Auf dem Flusse Miaco halten sich Pelikane, die in den Fichten am Wege ihre Nester haben, wie auch wilde Enten und andre Vögel in Menge auf, obgleich das Ufer ihnen keinen ruhigen Wohnplatz gewähret, son- dern allenthalben bewohnt und angebauet ist. In meiner Hoffnung aber, auf einer so weiten Reise, in einem Lande, wohin so selten Europäer kommen, eine Menge seltner und unbekannter Gewächse zu sammeln, fand ich mich gar sehr betrogen. Nirgends habe ich je weniger Gele- genheit dazu gehabt, als jetzt. Auf den meisten Aeckern, die gegenwärtig besäet standen, konnte ich nicht den klein- sten Halm Unkraut entdecken, fast auf keinem einzigen in der ganzen Provinz. So genau jätet man alles Un- kraut aus.
Zu Miaco wurden wir im obern Stockwerke des für uns bestimmten Hauses einquartiert, welches sonst in Japan nicht zu geschehen pflegt. Vier Tage lang mußten wir hier verweilen. Jetzt öffneten wir auch un- sere großen Koffer, um weiße Wäsche und andre Klei- dungsstücke, nebst nöthigem Proviant zu dem noch rück- ständigen Theile der Reise heraus zu nehmen. Der oberste Dolmetscher händigte uns hier eine Summe Gel- des in neuen Kobang ein, um davon auf der Reise nach Belieben Gebrauch machen zu können. Ich und der Se- tretair bekamen jeder drey hundert Thaler, die wir aber hernach zu Nangasaki von unserm Kambangs-Capitale er- setzen mußten. Bey den Kaufleuten, welche Erlaubniß hatten, uns zu besuchen, bestellten wir zu unsrer Zurück- kunft allerley Handelswaaren, als Sowa-Arbeit, Fächer, lackirte Sachen und dergleichen.
Während unsers hiesigen Aufenthalts hatten wir Audienz bey dem Oberrichter und den beyden Gouverneu- ren der Stadt, welche alle von der Holländischen Compa-
Thunbergs Reise. 2. Bandes 1. Theil. F
nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Auf dem Fluſſe Miaco halten ſich Pelikane, die in den Fichten am Wege ihre Neſter haben, wie auch wilde Enten und andre Voͤgel in Menge auf, obgleich das Ufer ihnen keinen ruhigen Wohnplatz gewaͤhret, ſon- dern allenthalben bewohnt und angebauet iſt. In meiner Hoffnung aber, auf einer ſo weiten Reiſe, in einem Lande, wohin ſo ſelten Europaͤer kommen, eine Menge ſeltner und unbekannter Gewaͤchſe zu ſammeln, fand ich mich gar ſehr betrogen. Nirgends habe ich je weniger Gele- genheit dazu gehabt, als jetzt. Auf den meiſten Aeckern, die gegenwaͤrtig beſaͤet ſtanden, konnte ich nicht den klein- ſten Halm Unkraut entdecken, faſt auf keinem einzigen in der ganzen Provinz. So genau jaͤtet man alles Un- kraut aus.
Zu Miaco wurden wir im obern Stockwerke des fuͤr uns beſtimmten Hauſes einquartiert, welches ſonſt in Japan nicht zu geſchehen pflegt. Vier Tage lang mußten wir hier verweilen. Jetzt oͤffneten wir auch un- ſere großen Koffer, um weiße Waͤſche und andre Klei- dungsſtuͤcke, nebſt noͤthigem Proviant zu dem noch ruͤck- ſtaͤndigen Theile der Reiſe heraus zu nehmen. Der oberſte Dolmetſcher haͤndigte uns hier eine Summe Gel- des in neuen Kobang ein, um davon auf der Reiſe nach Belieben Gebrauch machen zu koͤnnen. Ich und der Se- tretair bekamen jeder drey hundert Thaler, die wir aber hernach zu Nangaſaki von unſerm Kambangs-Capitale er- ſetzen mußten. Bey den Kaufleuten, welche Erlaubniß hatten, uns zu beſuchen, beſtellten wir zu unſrer Zuruͤck- kunft allerley Handelswaaren, als Sowa-Arbeit, Faͤcher, lackirte Sachen und dergleichen.
Waͤhrend unſers hieſigen Aufenthalts hatten wir Audienz bey dem Oberrichter und den beyden Gouverneu- ren der Stadt, welche alle von der Hollaͤndiſchen Compa-
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. F
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nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Auf dem Fluſſe Miaco halten ſich Pelikane, die
in den Fichten am Wege ihre Neſter haben, wie auch
wilde Enten und andre Voͤgel in Menge auf, obgleich
das Ufer ihnen keinen ruhigen Wohnplatz gewaͤhret, ſon-
dern allenthalben bewohnt und angebauet iſt. In meiner
Hoffnung aber, auf einer ſo weiten Reiſe, in einem Lande,
wohin ſo ſelten Europaͤer kommen, eine Menge ſeltner
und unbekannter Gewaͤchſe zu ſammeln, fand ich mich
gar ſehr betrogen. Nirgends habe ich je weniger Gele-
genheit dazu gehabt, als jetzt. Auf den meiſten Aeckern,
die gegenwaͤrtig beſaͤet ſtanden, konnte ich nicht den klein-
ſten Halm Unkraut entdecken, faſt auf keinem einzigen
in der ganzen Provinz. So genau jaͤtet man alles Un-
kraut aus.
Zu Miaco wurden wir im obern Stockwerke des
fuͤr uns beſtimmten Hauſes einquartiert, welches ſonſt
in Japan nicht zu geſchehen pflegt. Vier Tage lang
mußten wir hier verweilen. Jetzt oͤffneten wir auch un-
ſere großen Koffer, um weiße Waͤſche und andre Klei-
dungsſtuͤcke, nebſt noͤthigem Proviant zu dem noch ruͤck-
ſtaͤndigen Theile der Reiſe heraus zu nehmen. Der
oberſte Dolmetſcher haͤndigte uns hier eine Summe Gel-
des in neuen Kobang ein, um davon auf der Reiſe nach
Belieben Gebrauch machen zu koͤnnen. Ich und der Se-
tretair bekamen jeder drey hundert Thaler, die wir aber
hernach zu Nangaſaki von unſerm Kambangs-Capitale er-
ſetzen mußten. Bey den Kaufleuten, welche Erlaubniß
hatten, uns zu beſuchen, beſtellten wir zu unſrer Zuruͤck-
kunft allerley Handelswaaren, als Sowa-Arbeit, Faͤcher,
lackirte Sachen und dergleichen.
Waͤhrend unſers hieſigen Aufenthalts hatten wir
Audienz bey dem Oberrichter und den beyden Gouverneu-
ren der Stadt, welche alle von der Hollaͤndiſchen Compa-
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. F
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/115>, abgerufen am 22.11.2024.
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