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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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und nun zu einem Preise eingeführt werden kann, wofür
das inländische Gewerbe sie nicht zu liefern vermag. Hier
kann also ein Gewerbe durch die demselben aufgelegte
Abgabe ganz niedergedrückt werden, während die andern
Stände fast unverletzt bleiben, und die durch die Abgabe
bewirkte Abnahme an Reichthum und Volksmenge zeigt
sich hier an einem einzelnen Gliede der bürgerlichen Ge-
sellschaft. Der Staat mag dadurch, in einzelnen Fällen,
an absolutem Reichthum und an Volksmenge vielleicht
nicht mehr verlieren, als wenn die Abgabe unter alle
Stände gleich vertheilt wäre; aber allemal wird dadurch
die harmonische Gliederung des Ganzen zerstört.

Auf diese Weise ist nun aber der Wohlstand der ein-
zelnen Stände eines Staats nicht bloß von den Abgaben,
die in diesem Staat aufgelegt werden, sondern auch von
dem Abgabensystem anderer Staaten, mit denen dieser
im freien Handelsverkehr steht, abhängig. Lasteten z. B.
in zwei Staaten A. und B. auf einem Gewerbe bisher
gleiche Abgaben, und der Staat A. hebt diese Abgabe
auf; so muß der Staat B. ebenfalls die Abgabe aufhe-
ben oder Einfuhrzölle anlegen, wenn der Wohlstand derer,
die dies Gewerbe im Staat B. betreiben, nicht gefährdet
werden soll.

Um die harmonische Gliederung des Ganzen zu er-
halten, muß also der Staat B. das schwere Opfer bringen,
die Abgaben oder die Zölle stets nach den Launen des an-
dern Staats zu ändern.

Ob nun die Erhaltung des Gleichgewichts in dem
Wohlstande der einzelnen Stände dieses Opfer werth sey,
ob der minder reiche Staat in seinem Abgabensystem nie
zur Unabhängigkeit gelangen, sondern stets der Spielball
des reichen Staats bleiben soll -- dies zu beurtheilen ge-
hört der praktischen Staatswirthschaft an, die außer mei-
nem Kreise liegt.


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und nun zu einem Preiſe eingefuͤhrt werden kann, wofuͤr
das inlaͤndiſche Gewerbe ſie nicht zu liefern vermag. Hier
kann alſo ein Gewerbe durch die demſelben aufgelegte
Abgabe ganz niedergedruͤckt werden, waͤhrend die andern
Staͤnde faſt unverletzt bleiben, und die durch die Abgabe
bewirkte Abnahme an Reichthum und Volksmenge zeigt
ſich hier an einem einzelnen Gliede der buͤrgerlichen Ge-
ſellſchaft. Der Staat mag dadurch, in einzelnen Faͤllen,
an abſolutem Reichthum und an Volksmenge vielleicht
nicht mehr verlieren, als wenn die Abgabe unter alle
Staͤnde gleich vertheilt waͤre; aber allemal wird dadurch
die harmoniſche Gliederung des Ganzen zerſtoͤrt.

Auf dieſe Weiſe iſt nun aber der Wohlſtand der ein-
zelnen Staͤnde eines Staats nicht bloß von den Abgaben,
die in dieſem Staat aufgelegt werden, ſondern auch von
dem Abgabenſyſtem anderer Staaten, mit denen dieſer
im freien Handelsverkehr ſteht, abhaͤngig. Laſteten z. B.
in zwei Staaten A. und B. auf einem Gewerbe bisher
gleiche Abgaben, und der Staat A. hebt dieſe Abgabe
auf; ſo muß der Staat B. ebenfalls die Abgabe aufhe-
ben oder Einfuhrzoͤlle anlegen, wenn der Wohlſtand derer,
die dies Gewerbe im Staat B. betreiben, nicht gefaͤhrdet
werden ſoll.

Um die harmoniſche Gliederung des Ganzen zu er-
halten, muß alſo der Staat B. das ſchwere Opfer bringen,
die Abgaben oder die Zoͤlle ſtets nach den Launen des an-
dern Staats zu aͤndern.

Ob nun die Erhaltung des Gleichgewichts in dem
Wohlſtande der einzelnen Staͤnde dieſes Opfer werth ſey,
ob der minder reiche Staat in ſeinem Abgabenſyſtem nie
zur Unabhaͤngigkeit gelangen, ſondern ſtets der Spielball
des reichen Staats bleiben ſoll — dies zu beurtheilen ge-
hoͤrt der praktiſchen Staatswirthſchaft an, die außer mei-
nem Kreiſe liegt.


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[273/0287] und nun zu einem Preiſe eingefuͤhrt werden kann, wofuͤr das inlaͤndiſche Gewerbe ſie nicht zu liefern vermag. Hier kann alſo ein Gewerbe durch die demſelben aufgelegte Abgabe ganz niedergedruͤckt werden, waͤhrend die andern Staͤnde faſt unverletzt bleiben, und die durch die Abgabe bewirkte Abnahme an Reichthum und Volksmenge zeigt ſich hier an einem einzelnen Gliede der buͤrgerlichen Ge- ſellſchaft. Der Staat mag dadurch, in einzelnen Faͤllen, an abſolutem Reichthum und an Volksmenge vielleicht nicht mehr verlieren, als wenn die Abgabe unter alle Staͤnde gleich vertheilt waͤre; aber allemal wird dadurch die harmoniſche Gliederung des Ganzen zerſtoͤrt. Auf dieſe Weiſe iſt nun aber der Wohlſtand der ein- zelnen Staͤnde eines Staats nicht bloß von den Abgaben, die in dieſem Staat aufgelegt werden, ſondern auch von dem Abgabenſyſtem anderer Staaten, mit denen dieſer im freien Handelsverkehr ſteht, abhaͤngig. Laſteten z. B. in zwei Staaten A. und B. auf einem Gewerbe bisher gleiche Abgaben, und der Staat A. hebt dieſe Abgabe auf; ſo muß der Staat B. ebenfalls die Abgabe aufhe- ben oder Einfuhrzoͤlle anlegen, wenn der Wohlſtand derer, die dies Gewerbe im Staat B. betreiben, nicht gefaͤhrdet werden ſoll. Um die harmoniſche Gliederung des Ganzen zu er- halten, muß alſo der Staat B. das ſchwere Opfer bringen, die Abgaben oder die Zoͤlle ſtets nach den Launen des an- dern Staats zu aͤndern. Ob nun die Erhaltung des Gleichgewichts in dem Wohlſtande der einzelnen Staͤnde dieſes Opfer werth ſey, ob der minder reiche Staat in ſeinem Abgabenſyſtem nie zur Unabhaͤngigkeit gelangen, ſondern ſtets der Spielball des reichen Staats bleiben ſoll — dies zu beurtheilen ge- hoͤrt der praktiſchen Staatswirthſchaft an, die außer mei- nem Kreiſe liegt. 18

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/287>, abgerufen am 22.11.2024.