Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.leicht durch eine Einladung die unangenehme Scene etwas vergüten wollten, die er ohne Ihren Willen in Ihrem Hause hat erleiden müssen. Heute würde es am wenigsten passen, erwiderte der Alte, da gerade der Mann mit uns speisen wird, von dem der junge Mensch beleidigt ward. So? der? sagte das Mädchen mit gedehntem Tone. Es scheint, der fremde Mann ist dir unangenehm. Recht sehr, rief Sophie; denn erstlich kann ich es von Niemand leiden, wenn man nicht genau weiß, wer er ist; solch Incognito ist in der Fremde allerliebst, um für etwas Besonderes zu gelten, wenn hinter dem Menschen gerade gar nichts steckt, und so ist es gewiß mit diesem Unbekannten, der ganz das Wesen eines vacirenden Hofmeisters oder Secretärs hat, der sich gestern in Ihrer Gallerte ein Ansehen gab, als wenn er der oberste Director aller Heiden-Bekehrungsanstalten wäre. Du sagtest: erstens! fragte der Vater lächelnd; nun also zweitens? Zweitens ist er fatal, sagte sie lachend, und drittens ist er unausstehlich, und viertens hasse ich ihn wahrhaft. Das ist freilich erstens und letztens bei euch, sagte der Alte. Uebrigens erscheint noch mein Freund Erich und der junge Maler Dietrich, so wie der wunderliche Eulenböck. Da haben wir ja alle Zeitalter beisammen, rief Sophie aus, alle Arten von Geschmack und Gesinnung! leicht durch eine Einladung die unangenehme Scene etwas vergüten wollten, die er ohne Ihren Willen in Ihrem Hause hat erleiden müssen. Heute würde es am wenigsten passen, erwiderte der Alte, da gerade der Mann mit uns speisen wird, von dem der junge Mensch beleidigt ward. So? der? sagte das Mädchen mit gedehntem Tone. Es scheint, der fremde Mann ist dir unangenehm. Recht sehr, rief Sophie; denn erstlich kann ich es von Niemand leiden, wenn man nicht genau weiß, wer er ist; solch Incognito ist in der Fremde allerliebst, um für etwas Besonderes zu gelten, wenn hinter dem Menschen gerade gar nichts steckt, und so ist es gewiß mit diesem Unbekannten, der ganz das Wesen eines vacirenden Hofmeisters oder Secretärs hat, der sich gestern in Ihrer Gallerte ein Ansehen gab, als wenn er der oberste Director aller Heiden-Bekehrungsanstalten wäre. Du sagtest: erstens! fragte der Vater lächelnd; nun also zweitens? Zweitens ist er fatal, sagte sie lachend, und drittens ist er unausstehlich, und viertens hasse ich ihn wahrhaft. Das ist freilich erstens und letztens bei euch, sagte der Alte. Uebrigens erscheint noch mein Freund Erich und der junge Maler Dietrich, so wie der wunderliche Eulenböck. Da haben wir ja alle Zeitalter beisammen, rief Sophie aus, alle Arten von Geschmack und Gesinnung! <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0030"/> leicht durch eine Einladung die unangenehme Scene etwas vergüten wollten, die er ohne Ihren Willen in Ihrem Hause hat erleiden müssen.</p><lb/> <p>Heute würde es am wenigsten passen, erwiderte der Alte, da gerade der Mann mit uns speisen wird, von dem der junge Mensch beleidigt ward.</p><lb/> <p>So? der? sagte das Mädchen mit gedehntem Tone.</p><lb/> <p>Es scheint, der fremde Mann ist dir unangenehm.</p><lb/> <p>Recht sehr, rief Sophie; denn erstlich kann ich es von Niemand leiden, wenn man nicht genau weiß, wer er ist; solch Incognito ist in der Fremde allerliebst, um für etwas Besonderes zu gelten, wenn hinter dem Menschen gerade gar nichts steckt, und so ist es gewiß mit diesem Unbekannten, der ganz das Wesen eines vacirenden Hofmeisters oder Secretärs hat, der sich gestern in Ihrer Gallerte ein Ansehen gab, als wenn er der oberste Director aller Heiden-Bekehrungsanstalten wäre.</p><lb/> <p>Du sagtest: erstens! fragte der Vater lächelnd; nun also zweitens?</p><lb/> <p>Zweitens ist er fatal, sagte sie lachend, und drittens ist er unausstehlich, und viertens hasse ich ihn wahrhaft.</p><lb/> <p>Das ist freilich erstens und letztens bei euch, sagte der Alte. Uebrigens erscheint noch mein Freund Erich und der junge Maler Dietrich, so wie der wunderliche Eulenböck.</p><lb/> <p>Da haben wir ja alle Zeitalter beisammen, rief Sophie aus, alle Arten von Geschmack und Gesinnung!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
leicht durch eine Einladung die unangenehme Scene etwas vergüten wollten, die er ohne Ihren Willen in Ihrem Hause hat erleiden müssen.
Heute würde es am wenigsten passen, erwiderte der Alte, da gerade der Mann mit uns speisen wird, von dem der junge Mensch beleidigt ward.
So? der? sagte das Mädchen mit gedehntem Tone.
Es scheint, der fremde Mann ist dir unangenehm.
Recht sehr, rief Sophie; denn erstlich kann ich es von Niemand leiden, wenn man nicht genau weiß, wer er ist; solch Incognito ist in der Fremde allerliebst, um für etwas Besonderes zu gelten, wenn hinter dem Menschen gerade gar nichts steckt, und so ist es gewiß mit diesem Unbekannten, der ganz das Wesen eines vacirenden Hofmeisters oder Secretärs hat, der sich gestern in Ihrer Gallerte ein Ansehen gab, als wenn er der oberste Director aller Heiden-Bekehrungsanstalten wäre.
Du sagtest: erstens! fragte der Vater lächelnd; nun also zweitens?
Zweitens ist er fatal, sagte sie lachend, und drittens ist er unausstehlich, und viertens hasse ich ihn wahrhaft.
Das ist freilich erstens und letztens bei euch, sagte der Alte. Uebrigens erscheint noch mein Freund Erich und der junge Maler Dietrich, so wie der wunderliche Eulenböck.
Da haben wir ja alle Zeitalter beisammen, rief Sophie aus, alle Arten von Geschmack und Gesinnung!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/30 |
Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/30>, abgerufen am 27.07.2024. |