr seine Lage und seine Hoffnungen, und sie versprach, sich mit dem besten Eifer für ihn zu verwenden. Sei nur ruhig, mein Freund, so beschloß sie ihre Versicherungen, es kann und soll dir nicht fehlen, und dann wird es sich ja zeigen, ob du noch ein Fünkchen Liebe in deinem kalten Herzen für mich aufbewahrt hast. Nur mußt du vorsichtig sein und in seiner Gegenwart fremd gegen mich thun, damit er nie erfährt oder merkt, daß wir uns schon sonst gekannt haben.

Mit einem flüchtigen Kuß, wobei die geschminkte Wange ihm einen lebhaften Widerwillen erregte, verließ sie ihn, und Eduard ging mit dem größten Mißbehagen im Saale auf und ab, da sich Alles so ganz anders gestaltete, als er es sich vorgebildet hatte. Dieses Wesen, welches er hassen mußte, in seiner neuen Umgebung zu finden, schlug alle seine Hoffnungen nieder, und er nahm sich fest vor, ihren Netzen und Lockungen zu entgehen, und wenn diese seine Tugend ihm auch die größtern Nachtheile bringen sollte.

Indem öffnete sich die Thüre, und jener ihm so widerwärtige Unbekannte trat mit seinem hoffärtigen Gange und stolzer Geberde herein.

Eduard ging ihm entgegen und sagte: vielleicht gehören Sie zum Gefolge Seiner Durchlaucht und können mir melden, ob ich jetzt die Ehre haben kann, ihm meine Aufwartung zu machen.

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[0085] ihm entfernt hatte, als sie gesehen, daß sein Vermögen verschwendet war; er entdeckte ihr seine Lage und seine Hoffnungen, und sie versprach, sich mit dem besten Eifer für ihn zu verwenden. Sei nur ruhig, mein Freund, so beschloß sie ihre Versicherungen, es kann und soll dir nicht fehlen, und dann wird es sich ja zeigen, ob du noch ein Fünkchen Liebe in deinem kalten Herzen für mich aufbewahrt hast. Nur mußt du vorsichtig sein und in seiner Gegenwart fremd gegen mich thun, damit er nie erfährt oder merkt, daß wir uns schon sonst gekannt haben. Mit einem flüchtigen Kuß, wobei die geschminkte Wange ihm einen lebhaften Widerwillen erregte, verließ sie ihn, und Eduard ging mit dem größten Mißbehagen im Saale auf und ab, da sich Alles so ganz anders gestaltete, als er es sich vorgebildet hatte. Dieses Wesen, welches er hassen mußte, in seiner neuen Umgebung zu finden, schlug alle seine Hoffnungen nieder, und er nahm sich fest vor, ihren Netzen und Lockungen zu entgehen, und wenn diese seine Tugend ihm auch die größtern Nachtheile bringen sollte. Indem öffnete sich die Thüre, und jener ihm so widerwärtige Unbekannte trat mit seinem hoffärtigen Gange und stolzer Geberde herein. Eduard ging ihm entgegen und sagte: vielleicht gehören Sie zum Gefolge Seiner Durchlaucht und können mir melden, ob ich jetzt die Ehre haben kann, ihm meine Aufwartung zu machen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/85>, abgerufen am 30.11.2024.