Auch beim völlig freien Handel gilt, wegen der be- deutenden Transportkosten, der Weizen in den Häfen der Ostsee nur 2/3 höchstens 3/4 des Londoner Marktpreises. Für den englischen Landwirth ist dadurch der Kornbau, auch ohne alle weitere Begünstigung, gar viel vortheil- hafter als für uns, und der Kornbau muß in England eine hohe Landrente gewähren. Dieses Uebergewicht des englischen Landbaues wird dagegen bei der Wollproduk- tion höchst unbedeutend: denn die rohe Einnahme von der Schäferei -- in so fern diese aus der Wolle erfolgt -- ist in England nur so viel höher als hier, als der Transport der Wolle nach dem Londoner Markt weniger kostet. Wir können also hier eine Weidefläche oder eine gegebene Quantität Futter durch Schäferei fast eben so hoch nutzen, als die Engländer. Der Reinertrag ist aber bei uns aus eben den Gründen, warum in dem isolirten Staat die Landrente aus der Viehzucht in der Nähe der Stadt negativ, in der größern Entfernung aber positiv ist, bei uns sehr viel höher, und die Engländer werden also beim freien Handel nie die Konkurrenz mit uns aushalten können. Je größer nun die Differenz in den Kornpreisen wird, um so größer wird der Verlust, den die Schäferei in England bringt, um so höher der Ge- winn, den sie hier gibt, und so muß unfehlbar das Sperr- system und die dadurch bewirkte, künstliche Theurung des Getreides, das Sinken der Schafzucht in England, und das Emporblühen derselben bei uns zur Folge haben.
d) Die höhere Schafzucht erhält dadurch noch einen besondern Reiz, daß die Regeln, wornach hier verfahren werden muß, nicht so klar vorliegen, wie bei andern Kul- turzweigen der Landwirthschaft, und zum Theil selbst noch unerforscht sind. So wie der Ertrag, den die Schäferei liefert, von der Güte der Heerde abhängt, so hängt wie- derum die Erhaltung und weitere Veredlung der Heerde
Auch beim voͤllig freien Handel gilt, wegen der be- deutenden Transportkoſten, der Weizen in den Haͤfen der Oſtſee nur ⅔ hoͤchſtens ¾ des Londoner Marktpreiſes. Fuͤr den engliſchen Landwirth iſt dadurch der Kornbau, auch ohne alle weitere Beguͤnſtigung, gar viel vortheil- hafter als fuͤr uns, und der Kornbau muß in England eine hohe Landrente gewaͤhren. Dieſes Uebergewicht des engliſchen Landbaues wird dagegen bei der Wollproduk- tion hoͤchſt unbedeutend: denn die rohe Einnahme von der Schaͤferei — in ſo fern dieſe aus der Wolle erfolgt — iſt in England nur ſo viel hoͤher als hier, als der Transport der Wolle nach dem Londoner Markt weniger koſtet. Wir koͤnnen alſo hier eine Weideflaͤche oder eine gegebene Quantitaͤt Futter durch Schaͤferei faſt eben ſo hoch nutzen, als die Englaͤnder. Der Reinertrag iſt aber bei uns aus eben den Gruͤnden, warum in dem iſolirten Staat die Landrente aus der Viehzucht in der Naͤhe der Stadt negativ, in der groͤßern Entfernung aber poſitiv iſt, bei uns ſehr viel hoͤher, und die Englaͤnder werden alſo beim freien Handel nie die Konkurrenz mit uns aushalten koͤnnen. Je groͤßer nun die Differenz in den Kornpreiſen wird, um ſo groͤßer wird der Verluſt, den die Schaͤferei in England bringt, um ſo hoͤher der Ge- winn, den ſie hier gibt, und ſo muß unfehlbar das Sperr- ſyſtem und die dadurch bewirkte, kuͤnſtliche Theurung des Getreides, das Sinken der Schafzucht in England, und das Emporbluͤhen derſelben bei uns zur Folge haben.
d) Die hoͤhere Schafzucht erhaͤlt dadurch noch einen beſondern Reiz, daß die Regeln, wornach hier verfahren werden muß, nicht ſo klar vorliegen, wie bei andern Kul- turzweigen der Landwirthſchaft, und zum Theil ſelbſt noch unerforſcht ſind. So wie der Ertrag, den die Schaͤferei liefert, von der Guͤte der Heerde abhaͤngt, ſo haͤngt wie- derum die Erhaltung und weitere Veredlung der Heerde
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Auch beim voͤllig freien Handel gilt, wegen der be-
deutenden Transportkoſten, der Weizen in den Haͤfen der
Oſtſee nur ⅔ hoͤchſtens ¾ des Londoner Marktpreiſes.
Fuͤr den engliſchen Landwirth iſt dadurch der Kornbau,
auch ohne alle weitere Beguͤnſtigung, gar viel vortheil-
hafter als fuͤr uns, und der Kornbau muß in England
eine hohe Landrente gewaͤhren. Dieſes Uebergewicht des
engliſchen Landbaues wird dagegen bei der Wollproduk-
tion hoͤchſt unbedeutend: denn die rohe Einnahme von
der Schaͤferei — in ſo fern dieſe aus der Wolle erfolgt
— iſt in England nur ſo viel hoͤher als hier, als der
Transport der Wolle nach dem Londoner Markt weniger
koſtet. Wir koͤnnen alſo hier eine Weideflaͤche oder eine
gegebene Quantitaͤt Futter durch Schaͤferei faſt eben ſo
hoch nutzen, als die Englaͤnder. Der Reinertrag iſt aber
bei uns aus eben den Gruͤnden, warum in dem iſolirten
Staat die Landrente aus der Viehzucht in der Naͤhe der
Stadt negativ, in der groͤßern Entfernung aber poſitiv
iſt, bei uns ſehr viel hoͤher, und die Englaͤnder werden
alſo beim freien Handel nie die Konkurrenz mit uns
aushalten koͤnnen. Je groͤßer nun die Differenz in den
Kornpreiſen wird, um ſo groͤßer wird der Verluſt, den
die Schaͤferei in England bringt, um ſo hoͤher der Ge-
winn, den ſie hier gibt, und ſo muß unfehlbar das Sperr-
ſyſtem und die dadurch bewirkte, kuͤnſtliche Theurung des
Getreides, das Sinken der Schafzucht in England, und
das Emporbluͤhen derſelben bei uns zur Folge haben.
d) Die hoͤhere Schafzucht erhaͤlt dadurch noch einen
beſondern Reiz, daß die Regeln, wornach hier verfahren
werden muß, nicht ſo klar vorliegen, wie bei andern Kul-
turzweigen der Landwirthſchaft, und zum Theil ſelbſt noch
unerforſcht ſind. So wie der Ertrag, den die Schaͤferei
liefert, von der Guͤte der Heerde abhaͤngt, ſo haͤngt wie-
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/245>, abgerufen am 07.07.2024.
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