Stadt nur zu 9,2 ß, aus der 30 Meilen entfernten Ge- gend aber zu 5,3 ß das Pfund nach der Stadt geliefert werden könne. Kann nun -- wie es hier der Fall ist -- der ganze Bedarf durch die entlegene Gegend befriedigt werden, so bestimmt der Preis, zu welchem diese Gegend ein solches Produkt nach der Stadt liefern kann, auch den Mittelpreis dieses Produkts in der Stadt selbst, und es geht hieraus hervor, daß die Erzeugung dieses Produkts in der Nähe der Stadt mit Verlust verbunden seyn muß.
Es scheint demnach, daß die der Stadt näher gele- genen Kreise die Viehzucht ganz aufgeben und sich bloß dem weit einträglichern Kornbau widmen müßten.
Dies würde auch unstreitig der Fall seyn, wenn es nicht durch ein merkwürdiges Gesetz der Natur verhindert und unmöglich gemacht würde.
Die Pflanzennahrung, die dem Boden durch die Her- vorbringung des Getreides entzogen wird, kann dem Acker nicht durch das Auffahren von Heu, Stroh oder Gras in dem natürlichen Zustande ersetzt werden, sondern diese Substanzen müssen durch die Verfütterung mit dem Vieh in Dung verwandelt werden, wenn sie den Pflan- zen wieder zur Nahrung dienen sollen.
Das Vieh ist also als eine unentbehrliche Maschine anzusehen, wodurch Heu und Stroh in Dung verwandelt werden; und die Viehzucht muß mit dem Ackerbau ver- bunden bleiben, wenn sie auch gar keine Einnahme ge- währen sollte.
Durch diesen Umstand erhält nun aber die Frage: "ob bei sinkenden Preisen der Viehprodukte die nähern oder entferntern Gegenden die Viehzucht aufgeben müssen", eine andere Entscheidung.
Die nähern Gegenden können den Verlust, der aus der Viehzucht entsteht, tragen, weil der Kornbau eine Landrente abwirft; die entferntern Gegenden, die keine
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Stadt nur zu 9,2 ß, aus der 30 Meilen entfernten Ge- gend aber zu 5,3 ß das Pfund nach der Stadt geliefert werden koͤnne. Kann nun — wie es hier der Fall iſt — der ganze Bedarf durch die entlegene Gegend befriedigt werden, ſo beſtimmt der Preis, zu welchem dieſe Gegend ein ſolches Produkt nach der Stadt liefern kann, auch den Mittelpreis dieſes Produkts in der Stadt ſelbſt, und es geht hieraus hervor, daß die Erzeugung dieſes Produkts in der Naͤhe der Stadt mit Verluſt verbunden ſeyn muß.
Es ſcheint demnach, daß die der Stadt naͤher gele- genen Kreiſe die Viehzucht ganz aufgeben und ſich bloß dem weit eintraͤglichern Kornbau widmen muͤßten.
Dies wuͤrde auch unſtreitig der Fall ſeyn, wenn es nicht durch ein merkwuͤrdiges Geſetz der Natur verhindert und unmoͤglich gemacht wuͤrde.
Die Pflanzennahrung, die dem Boden durch die Her- vorbringung des Getreides entzogen wird, kann dem Acker nicht durch das Auffahren von Heu, Stroh oder Gras in dem natuͤrlichen Zuſtande erſetzt werden, ſondern dieſe Subſtanzen muͤſſen durch die Verfuͤtterung mit dem Vieh in Dung verwandelt werden, wenn ſie den Pflan- zen wieder zur Nahrung dienen ſollen.
Das Vieh iſt alſo als eine unentbehrliche Maſchine anzuſehen, wodurch Heu und Stroh in Dung verwandelt werden; und die Viehzucht muß mit dem Ackerbau ver- bunden bleiben, wenn ſie auch gar keine Einnahme ge- waͤhren ſollte.
Durch dieſen Umſtand erhaͤlt nun aber die Frage: «ob bei ſinkenden Preiſen der Viehprodukte die naͤhern oder entferntern Gegenden die Viehzucht aufgeben muͤſſen», eine andere Entſcheidung.
Die naͤhern Gegenden koͤnnen den Verluſt, der aus der Viehzucht entſteht, tragen, weil der Kornbau eine Landrente abwirft; die entferntern Gegenden, die keine
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Stadt nur zu 9,2 ß, aus der 30 Meilen entfernten Ge-
gend aber zu 5,3 ß das Pfund nach der Stadt geliefert
werden koͤnne. Kann nun — wie es hier der Fall iſt —
der ganze Bedarf durch die entlegene Gegend befriedigt
werden, ſo beſtimmt der Preis, zu welchem dieſe Gegend
ein ſolches Produkt nach der Stadt liefern kann, auch den
Mittelpreis dieſes Produkts in der Stadt ſelbſt, und es
geht hieraus hervor, daß die Erzeugung dieſes Produkts
in der Naͤhe der Stadt mit Verluſt verbunden ſeyn muß.
Es ſcheint demnach, daß die der Stadt naͤher gele-
genen Kreiſe die Viehzucht ganz aufgeben und ſich bloß
dem weit eintraͤglichern Kornbau widmen muͤßten.
Dies wuͤrde auch unſtreitig der Fall ſeyn, wenn es
nicht durch ein merkwuͤrdiges Geſetz der Natur verhindert
und unmoͤglich gemacht wuͤrde.
Die Pflanzennahrung, die dem Boden durch die Her-
vorbringung des Getreides entzogen wird, kann dem
Acker nicht durch das Auffahren von Heu, Stroh oder
Gras in dem natuͤrlichen Zuſtande erſetzt werden, ſondern
dieſe Subſtanzen muͤſſen durch die Verfuͤtterung mit dem
Vieh in Dung verwandelt werden, wenn ſie den Pflan-
zen wieder zur Nahrung dienen ſollen.
Das Vieh iſt alſo als eine unentbehrliche Maſchine
anzuſehen, wodurch Heu und Stroh in Dung verwandelt
werden; und die Viehzucht muß mit dem Ackerbau ver-
bunden bleiben, wenn ſie auch gar keine Einnahme ge-
waͤhren ſollte.
Durch dieſen Umſtand erhaͤlt nun aber die Frage:
«ob bei ſinkenden Preiſen der Viehprodukte die naͤhern
oder entferntern Gegenden die Viehzucht aufgeben muͤſſen»,
eine andere Entſcheidung.
Die naͤhern Gegenden koͤnnen den Verluſt, der aus
der Viehzucht entſteht, tragen, weil der Kornbau eine
Landrente abwirft; die entferntern Gegenden, die keine
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/207>, abgerufen am 07.07.2024.
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