Getreidepreise vertreibt man zugleich die Fabriken und Manufacturen, die für das Ausland arbeiten, indem diese nun nach den Ländern mit niedrigen Kornpreisen wandern; dadurch werden aber die Zahlmittel der Na- tion nicht vermehrt, sondern vermindert, und die endliche Folge dieser Maßregel muß, statt der beabsichtigten Er- höhung, Verminderung der dauernden Getreidepreise seyn.
Die Wirkung, welche eine Abgabe bei ihrer ersten Einführung äußert, muß von der, welche sie in ihrem letzten Erfolg hervorbringt, genau geschieden werden, weil zwischen beiden ein großer Unterschied statt findet.
Die erste Einführung einer Abgabe bringt Verar- mung und Unglück unter das Volk, weil das um den Betrag der Abgabe verminderte Gesammteinkommen noch unter dieselbe Menschenzahl vertheilt werden soll, und weil die überflüßig gewordenen, nicht mehr zu ernährenden Menschen nicht freiwillig auswandern, sondern erst durch einen für Alle verderblichen Kampf um die Existenz gleich- sam ausgelooset werden müssen, indem diejenigen, die in diesem Kampf unterliegen, zur Auswanderung gezwungen werden.
Ist nun aber durch Auswanderung oder durch Ver- minderung der Ehen die Menschenzahl mit dem Volks- einkommen wieder ins Gleichgewicht getreten: so ist es keineswegs nothwendig, daß irgend ein Mitglied der aktiven Stände (den Grundbesitzer rechne ich nur in der Eigenschaft als Administrator seines Guts, aber nicht in der Beziehung als Empfänger der Landrente zu den ak- tiven Ständen) schlechter zu leben brauche, d. h. für seine Arbeit wenigere Genußmittel erhalte, als vor der Ein- führung der Abgabe. Denn es hängt von dem Charakter des Volks ab, bis zu welchem Grade es Entbehrungen
Getreidepreiſe vertreibt man zugleich die Fabriken und Manufacturen, die fuͤr das Ausland arbeiten, indem dieſe nun nach den Laͤndern mit niedrigen Kornpreiſen wandern; dadurch werden aber die Zahlmittel der Na- tion nicht vermehrt, ſondern vermindert, und die endliche Folge dieſer Maßregel muß, ſtatt der beabſichtigten Er- hoͤhung, Verminderung der dauernden Getreidepreiſe ſeyn.
Die Wirkung, welche eine Abgabe bei ihrer erſten Einfuͤhrung aͤußert, muß von der, welche ſie in ihrem letzten Erfolg hervorbringt, genau geſchieden werden, weil zwiſchen beiden ein großer Unterſchied ſtatt findet.
Die erſte Einfuͤhrung einer Abgabe bringt Verar- mung und Ungluͤck unter das Volk, weil das um den Betrag der Abgabe verminderte Geſammteinkommen noch unter dieſelbe Menſchenzahl vertheilt werden ſoll, und weil die uͤberfluͤßig gewordenen, nicht mehr zu ernaͤhrenden Menſchen nicht freiwillig auswandern, ſondern erſt durch einen fuͤr Alle verderblichen Kampf um die Exiſtenz gleich- ſam ausgelooſet werden muͤſſen, indem diejenigen, die in dieſem Kampf unterliegen, zur Auswanderung gezwungen werden.
Iſt nun aber durch Auswanderung oder durch Ver- minderung der Ehen die Menſchenzahl mit dem Volks- einkommen wieder ins Gleichgewicht getreten: ſo iſt es keineswegs nothwendig, daß irgend ein Mitglied der aktiven Staͤnde (den Grundbeſitzer rechne ich nur in der Eigenſchaft als Adminiſtrator ſeines Guts, aber nicht in der Beziehung als Empfaͤnger der Landrente zu den ak- tiven Staͤnden) ſchlechter zu leben brauche, d. h. fuͤr ſeine Arbeit wenigere Genußmittel erhalte, als vor der Ein- fuͤhrung der Abgabe. Denn es haͤngt von dem Charakter des Volks ab, bis zu welchem Grade es Entbehrungen
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Getreidepreiſe vertreibt man zugleich die Fabriken und
Manufacturen, die fuͤr das Ausland arbeiten, indem
dieſe nun nach den Laͤndern mit niedrigen Kornpreiſen
wandern; dadurch werden aber die Zahlmittel der Na-
tion nicht vermehrt, ſondern vermindert, und die endliche
Folge dieſer Maßregel muß, ſtatt der beabſichtigten Er-
hoͤhung, Verminderung der dauernden Getreidepreiſe ſeyn.
Die Wirkung, welche eine Abgabe bei ihrer erſten
Einfuͤhrung aͤußert, muß von der, welche ſie in ihrem
letzten Erfolg hervorbringt, genau geſchieden werden,
weil zwiſchen beiden ein großer Unterſchied ſtatt findet.
Die erſte Einfuͤhrung einer Abgabe bringt Verar-
mung und Ungluͤck unter das Volk, weil das um den
Betrag der Abgabe verminderte Geſammteinkommen noch
unter dieſelbe Menſchenzahl vertheilt werden ſoll, und weil
die uͤberfluͤßig gewordenen, nicht mehr zu ernaͤhrenden
Menſchen nicht freiwillig auswandern, ſondern erſt durch
einen fuͤr Alle verderblichen Kampf um die Exiſtenz gleich-
ſam ausgelooſet werden muͤſſen, indem diejenigen, die in
dieſem Kampf unterliegen, zur Auswanderung gezwungen
werden.
Iſt nun aber durch Auswanderung oder durch Ver-
minderung der Ehen die Menſchenzahl mit dem Volks-
einkommen wieder ins Gleichgewicht getreten: ſo iſt es
keineswegs nothwendig, daß irgend ein Mitglied der
aktiven Staͤnde (den Grundbeſitzer rechne ich nur in der
Eigenſchaft als Adminiſtrator ſeines Guts, aber nicht in
der Beziehung als Empfaͤnger der Landrente zu den ak-
tiven Staͤnden) ſchlechter zu leben brauche, d. h. fuͤr ſeine
Arbeit wenigere Genußmittel erhalte, als vor der Ein-
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/282>, abgerufen am 07.07.2024.
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