Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Es ist wie mit allen Bitterkeiten, flüsterte Sophie ihrem Nachbar zu, sie fallen zu schwer auf die Zunge; man kann nicht recht unterscheiden, ob es schmeckt, oder nur allen Geschmack betäubt; dergleichen ist natürlich für den wahr, der Liebhaber davon ist. Eulenböck, der diesen Ausspruch auch gehört hatte, lachte, und der Vater, der die Sache nur halb verstanden, wandte sich mit Heiterkeit zu seinem fremden Gaste: wir sind also darüber einig, daß nur die sogenannten Conventionsheirathen glücklich sein können; ich werde auch niemals Anstand nehmen, meine einzige und nicht unbegabte oder arme Tochter einem Manne zu geben, sei er von welchem Stande er wolle, dessen Charakter mir werth ist, und dessen Kenntnisse ich, vorzüglich in der Kunst, achten muß, damit auch meine Enkel noch die Früchte meines Fleißes ärnten, und nicht in alle Winde und in die Häuser der Unwissenden das verstreut werde, was Liebe, Aufopferung, Studium und unermüdeter Fleiß in dieser Wohnung versammelt haben. Er sah den Fremden mit gefälligem Lächeln an; doch dieser, der bis jetzt ihm freundlich erwidert hatte, machte eine fast finstere Miene und sagte nach einer kleinen Pause: die Sammlungen von Privatpersonen können niemals lange bestehen; wer die Kunst liebt, sollte, falls er gesammelt hat, seine Schätze um ein Billiges Fürsten verkaufen, oder sie größern Gallerieen durch Testament einverleiben. Darum kann ich auch den Plan mit Ihrer Tochter nicht billigen, wenn ich auch Es ist wie mit allen Bitterkeiten, flüsterte Sophie ihrem Nachbar zu, sie fallen zu schwer auf die Zunge; man kann nicht recht unterscheiden, ob es schmeckt, oder nur allen Geschmack betäubt; dergleichen ist natürlich für den wahr, der Liebhaber davon ist. Eulenböck, der diesen Ausspruch auch gehört hatte, lachte, und der Vater, der die Sache nur halb verstanden, wandte sich mit Heiterkeit zu seinem fremden Gaste: wir sind also darüber einig, daß nur die sogenannten Conventionsheirathen glücklich sein können; ich werde auch niemals Anstand nehmen, meine einzige und nicht unbegabte oder arme Tochter einem Manne zu geben, sei er von welchem Stande er wolle, dessen Charakter mir werth ist, und dessen Kenntnisse ich, vorzüglich in der Kunst, achten muß, damit auch meine Enkel noch die Früchte meines Fleißes ärnten, und nicht in alle Winde und in die Häuser der Unwissenden das verstreut werde, was Liebe, Aufopferung, Studium und unermüdeter Fleiß in dieser Wohnung versammelt haben. Er sah den Fremden mit gefälligem Lächeln an; doch dieser, der bis jetzt ihm freundlich erwidert hatte, machte eine fast finstere Miene und sagte nach einer kleinen Pause: die Sammlungen von Privatpersonen können niemals lange bestehen; wer die Kunst liebt, sollte, falls er gesammelt hat, seine Schätze um ein Billiges Fürsten verkaufen, oder sie größern Gallerieen durch Testament einverleiben. Darum kann ich auch den Plan mit Ihrer Tochter nicht billigen, wenn ich auch <TEI> <text> <body> <div n="3"> <pb facs="#f0038"/> <p>Es ist wie mit allen Bitterkeiten, flüsterte Sophie ihrem Nachbar zu, sie fallen zu schwer auf die Zunge; man kann nicht recht unterscheiden, ob es schmeckt, oder nur allen Geschmack betäubt; dergleichen ist natürlich für den wahr, der Liebhaber davon ist.</p><lb/> <p>Eulenböck, der diesen Ausspruch auch gehört hatte, lachte, und der Vater, der die Sache nur halb verstanden, wandte sich mit Heiterkeit zu seinem fremden Gaste: wir sind also darüber einig, daß nur die sogenannten Conventionsheirathen glücklich sein können; ich werde auch niemals Anstand nehmen, meine einzige und nicht unbegabte oder arme Tochter einem Manne zu geben, sei er von welchem Stande er wolle, dessen Charakter mir werth ist, und dessen Kenntnisse ich, vorzüglich in der Kunst, achten muß, damit auch meine Enkel noch die Früchte meines Fleißes ärnten, und nicht in alle Winde und in die Häuser der Unwissenden das verstreut werde, was Liebe, Aufopferung, Studium und unermüdeter Fleiß in dieser Wohnung versammelt haben.</p><lb/> <p>Er sah den Fremden mit gefälligem Lächeln an; doch dieser, der bis jetzt ihm freundlich erwidert hatte, machte eine fast finstere Miene und sagte nach einer kleinen Pause: die Sammlungen von Privatpersonen können niemals lange bestehen; wer die Kunst liebt, sollte, falls er gesammelt hat, seine Schätze um ein Billiges Fürsten verkaufen, oder sie größern Gallerieen durch Testament einverleiben. Darum kann ich auch den Plan mit Ihrer Tochter nicht billigen, wenn ich auch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Es ist wie mit allen Bitterkeiten, flüsterte Sophie ihrem Nachbar zu, sie fallen zu schwer auf die Zunge; man kann nicht recht unterscheiden, ob es schmeckt, oder nur allen Geschmack betäubt; dergleichen ist natürlich für den wahr, der Liebhaber davon ist.
Eulenböck, der diesen Ausspruch auch gehört hatte, lachte, und der Vater, der die Sache nur halb verstanden, wandte sich mit Heiterkeit zu seinem fremden Gaste: wir sind also darüber einig, daß nur die sogenannten Conventionsheirathen glücklich sein können; ich werde auch niemals Anstand nehmen, meine einzige und nicht unbegabte oder arme Tochter einem Manne zu geben, sei er von welchem Stande er wolle, dessen Charakter mir werth ist, und dessen Kenntnisse ich, vorzüglich in der Kunst, achten muß, damit auch meine Enkel noch die Früchte meines Fleißes ärnten, und nicht in alle Winde und in die Häuser der Unwissenden das verstreut werde, was Liebe, Aufopferung, Studium und unermüdeter Fleiß in dieser Wohnung versammelt haben.
Er sah den Fremden mit gefälligem Lächeln an; doch dieser, der bis jetzt ihm freundlich erwidert hatte, machte eine fast finstere Miene und sagte nach einer kleinen Pause: die Sammlungen von Privatpersonen können niemals lange bestehen; wer die Kunst liebt, sollte, falls er gesammelt hat, seine Schätze um ein Billiges Fürsten verkaufen, oder sie größern Gallerieen durch Testament einverleiben. Darum kann ich auch den Plan mit Ihrer Tochter nicht billigen, wenn ich auch
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/38>, abgerufen am 27.07.2024. |