Osaka ist eine von den so genannten fünf Reichs- städten, die dem weltlichen Kaiser gehören, im Nahmen desselben von zwey Statthaltern regiert werden, welche ein Jahr ums andre nach Hofe reisen, und die dann wie- der ein Jahr ums andre die Regierung verwalten. Zu- gleich ist sie eine von den größten Handelsstädten des Reichs, wozu ihre bequeme Lage an der Seeküste und beynahe mitten im Lande viel beyträgt. Wegen der un- glaublich großen Zufuhr aller Sachen aus allen Gegen- den des Reichs sind hier die Eßwaaren wohlfeil. Die reichsten Kaufleute und Künstler haben sich hier nieder- gelassen. Der Fluß Jedogawa, auf dem wir die Stadt hinein segelten, fließt durch die Straßen, und wird durch Gräben in verschiedne Arme vertheilt. Sie hat beynahe eine Meile im Umfange ins Gevierte, ist nach hiesiger Art wohl befestigt, und hat eine starke Citadelle, die seitwärts neben der Stadt liegt. Ueber den Fluß gehen nicht nur kostbare Brücken von Japanischem Cedernholz, sondern ihrer sind auch sehr viele, und einige von unge- meiner Länge, funfzig bis sechzig Faden lang. Fast in allen Häusern besteht die Vorderseite des untersten Stock- werks entweder aus Werkstätten, die nach der Straße offen sind, oder aus großen Kaufmannsbuden, wo aller- ley Waaren ausgehängt sind, und Käufer anlocken. Viele Reiche lassen sich hier nieder, um hier ihr Geld zu verzehren, weil diese Stadt der angenehmste Aufenthalts- ort im ganzen Lande ist. Sie ist in Japan, was Paris in Europa ist. Man kann hier alles mögliche Vergnü- gen haben. In der Festung haben die Stadt-Gouver- neure nichts zu befehlen. Sie hat zwey besondre Gou- verneure oder Commandanten, die sich auch ablösen, und zwar alle drey Jahr, in der Stadt aber auch nichts zu sagen haben. Einer von ihnen hält sich allezeit bey
nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Oſaka iſt eine von den ſo genannten fuͤnf Reichs- ſtaͤdten, die dem weltlichen Kaiſer gehoͤren, im Nahmen deſſelben von zwey Statthaltern regiert werden, welche ein Jahr ums andre nach Hofe reiſen, und die dann wie- der ein Jahr ums andre die Regierung verwalten. Zu- gleich iſt ſie eine von den groͤßten Handelsſtaͤdten des Reichs, wozu ihre bequeme Lage an der Seekuͤſte und beynahe mitten im Lande viel beytraͤgt. Wegen der un- glaublich großen Zufuhr aller Sachen aus allen Gegen- den des Reichs ſind hier die Eßwaaren wohlfeil. Die reichſten Kaufleute und Kuͤnſtler haben ſich hier nieder- gelaſſen. Der Fluß Jedogawa, auf dem wir die Stadt hinein ſegelten, fließt durch die Straßen, und wird durch Graͤben in verſchiedne Arme vertheilt. Sie hat beynahe eine Meile im Umfange ins Gevierte, iſt nach hieſiger Art wohl befeſtigt, und hat eine ſtarke Citadelle, die ſeitwaͤrts neben der Stadt liegt. Ueber den Fluß gehen nicht nur koſtbare Bruͤcken von Japaniſchem Cedernholz, ſondern ihrer ſind auch ſehr viele, und einige von unge- meiner Laͤnge, funfzig bis ſechzig Faden lang. Faſt in allen Haͤuſern beſteht die Vorderſeite des unterſten Stock- werks entweder aus Werkſtaͤtten, die nach der Straße offen ſind, oder aus großen Kaufmannsbuden, wo aller- ley Waaren ausgehaͤngt ſind, und Kaͤufer anlocken. Viele Reiche laſſen ſich hier nieder, um hier ihr Geld zu verzehren, weil dieſe Stadt der angenehmſte Aufenthalts- ort im ganzen Lande iſt. Sie iſt in Japan, was Paris in Europa iſt. Man kann hier alles moͤgliche Vergnuͤ- gen haben. In der Feſtung haben die Stadt-Gouver- neure nichts zu befehlen. Sie hat zwey beſondre Gou- verneure oder Commandanten, die ſich auch abloͤſen, und zwar alle drey Jahr, in der Stadt aber auch nichts zu ſagen haben. Einer von ihnen haͤlt ſich allezeit bey
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nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Oſaka iſt eine von den ſo genannten fuͤnf Reichs-
ſtaͤdten, die dem weltlichen Kaiſer gehoͤren, im Nahmen
deſſelben von zwey Statthaltern regiert werden, welche
ein Jahr ums andre nach Hofe reiſen, und die dann wie-
der ein Jahr ums andre die Regierung verwalten. Zu-
gleich iſt ſie eine von den groͤßten Handelsſtaͤdten des
Reichs, wozu ihre bequeme Lage an der Seekuͤſte und
beynahe mitten im Lande viel beytraͤgt. Wegen der un-
glaublich großen Zufuhr aller Sachen aus allen Gegen-
den des Reichs ſind hier die Eßwaaren wohlfeil. Die
reichſten Kaufleute und Kuͤnſtler haben ſich hier nieder-
gelaſſen. Der Fluß Jedogawa, auf dem wir die Stadt
hinein ſegelten, fließt durch die Straßen, und wird durch
Graͤben in verſchiedne Arme vertheilt. Sie hat beynahe
eine Meile im Umfange ins Gevierte, iſt nach hieſiger
Art wohl befeſtigt, und hat eine ſtarke Citadelle, die
ſeitwaͤrts neben der Stadt liegt. Ueber den Fluß gehen
nicht nur koſtbare Bruͤcken von Japaniſchem Cedernholz,
ſondern ihrer ſind auch ſehr viele, und einige von unge-
meiner Laͤnge, funfzig bis ſechzig Faden lang. Faſt in
allen Haͤuſern beſteht die Vorderſeite des unterſten Stock-
werks entweder aus Werkſtaͤtten, die nach der Straße
offen ſind, oder aus großen Kaufmannsbuden, wo aller-
ley Waaren ausgehaͤngt ſind, und Kaͤufer anlocken.
Viele Reiche laſſen ſich hier nieder, um hier ihr Geld zu
verzehren, weil dieſe Stadt der angenehmſte Aufenthalts-
ort im ganzen Lande iſt. Sie iſt in Japan, was Paris
in Europa iſt. Man kann hier alles moͤgliche Vergnuͤ-
gen haben. In der Feſtung haben die Stadt-Gouver-
neure nichts zu befehlen. Sie hat zwey beſondre Gou-
verneure oder Commandanten, die ſich auch abloͤſen,
und zwar alle drey Jahr, in der Stadt aber auch nichts
zu ſagen haben. Einer von ihnen haͤlt ſich allezeit bey
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/113>, abgerufen am 25.11.2024.
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