Eben so allgemein trifft man Redlichkeit und Treue an. So wenig als in diesem Lande wird wohl in keinem andern Diebstahl begangen; man hört kaum davon. Räuberey ist vollends etwas ganz unbekanntes. Die Europäer sind auf ihrer Reise durch das Land so sicher, daß sie auf die Sachen, welche sie bey sich haben, fast gar nicht Acht geben. Indessen muß ich doch sagen, daß die geringen Leute, wenigstens auf der Factorey, es für keine Sünde halten, den Holländern Kleinigkeiten, be- sonders an Zucker und Kupfer, indem diese Waaren von und nach der Schiffsbrücke gebracht werden, weg- zumausen.
Argwöhnisch sind die Japaner sehr. Es ist aber wahrscheinlich, daß sie es nicht zu allen Zeiten in solchem Grade gewesen sind. Vermuthlich haben die vorigen in- nerlichen Unruhen und Kriege, noch mehr aber die Be- trügereyen der Europäer diese Unart, die jetzt, wenigstens im Handel und Wandel mit den Holländern und Chi- nesern ohne Grenzen ist, bey ihnen hervor gebracht und vergrößert.
Auch Aberglaube herrscht unter diesem Volke so all- gemein und in so hohem Grade, als vielleicht unter kei- nem andern. Dies rührt von ihrer Unwissenheit in den meisten Wissenschaften, und von den verkehrten und un- gereimten Begriffen und Grundsätzen her, die ihre Reli- gion und ihre unwissenden Priester ihnen einprägen. Be- weise des Aberglaubens geben sie in reichem Maaße an ihren Festen, bey ihrem Gottesdienste, bey ihren Ge- lübden, beym Gebrauche ihrer Arzneymittel, bey der Wahl glücklicher und der Vermeidung unglücklicher Ta- ge, und dergleichen mehr.
Stolz und hoher Dünkel ist ein Hauptfehler dieser Nation. Sie glauben eben den heiligen Ursprung von
Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Eben ſo allgemein trifft man Redlichkeit und Treue an. So wenig als in dieſem Lande wird wohl in keinem andern Diebſtahl begangen; man hoͤrt kaum davon. Raͤuberey iſt vollends etwas ganz unbekanntes. Die Europaͤer ſind auf ihrer Reiſe durch das Land ſo ſicher, daß ſie auf die Sachen, welche ſie bey ſich haben, faſt gar nicht Acht geben. Indeſſen muß ich doch ſagen, daß die geringen Leute, wenigſtens auf der Factorey, es fuͤr keine Suͤnde halten, den Hollaͤndern Kleinigkeiten, be- ſonders an Zucker und Kupfer, indem dieſe Waaren von und nach der Schiffsbruͤcke gebracht werden, weg- zumauſen.
Argwoͤhniſch ſind die Japaner ſehr. Es iſt aber wahrſcheinlich, daß ſie es nicht zu allen Zeiten in ſolchem Grade geweſen ſind. Vermuthlich haben die vorigen in- nerlichen Unruhen und Kriege, noch mehr aber die Be- truͤgereyen der Europaͤer dieſe Unart, die jetzt, wenigſtens im Handel und Wandel mit den Hollaͤndern und Chi- neſern ohne Grenzen iſt, bey ihnen hervor gebracht und vergroͤßert.
Auch Aberglaube herrſcht unter dieſem Volke ſo all- gemein und in ſo hohem Grade, als vielleicht unter kei- nem andern. Dies ruͤhrt von ihrer Unwiſſenheit in den meiſten Wiſſenſchaften, und von den verkehrten und un- gereimten Begriffen und Grundſaͤtzen her, die ihre Reli- gion und ihre unwiſſenden Prieſter ihnen einpraͤgen. Be- weiſe des Aberglaubens geben ſie in reichem Maaße an ihren Feſten, bey ihrem Gottesdienſte, bey ihren Ge- luͤbden, beym Gebrauche ihrer Arzneymittel, bey der Wahl gluͤcklicher und der Vermeidung ungluͤcklicher Ta- ge, und dergleichen mehr.
Stolz und hoher Duͤnkel iſt ein Hauptfehler dieſer Nation. Sie glauben eben den heiligen Urſprung von
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Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Eben ſo allgemein trifft man Redlichkeit und Treue
an. So wenig als in dieſem Lande wird wohl in keinem
andern Diebſtahl begangen; man hoͤrt kaum davon.
Raͤuberey iſt vollends etwas ganz unbekanntes. Die
Europaͤer ſind auf ihrer Reiſe durch das Land ſo ſicher,
daß ſie auf die Sachen, welche ſie bey ſich haben, faſt
gar nicht Acht geben. Indeſſen muß ich doch ſagen, daß
die geringen Leute, wenigſtens auf der Factorey, es fuͤr
keine Suͤnde halten, den Hollaͤndern Kleinigkeiten, be-
ſonders an Zucker und Kupfer, indem dieſe Waaren
von und nach der Schiffsbruͤcke gebracht werden, weg-
zumauſen.
Argwoͤhniſch ſind die Japaner ſehr. Es iſt aber
wahrſcheinlich, daß ſie es nicht zu allen Zeiten in ſolchem
Grade geweſen ſind. Vermuthlich haben die vorigen in-
nerlichen Unruhen und Kriege, noch mehr aber die Be-
truͤgereyen der Europaͤer dieſe Unart, die jetzt, wenigſtens
im Handel und Wandel mit den Hollaͤndern und Chi-
neſern ohne Grenzen iſt, bey ihnen hervor gebracht und
vergroͤßert.
Auch Aberglaube herrſcht unter dieſem Volke ſo all-
gemein und in ſo hohem Grade, als vielleicht unter kei-
nem andern. Dies ruͤhrt von ihrer Unwiſſenheit in den
meiſten Wiſſenſchaften, und von den verkehrten und un-
gereimten Begriffen und Grundſaͤtzen her, die ihre Reli-
gion und ihre unwiſſenden Prieſter ihnen einpraͤgen. Be-
weiſe des Aberglaubens geben ſie in reichem Maaße an
ihren Feſten, bey ihrem Gottesdienſte, bey ihren Ge-
luͤbden, beym Gebrauche ihrer Arzneymittel, bey der
Wahl gluͤcklicher und der Vermeidung ungluͤcklicher Ta-
ge, und dergleichen mehr.
Stolz und hoher Duͤnkel iſt ein Hauptfehler dieſer
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/196>, abgerufen am 23.11.2024.
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