zugleich das Bild eines und desselben Staats in verschie- denen Jahrhunderten dar.
Vor einem Jahrhundert wurde in Mecklenburg bloß Dreifelderwirthschaft getrieben, und diese war den dama- ligen Verhältnissen allein angemessen. In den frühesten Zeiten waren Jagd und Viehzucht wahrscheinlich die ein- zigen Quellen der Ernährung. Dagegen wird im näch- sten Jahrhundert die Fruchtwechselwirthschaft hier vielleicht eben so allgemein seyn, als jetzt die Koppelwirthschaft.
So wie der Reichthum und die Bevölkerung eines Staats steigen, so wird auch ein mehr intensiver Land- bau vortheilhaft. Sind die Verhältnisse nun bis zu dem Punkt gereift, daß die Anwendung eines höhern Wirth- schaftssystems nützlich wird, so ist auch das Werk des Landwirths, der diese neue Wirthschaft zuerst einführt, der Vergänglichkeit nicht unterworfen. Diese Wirthschaft wird sich nicht bloß auf seinem Gute erhalten, sondern sich, zwar langsam aber unwiderstehlich, über das ganze Land verbreiten und so die landübliche Wirthschaft werden.
Dies war in Mecklenburg der Fall, als die Koppel- wirthschaft zuerst eingeführt wurde; dies war in England der Fall, als die Koppel- und Dreifelderwirthschaften der Fruchtwechselwirthschaft weichen mußten.
zugleich das Bild eines und deſſelben Staats in verſchie- denen Jahrhunderten dar.
Vor einem Jahrhundert wurde in Mecklenburg bloß Dreifelderwirthſchaft getrieben, und dieſe war den dama- ligen Verhaͤltniſſen allein angemeſſen. In den fruͤheſten Zeiten waren Jagd und Viehzucht wahrſcheinlich die ein- zigen Quellen der Ernaͤhrung. Dagegen wird im naͤch- ſten Jahrhundert die Fruchtwechſelwirthſchaft hier vielleicht eben ſo allgemein ſeyn, als jetzt die Koppelwirthſchaft.
So wie der Reichthum und die Bevoͤlkerung eines Staats ſteigen, ſo wird auch ein mehr intenſiver Land- bau vortheilhaft. Sind die Verhaͤltniſſe nun bis zu dem Punkt gereift, daß die Anwendung eines hoͤhern Wirth- ſchaftsſyſtems nuͤtzlich wird, ſo iſt auch das Werk des Landwirths, der dieſe neue Wirthſchaft zuerſt einfuͤhrt, der Vergaͤnglichkeit nicht unterworfen. Dieſe Wirthſchaft wird ſich nicht bloß auf ſeinem Gute erhalten, ſondern ſich, zwar langſam aber unwiderſtehlich, uͤber das ganze Land verbreiten und ſo die landuͤbliche Wirthſchaft werden.
Dies war in Mecklenburg der Fall, als die Koppel- wirthſchaft zuerſt eingefuͤhrt wurde; dies war in England der Fall, als die Koppel- und Dreifelderwirthſchaften der Fruchtwechſelwirthſchaft weichen mußten.
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[204/0218]
zugleich das Bild eines und deſſelben Staats in verſchie-
denen Jahrhunderten dar.
Vor einem Jahrhundert wurde in Mecklenburg bloß
Dreifelderwirthſchaft getrieben, und dieſe war den dama-
ligen Verhaͤltniſſen allein angemeſſen. In den fruͤheſten
Zeiten waren Jagd und Viehzucht wahrſcheinlich die ein-
zigen Quellen der Ernaͤhrung. Dagegen wird im naͤch-
ſten Jahrhundert die Fruchtwechſelwirthſchaft hier vielleicht
eben ſo allgemein ſeyn, als jetzt die Koppelwirthſchaft.
So wie der Reichthum und die Bevoͤlkerung eines
Staats ſteigen, ſo wird auch ein mehr intenſiver Land-
bau vortheilhaft. Sind die Verhaͤltniſſe nun bis zu dem
Punkt gereift, daß die Anwendung eines hoͤhern Wirth-
ſchaftsſyſtems nuͤtzlich wird, ſo iſt auch das Werk des
Landwirths, der dieſe neue Wirthſchaft zuerſt einfuͤhrt, der
Vergaͤnglichkeit nicht unterworfen. Dieſe Wirthſchaft wird
ſich nicht bloß auf ſeinem Gute erhalten, ſondern ſich,
zwar langſam aber unwiderſtehlich, uͤber das ganze Land
verbreiten und ſo die landuͤbliche Wirthſchaft werden.
Dies war in Mecklenburg der Fall, als die Koppel-
wirthſchaft zuerſt eingefuͤhrt wurde; dies war in England
der Fall, als die Koppel- und Dreifelderwirthſchaften der
Fruchtwechſelwirthſchaft weichen mußten.
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/218>, abgerufen am 07.07.2024.
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