Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Abtheilung. Zweyter Abschnitt.
es je bey einem Vogel gesehen habe. Daher kommts aber
auch, daß man ihn gar leicht schießen, und beym Regen
oder starkem Winde sogar, wenn man geschwind läuft,
beynahe mit der Hand fangen kann.

Von einer Art kleiner, grauer Grashüpfer oder
Gespenstkäfer (Mantis fausta) glaubt man hier, daß die
Hottentotten sie anbeten, weswegen man sie auch Hotten-
tottengott nennt. Diese Meinung ist aber wohl ohne
Grund; wenigstens habe ich sie nicht bestätigt gefunden.
Vermuthlich aber rührt sie daher, daß diese kleinen Thiere
bey den Hottentotten in einer gewissen Achtung stehen.
Sie halten den Menschen oder das Thier für glücklich,
worauf sie sich setzen, und thun ihnen daher nichts zu Lei-
de, aber göttliche Ehre erweisen sie ihnen nicht.

Weil es hier Wasserschildkröten giebt, fing ich de-
ren eine, um ihr Blut zu bekommen, und es gegen
Schlangenbiß oder sonst zu gebrauchen. Sie war unge-
fähr einer Hand groß, und doch erhielt ich nur sehr wenig
Blut. Nachdem ich ihr den Hals abgeschnitten hatte,
und das Blut herausgelaufen war, sonderte das Bleiche
und Wässerige sich ab, und das Rothe, welches sich
oben hielt, wurde auf Papier trocken, schilferig und
schwarz.

In dieser Gegend fand ich die Brotfruchtpalme oder
Keulpalme (Zamia caffra). Die Frucht dieses Baums
ist sehr selten, und ich hatte Mühe dergleichen zu finden,
um Samen zu bekommen. Einige Bäume tragen bloß
männliche Blumen und große Zapfen wie Tannzapfen,
aber ohne Samen. Auf andern wachsen eben solche
Zapfen, von der Größe eines Menschenkopfs, und mit
wirklichen Samenkernen. An der untern Seite der
Schuppen des männlichen Zapfens sitzt eine unzählige
Menge Staubbeutel (Anthera), die hernach zersprin-

Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
es je bey einem Vogel geſehen habe. Daher kommts aber
auch, daß man ihn gar leicht ſchießen, und beym Regen
oder ſtarkem Winde ſogar, wenn man geſchwind laͤuft,
beynahe mit der Hand fangen kann.

Von einer Art kleiner, grauer Grashuͤpfer oder
Geſpenſtkaͤfer (Mantis fauſta) glaubt man hier, daß die
Hottentotten ſie anbeten, weswegen man ſie auch Hotten-
tottengott nennt. Dieſe Meinung iſt aber wohl ohne
Grund; wenigſtens habe ich ſie nicht beſtaͤtigt gefunden.
Vermuthlich aber ruͤhrt ſie daher, daß dieſe kleinen Thiere
bey den Hottentotten in einer gewiſſen Achtung ſtehen.
Sie halten den Menſchen oder das Thier fuͤr gluͤcklich,
worauf ſie ſich ſetzen, und thun ihnen daher nichts zu Lei-
de, aber goͤttliche Ehre erweiſen ſie ihnen nicht.

Weil es hier Waſſerſchildkroͤten giebt, fing ich de-
ren eine, um ihr Blut zu bekommen, und es gegen
Schlangenbiß oder ſonſt zu gebrauchen. Sie war unge-
faͤhr einer Hand groß, und doch erhielt ich nur ſehr wenig
Blut. Nachdem ich ihr den Hals abgeſchnitten hatte,
und das Blut herausgelaufen war, ſonderte das Bleiche
und Waͤſſerige ſich ab, und das Rothe, welches ſich
oben hielt, wurde auf Papier trocken, ſchilferig und
ſchwarz.

In dieſer Gegend fand ich die Brotfruchtpalme oder
Keulpalme (Zamia caffra). Die Frucht dieſes Baums
iſt ſehr ſelten, und ich hatte Muͤhe dergleichen zu finden,
um Samen zu bekommen. Einige Baͤume tragen bloß
maͤnnliche Blumen und große Zapfen wie Tannzapfen,
aber ohne Samen. Auf andern wachſen eben ſolche
Zapfen, von der Groͤße eines Menſchenkopfs, und mit
wirklichen Samenkernen. An der untern Seite der
Schuppen des maͤnnlichen Zapfens ſitzt eine unzaͤhlige
Menge Staubbeutel (Anthera), die hernach zerſprin-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0406" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;te Abtheilung. Zweyter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
es je bey einem Vogel ge&#x017F;ehen habe. Daher kommts aber<lb/>
auch, daß man ihn gar leicht &#x017F;chießen, und beym Regen<lb/>
oder &#x017F;tarkem Winde &#x017F;ogar, wenn man ge&#x017F;chwind la&#x0364;uft,<lb/>
beynahe mit der Hand fangen kann.</p><lb/>
          <p>Von einer Art kleiner, grauer Grashu&#x0364;pfer oder<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;tka&#x0364;fer (<hi rendition="#aq">Mantis fau&#x017F;ta</hi>) glaubt man hier, daß die<lb/>
Hottentotten &#x017F;ie anbeten, weswegen man &#x017F;ie auch Hotten-<lb/>
tottengott nennt. Die&#x017F;e Meinung i&#x017F;t aber wohl ohne<lb/>
Grund; wenig&#x017F;tens habe ich &#x017F;ie nicht be&#x017F;ta&#x0364;tigt gefunden.<lb/>
Vermuthlich aber ru&#x0364;hrt &#x017F;ie daher, daß die&#x017F;e kleinen Thiere<lb/>
bey den Hottentotten in einer gewi&#x017F;&#x017F;en Achtung &#x017F;tehen.<lb/>
Sie halten den Men&#x017F;chen oder das Thier fu&#x0364;r glu&#x0364;cklich,<lb/>
worauf &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;etzen, und thun ihnen daher nichts zu Lei-<lb/>
de, aber go&#x0364;ttliche Ehre erwei&#x017F;en &#x017F;ie ihnen nicht.</p><lb/>
          <p>Weil es hier Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;childkro&#x0364;ten giebt, fing ich de-<lb/>
ren eine, um ihr Blut zu bekommen, und es gegen<lb/>
Schlangenbiß oder &#x017F;on&#x017F;t zu gebrauchen. Sie war unge-<lb/>
fa&#x0364;hr einer Hand groß, und doch erhielt ich nur &#x017F;ehr wenig<lb/>
Blut. Nachdem ich ihr den Hals abge&#x017F;chnitten hatte,<lb/>
und das Blut herausgelaufen war, &#x017F;onderte das Bleiche<lb/>
und Wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erige &#x017F;ich ab, und das Rothe, welches &#x017F;ich<lb/>
oben hielt, wurde auf Papier trocken, &#x017F;chilferig und<lb/>
&#x017F;chwarz.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;er Gegend fand ich die Brotfruchtpalme oder<lb/>
Keulpalme (<hi rendition="#aq">Zamia caffra</hi>). Die Frucht die&#x017F;es Baums<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;elten, und ich hatte Mu&#x0364;he dergleichen zu finden,<lb/>
um Samen zu bekommen. Einige Ba&#x0364;ume tragen bloß<lb/>
ma&#x0364;nnliche Blumen und große Zapfen wie Tannzapfen,<lb/>
aber ohne Samen. Auf andern wach&#x017F;en eben &#x017F;olche<lb/>
Zapfen, von der Gro&#x0364;ße eines Men&#x017F;chenkopfs, und mit<lb/>
wirklichen Samenkernen. An der untern Seite der<lb/>
Schuppen des ma&#x0364;nnlichen Zapfens &#x017F;itzt eine unza&#x0364;hlige<lb/>
Menge Staubbeutel (<hi rendition="#aq">Anthera</hi>), die hernach zer&#x017F;prin-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0406] Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. es je bey einem Vogel geſehen habe. Daher kommts aber auch, daß man ihn gar leicht ſchießen, und beym Regen oder ſtarkem Winde ſogar, wenn man geſchwind laͤuft, beynahe mit der Hand fangen kann. Von einer Art kleiner, grauer Grashuͤpfer oder Geſpenſtkaͤfer (Mantis fauſta) glaubt man hier, daß die Hottentotten ſie anbeten, weswegen man ſie auch Hotten- tottengott nennt. Dieſe Meinung iſt aber wohl ohne Grund; wenigſtens habe ich ſie nicht beſtaͤtigt gefunden. Vermuthlich aber ruͤhrt ſie daher, daß dieſe kleinen Thiere bey den Hottentotten in einer gewiſſen Achtung ſtehen. Sie halten den Menſchen oder das Thier fuͤr gluͤcklich, worauf ſie ſich ſetzen, und thun ihnen daher nichts zu Lei- de, aber goͤttliche Ehre erweiſen ſie ihnen nicht. Weil es hier Waſſerſchildkroͤten giebt, fing ich de- ren eine, um ihr Blut zu bekommen, und es gegen Schlangenbiß oder ſonſt zu gebrauchen. Sie war unge- faͤhr einer Hand groß, und doch erhielt ich nur ſehr wenig Blut. Nachdem ich ihr den Hals abgeſchnitten hatte, und das Blut herausgelaufen war, ſonderte das Bleiche und Waͤſſerige ſich ab, und das Rothe, welches ſich oben hielt, wurde auf Papier trocken, ſchilferig und ſchwarz. In dieſer Gegend fand ich die Brotfruchtpalme oder Keulpalme (Zamia caffra). Die Frucht dieſes Baums iſt ſehr ſelten, und ich hatte Muͤhe dergleichen zu finden, um Samen zu bekommen. Einige Baͤume tragen bloß maͤnnliche Blumen und große Zapfen wie Tannzapfen, aber ohne Samen. Auf andern wachſen eben ſolche Zapfen, von der Groͤße eines Menſchenkopfs, und mit wirklichen Samenkernen. An der untern Seite der Schuppen des maͤnnlichen Zapfens ſitzt eine unzaͤhlige Menge Staubbeutel (Anthera), die hernach zerſprin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/406
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/406>, abgerufen am 10.06.2024.