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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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faltete, so half er ihr und der weissagenden Kraft durch die gewöhnliche Kunst, den Stengel zu beschneiden, diesen dann einige Augenblicke in die Flamme des Lichtes zu halten und die Blume nachher in das kalte Element zurück zu setzen. Fast sichtlich erfrischte sie sich nach dieser gewaltsamen Nachhülfe und blühte so schnell und mächtig auf, daß Eduard fürchten mußte, sie würde binnen Kurzem alle ihre Blätter verstreuen. Doch war er seitdem getröstet und traute seinen Sternen wieder.

Er blätterte in alten Papieren seines Vaters, schlug Briefe auseinander und fand so manche Erinnerungen aus seiner Kindheit, sowie aus der Fugend des Erzeugers. Er hatte den Inhalt eines Schrankes vor sich ausgepackt, der Rechnungen, Nachweisungen, Proceßacten und Vieles ähnlicher Art enthielt. Indem rollte sich ein Blatt auf, welches das Verzeichniß der ehemaligen Gallerie enthielt, die Geschichte der Bilder, ihre Preise, und was dem Besitzer bei jedem Stücke merkwürdig gewesen war. Eduard, der von einer Reise zurück kam, als sein Vater auf dem Sterbebette lag, hatte nach dem Begräbnisse vielfach nach jenen verlorenen Bildern gesucht und manche vergebliche Nachforschung angestellt. Er konnte mit Recht erwarten, daß auch von jenen vermißten sich hier ein Wort finden möchte, und wirklich erschien ihm in einem andern Paket, zwischen Papieren versteckt, ein Blatt, welches genau jene Stücke nannte, die Namen der Meister, so wie die vorigen Eigenthümer. Die Schrift war augenscheinlich aus den

faltete, so half er ihr und der weissagenden Kraft durch die gewöhnliche Kunst, den Stengel zu beschneiden, diesen dann einige Augenblicke in die Flamme des Lichtes zu halten und die Blume nachher in das kalte Element zurück zu setzen. Fast sichtlich erfrischte sie sich nach dieser gewaltsamen Nachhülfe und blühte so schnell und mächtig auf, daß Eduard fürchten mußte, sie würde binnen Kurzem alle ihre Blätter verstreuen. Doch war er seitdem getröstet und traute seinen Sternen wieder.

Er blätterte in alten Papieren seines Vaters, schlug Briefe auseinander und fand so manche Erinnerungen aus seiner Kindheit, sowie aus der Fugend des Erzeugers. Er hatte den Inhalt eines Schrankes vor sich ausgepackt, der Rechnungen, Nachweisungen, Proceßacten und Vieles ähnlicher Art enthielt. Indem rollte sich ein Blatt auf, welches das Verzeichniß der ehemaligen Gallerie enthielt, die Geschichte der Bilder, ihre Preise, und was dem Besitzer bei jedem Stücke merkwürdig gewesen war. Eduard, der von einer Reise zurück kam, als sein Vater auf dem Sterbebette lag, hatte nach dem Begräbnisse vielfach nach jenen verlorenen Bildern gesucht und manche vergebliche Nachforschung angestellt. Er konnte mit Recht erwarten, daß auch von jenen vermißten sich hier ein Wort finden möchte, und wirklich erschien ihm in einem andern Paket, zwischen Papieren versteckt, ein Blatt, welches genau jene Stücke nannte, die Namen der Meister, so wie die vorigen Eigenthümer. Die Schrift war augenscheinlich aus den

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/66>, abgerufen am 28.11.2024.