weit mehr bange war, als daß es gefährlich seyn konnte, um den Leib und an den Füßen fest gebunden hatte. Als ich erzählte, solche Thiere liefen in meinem Vaterlande scharenweise umher, würden sehr groß und thäten viel Schaden, wurde den Japanern gar Angst.
Eines Tages kam eine von ihrem Manne verstoßne Frau, nach dazu erhaltner Erlaubniß, zum Ambassa- deur, um zu betteln. Sie hatte sich alle Haare ganz abscheren lassen, und ging mit völlig kahlem Kopfe, ohne ihn mit irgend etwas zu bedecken: ein gar seltsam auffal- lender Anblick. Man sagte uns, dies geschehe allezeit, wenn eine Frau aus einer oder der andern Ursache von ihrem Manne geschieden worden ist.
Die beyden Hof-Medici, meine lieben Schüler, die mich fast täglich besuchten, hatten durch meine unver- droßne Bemühung so wohl, als durch eignen ununter- brochnen Fleiß in der Arzneykunst, besonders demjenigen Theile derselben, der die Krankheiten kennen und beur- theilen lehrt, ansehnliche Fortschritte gemacht. So gar hatten sie durch Benutzung meines Raths angefangen, bey ihren Patienten solche Mittel, als wir Europäischen Aerzte gebrauchen, und wovon sie sich einen kleinen Vor- rath verschafft hatten, anzuwenden, um dadurch glück- liche Curen zu verrichten. Da es nun bekannt wurde, daß ich es sehr oft war, der die zu gebrauchenden Mittel vorschrieb, so wurde ich auch einmahl in Betreff eines sehr vornehmen Patienten am Kaiserlichen Hofe, um Rath gefragt. Als ich aber wünschte, von dem Geschlechte, Alter und andern einem Arzte zu wissen nöthigen Umständen des Kranken benachrichtiget zu werden, benahm man sich so geheimnißvoll, daß es mir unmöglich war, etwas zu ver- ordnen. Bekanntlich lassen die Vornehmen sich äußerst selten vor den eignen Einwohnern ihres Landes sehen,
Dritte Abtheilung.
weit mehr bange war, als daß es gefaͤhrlich ſeyn konnte, um den Leib und an den Fuͤßen feſt gebunden hatte. Als ich erzaͤhlte, ſolche Thiere liefen in meinem Vaterlande ſcharenweiſe umher, wuͤrden ſehr groß und thaͤten viel Schaden, wurde den Japanern gar Angſt.
Eines Tages kam eine von ihrem Manne verſtoßne Frau, nach dazu erhaltner Erlaubniß, zum Ambaſſa- deur, um zu betteln. Sie hatte ſich alle Haare ganz abſcheren laſſen, und ging mit voͤllig kahlem Kopfe, ohne ihn mit irgend etwas zu bedecken: ein gar ſeltſam auffal- lender Anblick. Man ſagte uns, dies geſchehe allezeit, wenn eine Frau aus einer oder der andern Urſache von ihrem Manne geſchieden worden iſt.
Die beyden Hof-Medici, meine lieben Schuͤler, die mich faſt taͤglich beſuchten, hatten durch meine unver- droßne Bemuͤhung ſo wohl, als durch eignen ununter- brochnen Fleiß in der Arzneykunſt, beſonders demjenigen Theile derſelben, der die Krankheiten kennen und beur- theilen lehrt, anſehnliche Fortſchritte gemacht. So gar hatten ſie durch Benutzung meines Raths angefangen, bey ihren Patienten ſolche Mittel, als wir Europaͤiſchen Aerzte gebrauchen, und wovon ſie ſich einen kleinen Vor- rath verſchafft hatten, anzuwenden, um dadurch gluͤck- liche Curen zu verrichten. Da es nun bekannt wurde, daß ich es ſehr oft war, der die zu gebrauchenden Mittel vorſchrieb, ſo wurde ich auch einmahl in Betreff eines ſehr vornehmen Patienten am Kaiſerlichen Hofe, um Rath gefragt. Als ich aber wuͤnſchte, von dem Geſchlechte, Alter und andern einem Arzte zu wiſſen noͤthigen Umſtaͤnden des Kranken benachrichtiget zu werden, benahm man ſich ſo geheimnißvoll, daß es mir unmoͤglich war, etwas zu ver- ordnen. Bekanntlich laſſen die Vornehmen ſich aͤußerſt ſelten vor den eignen Einwohnern ihres Landes ſehen,
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Dritte Abtheilung.
weit mehr bange war, als daß es gefaͤhrlich ſeyn konnte,
um den Leib und an den Fuͤßen feſt gebunden hatte. Als
ich erzaͤhlte, ſolche Thiere liefen in meinem Vaterlande
ſcharenweiſe umher, wuͤrden ſehr groß und thaͤten viel
Schaden, wurde den Japanern gar Angſt.
Eines Tages kam eine von ihrem Manne verſtoßne
Frau, nach dazu erhaltner Erlaubniß, zum Ambaſſa-
deur, um zu betteln. Sie hatte ſich alle Haare ganz
abſcheren laſſen, und ging mit voͤllig kahlem Kopfe, ohne
ihn mit irgend etwas zu bedecken: ein gar ſeltſam auffal-
lender Anblick. Man ſagte uns, dies geſchehe allezeit,
wenn eine Frau aus einer oder der andern Urſache von
ihrem Manne geſchieden worden iſt.
Die beyden Hof-Medici, meine lieben Schuͤler,
die mich faſt taͤglich beſuchten, hatten durch meine unver-
droßne Bemuͤhung ſo wohl, als durch eignen ununter-
brochnen Fleiß in der Arzneykunſt, beſonders demjenigen
Theile derſelben, der die Krankheiten kennen und beur-
theilen lehrt, anſehnliche Fortſchritte gemacht. So gar
hatten ſie durch Benutzung meines Raths angefangen,
bey ihren Patienten ſolche Mittel, als wir Europaͤiſchen
Aerzte gebrauchen, und wovon ſie ſich einen kleinen Vor-
rath verſchafft hatten, anzuwenden, um dadurch gluͤck-
liche Curen zu verrichten. Da es nun bekannt wurde,
daß ich es ſehr oft war, der die zu gebrauchenden Mittel
vorſchrieb, ſo wurde ich auch einmahl in Betreff eines ſehr
vornehmen Patienten am Kaiſerlichen Hofe, um Rath
gefragt. Als ich aber wuͤnſchte, von dem Geſchlechte, Alter
und andern einem Arzte zu wiſſen noͤthigen Umſtaͤnden des
Kranken benachrichtiget zu werden, benahm man ſich ſo
geheimnißvoll, daß es mir unmoͤglich war, etwas zu ver-
ordnen. Bekanntlich laſſen die Vornehmen ſich aͤußerſt
ſelten vor den eignen Einwohnern ihres Landes ſehen,
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/150>, abgerufen am 22.11.2024.
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