Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.Fünfte Abtheilung. Siebenter Abschnitt. plätze der Liederlichkeit, oder als unanständige Oerter an-gesehen. Selbst Leute von gutem Ruf besuchen sie, wenn sie ihre Freunde mit Sakki tractiren wollen. Ue- berhaupt betrachten die Japaner die Unzucht nicht als ein Laster, am wenigsten wenn sie an Oertern getrieben wird, die unter dem Schutze der Gesetze und der Regierung ste- hen. Gemeiniglich sind diese Häuser die schönsten und prächtigsten, und nicht selten sind sie an die Tempel der Gottheiten gebauet. An einem so kleinen Orte, als Dsino Kameru, waren nicht weniger als funfzig öffent- liche Mädchen. Zu Kaminoseki sind zwey solcher Häu- ser, die dermahlen zusammen mit achtzig Mädchen be- setzt waren. Zu Miterai trifft man der Häuser so gar vier, und zwar sehr wohl conditionirte, an. Diese, jetzt über das ganze Land ausgebreitete Einrichtung ist aber nicht immer gewesen, sondern erst zur Zeit der ein- heimischen Kriege entstanden, als der weltliche Kaiser, damahls oberster Befehlshaber der Kriegsmacht, dem Dairi die Kaiserliche Gewalt und Autorität, diejenige ausgenommen, welche er in Religionssachen noch hat, entriß und an sich brachte. Der Dairi wurde damahls gezwungen, in sehr zartem Alter mit seiner Pflegemut- ter und seinem Hofstaate zu entfliehen. Sie nahmen den Weg nach Simonoseki. Seine Bedienung bestand, wie sie noch jetzt thut, (denn er wird für so heilig gehal- ten, daß keine Mannsperson ihm nahe kommen darf), lediglich aus Personen des andern Geschlechts. Auf der Flucht über die See sprang die Pflegemutter, als die Feinde ihr nachsetzten, mit ihm ins Wasser, und ertrank. Das Frauenzimmer von seiner Bedienung kam nach Si- monoseki; weil diese Leute aber nicht zu leben hatten, sa- hen sie sich genöthigt, auf eine unanständige Art ihren Unterhalt zu erwerben. Dies ist, wie viele, unter an- Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt. plaͤtze der Liederlichkeit, oder als unanſtaͤndige Oerter an-geſehen. Selbſt Leute von gutem Ruf beſuchen ſie, wenn ſie ihre Freunde mit Sakki tractiren wollen. Ue- berhaupt betrachten die Japaner die Unzucht nicht als ein Laſter, am wenigſten wenn ſie an Oertern getrieben wird, die unter dem Schutze der Geſetze und der Regierung ſte- hen. Gemeiniglich ſind dieſe Haͤuſer die ſchoͤnſten und praͤchtigſten, und nicht ſelten ſind ſie an die Tempel der Gottheiten gebauet. An einem ſo kleinen Orte, als Dſino Kameru, waren nicht weniger als funfzig oͤffent- liche Maͤdchen. Zu Kaminoſeki ſind zwey ſolcher Haͤu- ſer, die dermahlen zuſammen mit achtzig Maͤdchen be- ſetzt waren. Zu Miterai trifft man der Haͤuſer ſo gar vier, und zwar ſehr wohl conditionirte, an. Dieſe, jetzt uͤber das ganze Land ausgebreitete Einrichtung iſt aber nicht immer geweſen, ſondern erſt zur Zeit der ein- heimiſchen Kriege entſtanden, als der weltliche Kaiſer, damahls oberſter Befehlshaber der Kriegsmacht, dem Dairi die Kaiſerliche Gewalt und Autoritaͤt, diejenige ausgenommen, welche er in Religionsſachen noch hat, entriß und an ſich brachte. Der Dairi wurde damahls gezwungen, in ſehr zartem Alter mit ſeiner Pflegemut- ter und ſeinem Hofſtaate zu entfliehen. Sie nahmen den Weg nach Simonoſeki. Seine Bedienung beſtand, wie ſie noch jetzt thut, (denn er wird fuͤr ſo heilig gehal- ten, daß keine Mannsperſon ihm nahe kommen darf), lediglich aus Perſonen des andern Geſchlechts. Auf der Flucht uͤber die See ſprang die Pflegemutter, als die Feinde ihr nachſetzten, mit ihm ins Waſſer, und ertrank. Das Frauenzimmer von ſeiner Bedienung kam nach Si- monoſeki; weil dieſe Leute aber nicht zu leben hatten, ſa- hen ſie ſich genoͤthigt, auf eine unanſtaͤndige Art ihren Unterhalt zu erwerben. Dies iſt, wie viele, unter an- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0240" n="206"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> plaͤtze der Liederlichkeit, oder als unanſtaͤndige Oerter an-<lb/> geſehen. Selbſt Leute von gutem Ruf beſuchen ſie,<lb/> wenn ſie ihre Freunde mit Sakki tractiren wollen. Ue-<lb/> berhaupt betrachten die Japaner die Unzucht nicht als ein<lb/> Laſter, am wenigſten wenn ſie an Oertern getrieben wird,<lb/> die unter dem Schutze der Geſetze und der Regierung ſte-<lb/> hen. Gemeiniglich ſind dieſe Haͤuſer die ſchoͤnſten und<lb/> praͤchtigſten, und nicht ſelten ſind ſie an die Tempel der<lb/> Gottheiten gebauet. 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Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
plaͤtze der Liederlichkeit, oder als unanſtaͤndige Oerter an-
geſehen. Selbſt Leute von gutem Ruf beſuchen ſie,
wenn ſie ihre Freunde mit Sakki tractiren wollen. Ue-
berhaupt betrachten die Japaner die Unzucht nicht als ein
Laſter, am wenigſten wenn ſie an Oertern getrieben wird,
die unter dem Schutze der Geſetze und der Regierung ſte-
hen. Gemeiniglich ſind dieſe Haͤuſer die ſchoͤnſten und
praͤchtigſten, und nicht ſelten ſind ſie an die Tempel der
Gottheiten gebauet. An einem ſo kleinen Orte, als
Dſino Kameru, waren nicht weniger als funfzig oͤffent-
liche Maͤdchen. Zu Kaminoſeki ſind zwey ſolcher Haͤu-
ſer, die dermahlen zuſammen mit achtzig Maͤdchen be-
ſetzt waren. Zu Miterai trifft man der Haͤuſer ſo gar
vier, und zwar ſehr wohl conditionirte, an. Dieſe,
jetzt uͤber das ganze Land ausgebreitete Einrichtung iſt
aber nicht immer geweſen, ſondern erſt zur Zeit der ein-
heimiſchen Kriege entſtanden, als der weltliche Kaiſer,
damahls oberſter Befehlshaber der Kriegsmacht, dem
Dairi die Kaiſerliche Gewalt und Autoritaͤt, diejenige
ausgenommen, welche er in Religionsſachen noch hat,
entriß und an ſich brachte. Der Dairi wurde damahls
gezwungen, in ſehr zartem Alter mit ſeiner Pflegemut-
ter und ſeinem Hofſtaate zu entfliehen. Sie nahmen
den Weg nach Simonoſeki. Seine Bedienung beſtand,
wie ſie noch jetzt thut, (denn er wird fuͤr ſo heilig gehal-
ten, daß keine Mannsperſon ihm nahe kommen darf),
lediglich aus Perſonen des andern Geſchlechts. Auf der
Flucht uͤber die See ſprang die Pflegemutter, als die
Feinde ihr nachſetzten, mit ihm ins Waſſer, und ertrank.
Das Frauenzimmer von ſeiner Bedienung kam nach Si-
monoſeki; weil dieſe Leute aber nicht zu leben hatten, ſa-
hen ſie ſich genoͤthigt, auf eine unanſtaͤndige Art ihren
Unterhalt zu erwerben. Dies iſt, wie viele, unter an-
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