Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.meines Herzens ausgegossen. Ach! welch Dasein hätte mir aufgehen können, welch Glück mir und Andern, wenn ein böser Geist nicht meine Augen verblendete. Segensbäume wuchsen und schatteten um mich und über mir, in denen der Freund, die Gattin und die Bedrängten Hülfe, Trost, Heimath und Frieden fanden; und ich habe die Axt im schwindelnden Uebermuth an diesen Hain gelegt, und muß nun Frost, Sturm und Hitze dulden! Eulenböck wußte nicht, welch Gesicht er machen, noch weniger, was er sagen sollte, denn in dieser Stimmung, mit solchen Gesinnungen hatte er seinen jungen Freund noch niemals gesehen; er war endlich nur froh und beruhigt, daß dieser ihn nicht bemerkte, so daß er in behaglicher Heimlichkeit seinen Wein ausleerte. Tugendhaft also willst du werden, mein Sohn? fing er endlich an. Auch gut. Wahrlich! wenige Menschen sind für die Tugend so portirt, als ich selber, denn es gehört schon ein scharfer Blick dazu, um nur zu wissen, was Tugend ist. Knausern, den Leuten abzwacken, sich und unserm Herrgott etwas vorlügen, ist gewiß keine. Wer aber das rechte Talent dazu hat, der findet's auch. Wenn ich einem verständigen Mann zu einem guten Salvator oder Julio Romano von meiner Hand verhelfe, und er freut sich dann, so habe ich immer noch besser gehandelt, als wenn ich einem Pinsel einen echten Rafael verkaufe, den der Gimpel nicht zu schätzen weiß, so daß ihm im Grunde seines meines Herzens ausgegossen. Ach! welch Dasein hätte mir aufgehen können, welch Glück mir und Andern, wenn ein böser Geist nicht meine Augen verblendete. Segensbäume wuchsen und schatteten um mich und über mir, in denen der Freund, die Gattin und die Bedrängten Hülfe, Trost, Heimath und Frieden fanden; und ich habe die Axt im schwindelnden Uebermuth an diesen Hain gelegt, und muß nun Frost, Sturm und Hitze dulden! Eulenböck wußte nicht, welch Gesicht er machen, noch weniger, was er sagen sollte, denn in dieser Stimmung, mit solchen Gesinnungen hatte er seinen jungen Freund noch niemals gesehen; er war endlich nur froh und beruhigt, daß dieser ihn nicht bemerkte, so daß er in behaglicher Heimlichkeit seinen Wein ausleerte. Tugendhaft also willst du werden, mein Sohn? fing er endlich an. Auch gut. Wahrlich! wenige Menschen sind für die Tugend so portirt, als ich selber, denn es gehört schon ein scharfer Blick dazu, um nur zu wissen, was Tugend ist. Knausern, den Leuten abzwacken, sich und unserm Herrgott etwas vorlügen, ist gewiß keine. Wer aber das rechte Talent dazu hat, der findet's auch. Wenn ich einem verständigen Mann zu einem guten Salvator oder Julio Romano von meiner Hand verhelfe, und er freut sich dann, so habe ich immer noch besser gehandelt, als wenn ich einem Pinsel einen echten Rafael verkaufe, den der Gimpel nicht zu schätzen weiß, so daß ihm im Grunde seines <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0026"/> meines Herzens ausgegossen. Ach! welch Dasein hätte mir aufgehen können, welch Glück mir und Andern, wenn ein böser Geist nicht meine Augen verblendete. Segensbäume wuchsen und schatteten um mich und über mir, in denen der Freund, die Gattin und die Bedrängten Hülfe, Trost, Heimath und Frieden fanden; und ich habe die Axt im schwindelnden Uebermuth an diesen Hain gelegt, und muß nun Frost, Sturm und Hitze dulden!</p><lb/> <p>Eulenböck wußte nicht, welch Gesicht er machen, noch weniger, was er sagen sollte, denn in dieser Stimmung, mit solchen Gesinnungen hatte er seinen jungen Freund noch niemals gesehen; er war endlich nur froh und beruhigt, daß dieser ihn nicht bemerkte, so daß er in behaglicher Heimlichkeit seinen Wein ausleerte.</p><lb/> <p>Tugendhaft also willst du werden, mein Sohn? fing er endlich an. Auch gut. Wahrlich! wenige Menschen sind für die Tugend so portirt, als ich selber, denn es gehört schon ein scharfer Blick dazu, um nur zu wissen, was Tugend ist. Knausern, den Leuten abzwacken, sich und unserm Herrgott etwas vorlügen, ist gewiß keine. Wer aber das rechte Talent dazu hat, der findet's auch. Wenn ich einem verständigen Mann zu einem guten Salvator oder Julio Romano von meiner Hand verhelfe, und er freut sich dann, so habe ich immer noch besser gehandelt, als wenn ich einem Pinsel einen echten Rafael verkaufe, den der Gimpel nicht zu schätzen weiß, so daß ihm im Grunde seines<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
meines Herzens ausgegossen. Ach! welch Dasein hätte mir aufgehen können, welch Glück mir und Andern, wenn ein böser Geist nicht meine Augen verblendete. Segensbäume wuchsen und schatteten um mich und über mir, in denen der Freund, die Gattin und die Bedrängten Hülfe, Trost, Heimath und Frieden fanden; und ich habe die Axt im schwindelnden Uebermuth an diesen Hain gelegt, und muß nun Frost, Sturm und Hitze dulden!
Eulenböck wußte nicht, welch Gesicht er machen, noch weniger, was er sagen sollte, denn in dieser Stimmung, mit solchen Gesinnungen hatte er seinen jungen Freund noch niemals gesehen; er war endlich nur froh und beruhigt, daß dieser ihn nicht bemerkte, so daß er in behaglicher Heimlichkeit seinen Wein ausleerte.
Tugendhaft also willst du werden, mein Sohn? fing er endlich an. Auch gut. Wahrlich! wenige Menschen sind für die Tugend so portirt, als ich selber, denn es gehört schon ein scharfer Blick dazu, um nur zu wissen, was Tugend ist. Knausern, den Leuten abzwacken, sich und unserm Herrgott etwas vorlügen, ist gewiß keine. Wer aber das rechte Talent dazu hat, der findet's auch. Wenn ich einem verständigen Mann zu einem guten Salvator oder Julio Romano von meiner Hand verhelfe, und er freut sich dann, so habe ich immer noch besser gehandelt, als wenn ich einem Pinsel einen echten Rafael verkaufe, den der Gimpel nicht zu schätzen weiß, so daß ihm im Grunde seines
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/26>, abgerufen am 27.07.2024. |