mehr durch verstellte Freundschaft so wohl ihn als andre zu täuschen, bis früh oder spät sich eine Gelegenheit zeigt, wo sie ihm beträchtlichen Schaden oder großes Unglück zufügen können.
Sonst muß ich hier noch eine Untugend der Japa- ner rügen, ich meine die Unzucht. Diese scheint unter ihnen allgemein zu herrschen. Die Schamhaftigkeit steht in geringem Werth bey ihnen. Selbst das weibli- che Geschlecht übt diese Tugend wenig aus. Selten be- kümmern sie sich darum, sich zu bedecken, wenn sie sich baden, selbst dann nicht, wenn es auf offnen Plätzen geschieht. Auch nicht einmahl zu Nangasaki thun sie es an solchen Stellen, wo sie von den Holländern gesehen werden können und wo diese vorbey kommen.
Dritter Abschnitt. Häuser und Hausgeräth.
Die Häuser der Japaner sind von Fachwerk und weiß übertüncht, und sehen daher von außen völlig wie stei- nerne Gebäude aus. Ihre Bauart ist ganz besonders. Das Holz hat nur senkrechte und horizontale Richtung; schräg, wie sonst bey Fachwerk zu geschehen pflegt, ist nichts davon angebracht; es besteht daher bloß aus Solen, Balken, Riegeln und Stendern. Diese alle sind viereckig und nicht dick. Die Fächer zwischen denselben werden mit Bamborohr zugeflochten, und dieses mit Mörtel, von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die Mauern oder Wände werden daher eben nicht dick. Jedes Haus nimmt einen ansehnlichen Raum ein. Im Hause selbst hat man gar keine Zwischenwände. Es wird bloß von den Stendern unterstützt. Zwischen diesen sind an der Decke und dem Fußboden andre
Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
mehr durch verſtellte Freundſchaft ſo wohl ihn als andre zu taͤuſchen, bis fruͤh oder ſpaͤt ſich eine Gelegenheit zeigt, wo ſie ihm betraͤchtlichen Schaden oder großes Ungluͤck zufuͤgen koͤnnen.
Sonſt muß ich hier noch eine Untugend der Japa- ner ruͤgen, ich meine die Unzucht. Dieſe ſcheint unter ihnen allgemein zu herrſchen. Die Schamhaftigkeit ſteht in geringem Werth bey ihnen. Selbſt das weibli- che Geſchlecht uͤbt dieſe Tugend wenig aus. Selten be- kuͤmmern ſie ſich darum, ſich zu bedecken, wenn ſie ſich baden, ſelbſt dann nicht, wenn es auf offnen Plaͤtzen geſchieht. Auch nicht einmahl zu Nangaſaki thun ſie es an ſolchen Stellen, wo ſie von den Hollaͤndern geſehen werden koͤnnen und wo dieſe vorbey kommen.
Dritter Abſchnitt. Haͤuſer und Hausgeraͤth.
Die Haͤuſer der Japaner ſind von Fachwerk und weiß uͤbertuͤncht, und ſehen daher von außen voͤllig wie ſtei- nerne Gebaͤude aus. Ihre Bauart iſt ganz beſonders. Das Holz hat nur ſenkrechte und horizontale Richtung; ſchraͤg, wie ſonſt bey Fachwerk zu geſchehen pflegt, iſt nichts davon angebracht; es beſteht daher bloß aus Solen, Balken, Riegeln und Stendern. Dieſe alle ſind viereckig und nicht dick. Die Faͤcher zwiſchen denſelben werden mit Bamborohr zugeflochten, und dieſes mit Moͤrtel, von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die Mauern oder Waͤnde werden daher eben nicht dick. Jedes Haus nimmt einen anſehnlichen Raum ein. Im Hauſe ſelbſt hat man gar keine Zwiſchenwaͤnde. Es wird bloß von den Stendern unterſtuͤtzt. Zwiſchen dieſen ſind an der Decke und dem Fußboden andre
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0200"n="166"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.</hi></fw><lb/>
mehr durch verſtellte Freundſchaft ſo wohl ihn als andre<lb/>
zu taͤuſchen, bis fruͤh oder ſpaͤt ſich eine Gelegenheit zeigt,<lb/>
wo ſie ihm betraͤchtlichen Schaden oder großes Ungluͤck<lb/>
zufuͤgen koͤnnen.</p><lb/><p>Sonſt muß ich hier noch eine Untugend der Japa-<lb/>
ner ruͤgen, ich meine die Unzucht. Dieſe ſcheint unter<lb/>
ihnen allgemein zu herrſchen. Die Schamhaftigkeit<lb/>ſteht in geringem Werth bey ihnen. Selbſt das weibli-<lb/>
che Geſchlecht uͤbt dieſe Tugend wenig aus. Selten be-<lb/>
kuͤmmern ſie ſich darum, ſich zu bedecken, wenn ſie ſich<lb/>
baden, ſelbſt dann nicht, wenn es auf offnen Plaͤtzen<lb/>
geſchieht. Auch nicht einmahl zu <placeName>Nangaſaki</placeName> thun ſie es<lb/>
an ſolchen Stellen, wo ſie von den Hollaͤndern geſehen<lb/>
werden koͤnnen und wo dieſe vorbey kommen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Dritter Abſchnitt.<lb/>
Haͤuſer und Hausgeraͤth</hi>.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Haͤuſer der Japaner ſind von Fachwerk und weiß<lb/>
uͤbertuͤncht, und ſehen daher von außen voͤllig wie ſtei-<lb/>
nerne Gebaͤude aus. Ihre Bauart iſt ganz beſonders.<lb/>
Das Holz hat nur ſenkrechte und horizontale Richtung;<lb/>ſchraͤg, wie ſonſt bey Fachwerk zu geſchehen pflegt, iſt<lb/>
nichts davon angebracht; es beſteht daher bloß aus Solen,<lb/>
Balken, Riegeln und Stendern. Dieſe alle ſind viereckig<lb/>
und nicht dick. Die Faͤcher zwiſchen denſelben werden<lb/>
mit Bamborohr zugeflochten, und dieſes mit Moͤrtel,<lb/>
von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die<lb/>
Mauern oder Waͤnde werden daher eben nicht dick.<lb/>
Jedes Haus nimmt einen anſehnlichen Raum ein.<lb/>
Im Hauſe ſelbſt hat man gar keine Zwiſchenwaͤnde.<lb/>
Es wird bloß von den Stendern unterſtuͤtzt. Zwiſchen<lb/>
dieſen ſind an der Decke und dem Fußboden andre<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[166/0200]
Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
mehr durch verſtellte Freundſchaft ſo wohl ihn als andre
zu taͤuſchen, bis fruͤh oder ſpaͤt ſich eine Gelegenheit zeigt,
wo ſie ihm betraͤchtlichen Schaden oder großes Ungluͤck
zufuͤgen koͤnnen.
Sonſt muß ich hier noch eine Untugend der Japa-
ner ruͤgen, ich meine die Unzucht. Dieſe ſcheint unter
ihnen allgemein zu herrſchen. Die Schamhaftigkeit
ſteht in geringem Werth bey ihnen. Selbſt das weibli-
che Geſchlecht uͤbt dieſe Tugend wenig aus. Selten be-
kuͤmmern ſie ſich darum, ſich zu bedecken, wenn ſie ſich
baden, ſelbſt dann nicht, wenn es auf offnen Plaͤtzen
geſchieht. Auch nicht einmahl zu Nangaſaki thun ſie es
an ſolchen Stellen, wo ſie von den Hollaͤndern geſehen
werden koͤnnen und wo dieſe vorbey kommen.
Dritter Abſchnitt.
Haͤuſer und Hausgeraͤth.
Die Haͤuſer der Japaner ſind von Fachwerk und weiß
uͤbertuͤncht, und ſehen daher von außen voͤllig wie ſtei-
nerne Gebaͤude aus. Ihre Bauart iſt ganz beſonders.
Das Holz hat nur ſenkrechte und horizontale Richtung;
ſchraͤg, wie ſonſt bey Fachwerk zu geſchehen pflegt, iſt
nichts davon angebracht; es beſteht daher bloß aus Solen,
Balken, Riegeln und Stendern. Dieſe alle ſind viereckig
und nicht dick. Die Faͤcher zwiſchen denſelben werden
mit Bamborohr zugeflochten, und dieſes mit Moͤrtel,
von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die
Mauern oder Waͤnde werden daher eben nicht dick.
Jedes Haus nimmt einen anſehnlichen Raum ein.
Im Hauſe ſelbſt hat man gar keine Zwiſchenwaͤnde.
Es wird bloß von den Stendern unterſtuͤtzt. Zwiſchen
dieſen ſind an der Decke und dem Fußboden andre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/200>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.