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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Gesellen fortzusetzen; um aber kein übermäßiges Geräusch zu erregen und doch noch vielleicht ihr Schicksal zu theilen, nahm er eine feine Säge und durchschnitt oben vorsichtig den Balken; er wiederholte dies unten, und nahm dann den Kloben heraus. Hierauf war es nicht so gar schwer, noch eine innere leichte Vertäfelung wegzubrechen; das dünne Brett fiel nieder, und Eduard leuchtete in die Nische hinein. Er konnte aber kaum den breiten Raum übersehen und etwas, das ihm wie Gold entgegen glänzte, wahrnehmen, als Alles plötzlich verschwand; denn er hatte mit dem Lichte oben angestoßen und es ausgelöscht. Erschreckt und in der größten Bewegung tappte er durch den finstern Saal, aus der Thüre, über einen langen Gang, dann über den Hof nach einem kleinen Hintergebäude. Wie zürnte er über sich selbst, daß er keine Anstalt in der Nähe habe, Feuer zu machen. Aus festem Schlafe ermunterte er den eisgrauen Thürhüter, der sich lange nicht besinnen konnte, ließ sich von ihm, nach vielen vergeblichen Versuchen, sein Licht wieder anzünden und kehrte dann mit behutsam vorgehaltener Hand, an allen Gliedern zitternd und mit klopfendem Herzen über die Gänge nach dem Zimmer zurück. Er wußte nicht, was er gesehen hatte, er wollte noch nicht glauben, was er ahndete. Im Saale setzte er sich erst in den Lehnstuhl, um sich zu sammeln, dann zündete er noch einige Kerzen an und begab sich nun gebückt in die Nische. Der weite Raum der Fenster erglänzte von oben bis unten wie in goldnem

Gesellen fortzusetzen; um aber kein übermäßiges Geräusch zu erregen und doch noch vielleicht ihr Schicksal zu theilen, nahm er eine feine Säge und durchschnitt oben vorsichtig den Balken; er wiederholte dies unten, und nahm dann den Kloben heraus. Hierauf war es nicht so gar schwer, noch eine innere leichte Vertäfelung wegzubrechen; das dünne Brett fiel nieder, und Eduard leuchtete in die Nische hinein. Er konnte aber kaum den breiten Raum übersehen und etwas, das ihm wie Gold entgegen glänzte, wahrnehmen, als Alles plötzlich verschwand; denn er hatte mit dem Lichte oben angestoßen und es ausgelöscht. Erschreckt und in der größten Bewegung tappte er durch den finstern Saal, aus der Thüre, über einen langen Gang, dann über den Hof nach einem kleinen Hintergebäude. Wie zürnte er über sich selbst, daß er keine Anstalt in der Nähe habe, Feuer zu machen. Aus festem Schlafe ermunterte er den eisgrauen Thürhüter, der sich lange nicht besinnen konnte, ließ sich von ihm, nach vielen vergeblichen Versuchen, sein Licht wieder anzünden und kehrte dann mit behutsam vorgehaltener Hand, an allen Gliedern zitternd und mit klopfendem Herzen über die Gänge nach dem Zimmer zurück. Er wußte nicht, was er gesehen hatte, er wollte noch nicht glauben, was er ahndete. Im Saale setzte er sich erst in den Lehnstuhl, um sich zu sammeln, dann zündete er noch einige Kerzen an und begab sich nun gebückt in die Nische. Der weite Raum der Fenster erglänzte von oben bis unten wie in goldnem

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[0122] Gesellen fortzusetzen; um aber kein übermäßiges Geräusch zu erregen und doch noch vielleicht ihr Schicksal zu theilen, nahm er eine feine Säge und durchschnitt oben vorsichtig den Balken; er wiederholte dies unten, und nahm dann den Kloben heraus. Hierauf war es nicht so gar schwer, noch eine innere leichte Vertäfelung wegzubrechen; das dünne Brett fiel nieder, und Eduard leuchtete in die Nische hinein. Er konnte aber kaum den breiten Raum übersehen und etwas, das ihm wie Gold entgegen glänzte, wahrnehmen, als Alles plötzlich verschwand; denn er hatte mit dem Lichte oben angestoßen und es ausgelöscht. Erschreckt und in der größten Bewegung tappte er durch den finstern Saal, aus der Thüre, über einen langen Gang, dann über den Hof nach einem kleinen Hintergebäude. Wie zürnte er über sich selbst, daß er keine Anstalt in der Nähe habe, Feuer zu machen. Aus festem Schlafe ermunterte er den eisgrauen Thürhüter, der sich lange nicht besinnen konnte, ließ sich von ihm, nach vielen vergeblichen Versuchen, sein Licht wieder anzünden und kehrte dann mit behutsam vorgehaltener Hand, an allen Gliedern zitternd und mit klopfendem Herzen über die Gänge nach dem Zimmer zurück. Er wußte nicht, was er gesehen hatte, er wollte noch nicht glauben, was er ahndete. Im Saale setzte er sich erst in den Lehnstuhl, um sich zu sammeln, dann zündete er noch einige Kerzen an und begab sich nun gebückt in die Nische. Der weite Raum der Fenster erglänzte von oben bis unten wie in goldnem

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/122>, abgerufen am 18.05.2024.