Sparsamkeit und Häuslichkeit haben in diesem Lande gleichsam ihren Wohnsitz. Sie ist die allgemein geschätzte Tugend, nicht nur am Hofe und in den Pal- lästen der Großen, sondern auch in der niedrigsten Hütte. Sie macht denn auch, daß der Aermere mit sei- ner wenigen Habe zufrieden ist, und der Reiche seinen Ueberfluß nicht in Unmäßigkeit und Wollust verschwen- det. Sie macht aber auch eben dadurch, daß man, was in andern Ländern Theurung und Hungersnoth heißt, gar nicht kennt, und daß in diesem so großen und volk- reichen Lande äußerst selten ein Nothleidender oder ein Bettler angetroffen wird. Im allgemeinen sind die Ja- paner weder geitzig noch habsüchtig. Vor Fressen und Saufen haben sie Abscheu. So wie sie das Land nicht zum Tobak und andern unnützen Gewächsen verschwenden, verbrauchen sie auch ihr Getreide nicht durch so genannte Veredlung zu starken Getränken.
Reinlich und sauber sind die Japaner in hohem Grade. Sie beobachten diese Tugend nicht nur in Rück- sicht auf ihren Körper, sondern auch in ihren Häusern, in ihrer Kleidung, in ihren Geräthen, im Essen und Trinken und allen übrigen Stücken. Sie waschen und baden sich nicht etwa einmahl in der Woche, sondern je- den Tag; und zwar bedienen sie sich dazu warmer Bä- der, die täglich in jedem Hause, und auch für wenig Geld in allen Wirthshäusern für die Reisenden bereitet werden.
Von der guten Gemüths-Beschaffenheit und der freundschaftlichen Denkungsart der Japaner habe ich selbst oft mit Bewunderung sehr viele Beweise erfahren. Ich konnte dergleichen um so viel weniger erwarten, da sie immer mehr Ursache haben, die hier handelnden Eu- ropäer, ihres schlechten Betragens und ihrer feinen Be-
trü-
Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Sparſamkeit und Haͤuslichkeit haben in dieſem Lande gleichſam ihren Wohnſitz. Sie iſt die allgemein geſchaͤtzte Tugend, nicht nur am Hofe und in den Pal- laͤſten der Großen, ſondern auch in der niedrigſten Huͤtte. Sie macht denn auch, daß der Aermere mit ſei- ner wenigen Habe zufrieden iſt, und der Reiche ſeinen Ueberfluß nicht in Unmaͤßigkeit und Wolluſt verſchwen- det. Sie macht aber auch eben dadurch, daß man, was in andern Laͤndern Theurung und Hungersnoth heißt, gar nicht kennt, und daß in dieſem ſo großen und volk- reichen Lande aͤußerſt ſelten ein Nothleidender oder ein Bettler angetroffen wird. Im allgemeinen ſind die Ja- paner weder geitzig noch habſuͤchtig. Vor Freſſen und Saufen haben ſie Abſcheu. So wie ſie das Land nicht zum Tobak und andern unnuͤtzen Gewaͤchſen verſchwenden, verbrauchen ſie auch ihr Getreide nicht durch ſo genannte Veredlung zu ſtarken Getraͤnken.
Reinlich und ſauber ſind die Japaner in hohem Grade. Sie beobachten dieſe Tugend nicht nur in Ruͤck- ſicht auf ihren Koͤrper, ſondern auch in ihren Haͤuſern, in ihrer Kleidung, in ihren Geraͤthen, im Eſſen und Trinken und allen uͤbrigen Stuͤcken. Sie waſchen und baden ſich nicht etwa einmahl in der Woche, ſondern je- den Tag; und zwar bedienen ſie ſich dazu warmer Baͤ- der, die taͤglich in jedem Hauſe, und auch fuͤr wenig Geld in allen Wirthshaͤuſern fuͤr die Reiſenden bereitet werden.
Von der guten Gemuͤths-Beſchaffenheit und der freundſchaftlichen Denkungsart der Japaner habe ich ſelbſt oft mit Bewunderung ſehr viele Beweiſe erfahren. Ich konnte dergleichen um ſo viel weniger erwarten, da ſie immer mehr Urſache haben, die hier handelnden Eu- ropaͤer, ihres ſchlechten Betragens und ihrer feinen Be-
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Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Sparſamkeit und Haͤuslichkeit haben in dieſem
Lande gleichſam ihren Wohnſitz. Sie iſt die allgemein
geſchaͤtzte Tugend, nicht nur am Hofe und in den Pal-
laͤſten der Großen, ſondern auch in der niedrigſten
Huͤtte. Sie macht denn auch, daß der Aermere mit ſei-
ner wenigen Habe zufrieden iſt, und der Reiche ſeinen
Ueberfluß nicht in Unmaͤßigkeit und Wolluſt verſchwen-
det. Sie macht aber auch eben dadurch, daß man, was
in andern Laͤndern Theurung und Hungersnoth heißt,
gar nicht kennt, und daß in dieſem ſo großen und volk-
reichen Lande aͤußerſt ſelten ein Nothleidender oder ein
Bettler angetroffen wird. Im allgemeinen ſind die Ja-
paner weder geitzig noch habſuͤchtig. Vor Freſſen und
Saufen haben ſie Abſcheu. So wie ſie das Land nicht
zum Tobak und andern unnuͤtzen Gewaͤchſen verſchwenden,
verbrauchen ſie auch ihr Getreide nicht durch ſo genannte
Veredlung zu ſtarken Getraͤnken.
Reinlich und ſauber ſind die Japaner in hohem
Grade. Sie beobachten dieſe Tugend nicht nur in Ruͤck-
ſicht auf ihren Koͤrper, ſondern auch in ihren Haͤuſern,
in ihrer Kleidung, in ihren Geraͤthen, im Eſſen und
Trinken und allen uͤbrigen Stuͤcken. Sie waſchen und
baden ſich nicht etwa einmahl in der Woche, ſondern je-
den Tag; und zwar bedienen ſie ſich dazu warmer Baͤ-
der, die taͤglich in jedem Hauſe, und auch fuͤr wenig
Geld in allen Wirthshaͤuſern fuͤr die Reiſenden bereitet
werden.
Von der guten Gemuͤths-Beſchaffenheit und der
freundſchaftlichen Denkungsart der Japaner habe ich
ſelbſt oft mit Bewunderung ſehr viele Beweiſe erfahren.
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/194>, abgerufen am 23.11.2024.
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