Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.So ist es mir selbst, sagte Eduard; vergeben Sie, daß ich Ihnen mit meinem Besuche lästig falle. Wir sollten uns nicht so fremd sein, junger Freund, sagte der Alte herzlich; es ist nun schon länger als vier Jahre, daß Sie mein Haus nicht betreten haben. Ist es recht, den Freund Ihres Vaters, Ihren ehemaligen Vormund, der es gewiß immer gut mit Ihnen meinte, wenn wir gleich damals einige Differenzen mit einander hatten, so ganz zu vergessen? Eduard ward roth und wußte nicht gleich, was er antworten sollte. Ich glaubte nicht, daß Sie mich vermissen würden, stotterte er endlich. Es könnte Vieles, Alles anders gewesen sein; allein die Irrthümer der Jugend -- Lassen wir das, rief der Alte im frohen Muth; was hindert uns, unsre ehemalige Bekanntschaft und Freundschaft zu erneuern? Was führt Sie jetzt zu mir? Eduard sah nieder, dann warf er einen eiligen, schnell abgleitenden Blick auf den alten Freund, zauderte noch, und ging nun mit zögerndem Schritt nach dem Pfeiler, wo das Gemälde stand, das er aus seiner Verhüllung nahm. Sehen Sie hier, sagte er, was ich noch unvermuthet in der Verlassenschaft meines seligen Vaters gefunden habe, ein Bild, das in einem Bücherschränke aufbewahrt war, den ich seit Jahren nicht eröffnet hatte; Kenner wollen mir sagen, daß es ein trefflicher Salvator Rosa sei. So ist es, rief der alte Walther mit begeisterten So ist es mir selbst, sagte Eduard; vergeben Sie, daß ich Ihnen mit meinem Besuche lästig falle. Wir sollten uns nicht so fremd sein, junger Freund, sagte der Alte herzlich; es ist nun schon länger als vier Jahre, daß Sie mein Haus nicht betreten haben. Ist es recht, den Freund Ihres Vaters, Ihren ehemaligen Vormund, der es gewiß immer gut mit Ihnen meinte, wenn wir gleich damals einige Differenzen mit einander hatten, so ganz zu vergessen? Eduard ward roth und wußte nicht gleich, was er antworten sollte. Ich glaubte nicht, daß Sie mich vermissen würden, stotterte er endlich. Es könnte Vieles, Alles anders gewesen sein; allein die Irrthümer der Jugend — Lassen wir das, rief der Alte im frohen Muth; was hindert uns, unsre ehemalige Bekanntschaft und Freundschaft zu erneuern? Was führt Sie jetzt zu mir? Eduard sah nieder, dann warf er einen eiligen, schnell abgleitenden Blick auf den alten Freund, zauderte noch, und ging nun mit zögerndem Schritt nach dem Pfeiler, wo das Gemälde stand, das er aus seiner Verhüllung nahm. Sehen Sie hier, sagte er, was ich noch unvermuthet in der Verlassenschaft meines seligen Vaters gefunden habe, ein Bild, das in einem Bücherschränke aufbewahrt war, den ich seit Jahren nicht eröffnet hatte; Kenner wollen mir sagen, daß es ein trefflicher Salvator Rosa sei. So ist es, rief der alte Walther mit begeisterten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0016"/> <p>So ist es mir selbst, sagte Eduard; vergeben Sie, daß ich Ihnen mit meinem Besuche lästig falle.</p><lb/> <p>Wir sollten uns nicht so fremd sein, junger Freund, sagte der Alte herzlich; es ist nun schon länger als vier Jahre, daß Sie mein Haus nicht betreten haben. Ist es recht, den Freund Ihres Vaters, Ihren ehemaligen Vormund, der es gewiß immer gut mit Ihnen meinte, wenn wir gleich damals einige Differenzen mit einander hatten, so ganz zu vergessen?</p><lb/> <p>Eduard ward roth und wußte nicht gleich, was er antworten sollte. Ich glaubte nicht, daß Sie mich vermissen würden, stotterte er endlich. Es könnte Vieles, Alles anders gewesen sein; allein die Irrthümer der Jugend —</p><lb/> <p>Lassen wir das, rief der Alte im frohen Muth; was hindert uns, unsre ehemalige Bekanntschaft und Freundschaft zu erneuern? Was führt Sie jetzt zu mir?</p><lb/> <p>Eduard sah nieder, dann warf er einen eiligen, schnell abgleitenden Blick auf den alten Freund, zauderte noch, und ging nun mit zögerndem Schritt nach dem Pfeiler, wo das Gemälde stand, das er aus seiner Verhüllung nahm. Sehen Sie hier, sagte er, was ich noch unvermuthet in der Verlassenschaft meines seligen Vaters gefunden habe, ein Bild, das in einem Bücherschränke aufbewahrt war, den ich seit Jahren nicht eröffnet hatte; Kenner wollen mir sagen, daß es ein trefflicher Salvator Rosa sei.</p><lb/> <p>So ist es, rief der alte Walther mit begeisterten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
So ist es mir selbst, sagte Eduard; vergeben Sie, daß ich Ihnen mit meinem Besuche lästig falle.
Wir sollten uns nicht so fremd sein, junger Freund, sagte der Alte herzlich; es ist nun schon länger als vier Jahre, daß Sie mein Haus nicht betreten haben. Ist es recht, den Freund Ihres Vaters, Ihren ehemaligen Vormund, der es gewiß immer gut mit Ihnen meinte, wenn wir gleich damals einige Differenzen mit einander hatten, so ganz zu vergessen?
Eduard ward roth und wußte nicht gleich, was er antworten sollte. Ich glaubte nicht, daß Sie mich vermissen würden, stotterte er endlich. Es könnte Vieles, Alles anders gewesen sein; allein die Irrthümer der Jugend —
Lassen wir das, rief der Alte im frohen Muth; was hindert uns, unsre ehemalige Bekanntschaft und Freundschaft zu erneuern? Was führt Sie jetzt zu mir?
Eduard sah nieder, dann warf er einen eiligen, schnell abgleitenden Blick auf den alten Freund, zauderte noch, und ging nun mit zögerndem Schritt nach dem Pfeiler, wo das Gemälde stand, das er aus seiner Verhüllung nahm. Sehen Sie hier, sagte er, was ich noch unvermuthet in der Verlassenschaft meines seligen Vaters gefunden habe, ein Bild, das in einem Bücherschränke aufbewahrt war, den ich seit Jahren nicht eröffnet hatte; Kenner wollen mir sagen, daß es ein trefflicher Salvator Rosa sei.
So ist es, rief der alte Walther mit begeisterten
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/16>, abgerufen am 27.07.2024. |