Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Ja, mein Freund, sagte der Vater: und wie ist es mit dir? Hast du selbst meinen Worten nachgedacht?

Viel und oft, erwiderte Erich: aber, lieber Grillenfänger, wenn es auch glückliche Ehen ohne Leidenschaft geben kann, so muß doch eine Art von Neigung da sein; die finde ich aber nicht, und ich kann es deiner Tochter nicht verdenken, -- wir sind uns zu ungleich. Schade wär' es auch, wenn das liebe Wesen mit seinen lebhaften Empfindungen nicht glücklich werden sollte.

Durch wen? rief der Vater, es findet sich ja Niemand, den sie mag, und der sich für sie paßt; du trittst völlig zurück, der fremde hochmüthige Gast hat mich heut' mit seiner vornehmen Art recht empfindlich geärgert; aus dem jungen Herrn Dietrich würde nie ein gescheidter Ehemann werden, da er sich gar nicht in die Welt zu schicken weiß, wie ich gesehen habe, und vom jungen Eisenschlicht darf ich ihr gar nicht einmal sprechen. Dazu ist mir auf's Neue der Verlust der herrlichen Bilder auf das Herz gefallen. Wo der Satan sie nur hingeführt hat! Sieh, meinem ärgsten Feinde möchte ich sie gönnen, wenn sie nur da wären! -- Und dann -- hab' ich nicht auch noch eine Verschuldung gegen Eduard? Du weißt, zu welchen billigen Preisen ich nach und nach von ihm kaufte, was er noch im Nachlasse seines Vaters fand. Er kannte, er achtete die Sachen nicht; ich habe ihm nie abgedrungen, ich habe ihn nie angelockt, -- aber doch -- wenn der junge Mensch ordentlich werden wollte, wenn er den bessern Weg einschlüge, -- wüßte

Ja, mein Freund, sagte der Vater: und wie ist es mit dir? Hast du selbst meinen Worten nachgedacht?

Viel und oft, erwiderte Erich: aber, lieber Grillenfänger, wenn es auch glückliche Ehen ohne Leidenschaft geben kann, so muß doch eine Art von Neigung da sein; die finde ich aber nicht, und ich kann es deiner Tochter nicht verdenken, — wir sind uns zu ungleich. Schade wär' es auch, wenn das liebe Wesen mit seinen lebhaften Empfindungen nicht glücklich werden sollte.

Durch wen? rief der Vater, es findet sich ja Niemand, den sie mag, und der sich für sie paßt; du trittst völlig zurück, der fremde hochmüthige Gast hat mich heut' mit seiner vornehmen Art recht empfindlich geärgert; aus dem jungen Herrn Dietrich würde nie ein gescheidter Ehemann werden, da er sich gar nicht in die Welt zu schicken weiß, wie ich gesehen habe, und vom jungen Eisenschlicht darf ich ihr gar nicht einmal sprechen. Dazu ist mir auf's Neue der Verlust der herrlichen Bilder auf das Herz gefallen. Wo der Satan sie nur hingeführt hat! Sieh, meinem ärgsten Feinde möchte ich sie gönnen, wenn sie nur da wären! — Und dann — hab' ich nicht auch noch eine Verschuldung gegen Eduard? Du weißt, zu welchen billigen Preisen ich nach und nach von ihm kaufte, was er noch im Nachlasse seines Vaters fand. Er kannte, er achtete die Sachen nicht; ich habe ihm nie abgedrungen, ich habe ihn nie angelockt, — aber doch — wenn der junge Mensch ordentlich werden wollte, wenn er den bessern Weg einschlüge, — wüßte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <pb facs="#f0062"/>
        <p>Ja, mein Freund, sagte der Vater: und wie ist es mit dir? Hast du selbst meinen                Worten nachgedacht?</p><lb/>
        <p>Viel und oft, erwiderte Erich: aber, lieber Grillenfänger, wenn es auch glückliche                Ehen ohne Leidenschaft geben kann, so muß doch eine Art von Neigung da sein; die                finde ich aber nicht, und ich kann es deiner Tochter nicht verdenken, &#x2014; wir sind uns                zu ungleich. Schade wär' es auch, wenn das liebe Wesen mit seinen lebhaften                Empfindungen nicht glücklich werden sollte.</p><lb/>
        <p>Durch wen? rief der Vater, es findet sich ja Niemand, den sie mag, und der sich für                sie paßt; du trittst völlig zurück, der fremde hochmüthige Gast hat mich heut' mit                seiner vornehmen Art recht empfindlich geärgert; aus dem jungen Herrn Dietrich würde                nie ein gescheidter Ehemann werden, da er sich gar nicht in die Welt zu schicken                weiß, wie ich gesehen habe, und vom jungen Eisenschlicht darf ich ihr gar nicht                einmal sprechen. Dazu ist mir auf's Neue der Verlust der herrlichen Bilder auf das                Herz gefallen. Wo der Satan sie nur hingeführt hat! Sieh, meinem ärgsten Feinde                möchte ich sie gönnen, wenn sie nur da wären! &#x2014; Und dann &#x2014; hab' ich nicht auch noch                eine Verschuldung gegen Eduard? Du weißt, zu welchen billigen Preisen ich nach und                nach von ihm kaufte, was er noch im Nachlasse seines Vaters fand. Er kannte, er                achtete die Sachen nicht; ich habe ihm nie abgedrungen, ich habe ihn nie angelockt, &#x2014;                aber doch &#x2014; wenn der junge Mensch ordentlich werden wollte, wenn er den bessern Weg                einschlüge, &#x2014; wüßte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] Ja, mein Freund, sagte der Vater: und wie ist es mit dir? Hast du selbst meinen Worten nachgedacht? Viel und oft, erwiderte Erich: aber, lieber Grillenfänger, wenn es auch glückliche Ehen ohne Leidenschaft geben kann, so muß doch eine Art von Neigung da sein; die finde ich aber nicht, und ich kann es deiner Tochter nicht verdenken, — wir sind uns zu ungleich. Schade wär' es auch, wenn das liebe Wesen mit seinen lebhaften Empfindungen nicht glücklich werden sollte. Durch wen? rief der Vater, es findet sich ja Niemand, den sie mag, und der sich für sie paßt; du trittst völlig zurück, der fremde hochmüthige Gast hat mich heut' mit seiner vornehmen Art recht empfindlich geärgert; aus dem jungen Herrn Dietrich würde nie ein gescheidter Ehemann werden, da er sich gar nicht in die Welt zu schicken weiß, wie ich gesehen habe, und vom jungen Eisenschlicht darf ich ihr gar nicht einmal sprechen. Dazu ist mir auf's Neue der Verlust der herrlichen Bilder auf das Herz gefallen. Wo der Satan sie nur hingeführt hat! Sieh, meinem ärgsten Feinde möchte ich sie gönnen, wenn sie nur da wären! — Und dann — hab' ich nicht auch noch eine Verschuldung gegen Eduard? Du weißt, zu welchen billigen Preisen ich nach und nach von ihm kaufte, was er noch im Nachlasse seines Vaters fand. Er kannte, er achtete die Sachen nicht; ich habe ihm nie abgedrungen, ich habe ihn nie angelockt, — aber doch — wenn der junge Mensch ordentlich werden wollte, wenn er den bessern Weg einschlüge, — wüßte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/62
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/62>, abgerufen am 28.11.2024.