Tafel. Den einen überfiel bald ein theologi- scher Serupel, bald ein Gedanke seiner künfti- gen Liebe; und der andere ängstete sich heim- lich, daß es in seinem Gehirne so finster, wie eine durchnebelte Winternacht, aussah. Wie oft buhlt' er vergebens um das belohnende Lächeln des Marschalls, und wie oft verfolgte sein schwerer Witz die flüchtigen Reden des lusti- gen Kammerjunkers! aber eh' er sie erreichte, waren sie von der Gesellschaft und von dem Red- ner selber vergessen, und mit Verdrusse nahm er wahr, daß niemand seine Einfälle begriff, und alle seine witzige Mühe verloren gieng. Ein alter hungriger Wolf schleicht so dem Fuch- se nach, der unbekümmert durchs Gras scherzt, den verdrüßlichen Räuber bald nach dieser bald nach jener Seite hinlockt, und endlich doch sei- ner groben Tatze entwischet. Zur Erholung der gesättigten Gäste, deren immer sich anstren- gender Witz manchmal schlaff zu werden be- gonnte, rief der kluge Hofmarschall den Ver-
stand
Tafel. Den einen uͤberfiel bald ein theologi- ſcher Serupel, bald ein Gedanke ſeiner kuͤnfti- gen Liebe; und der andere aͤngſtete ſich heim- lich, daß es in ſeinem Gehirne ſo finſter, wie eine durchnebelte Winternacht, ausſah. Wie oft buhlt’ er vergebens um das belohnende Laͤcheln des Marſchalls, und wie oft verfolgte ſein ſchwerer Witz die fluͤchtigen Reden des luſti- gen Kammerjunkers! aber eh’ er ſie erreichte, waren ſie von der Geſellſchaft und von dem Red- ner ſelber vergeſſen, und mit Verdruſſe nahm er wahr, daß niemand ſeine Einfaͤlle begriff, und alle ſeine witzige Muͤhe verloren gieng. Ein alter hungriger Wolf ſchleicht ſo dem Fuch- ſe nach, der unbekuͤmmert durchs Gras ſcherzt, den verdruͤßlichen Raͤuber bald nach dieſer bald nach jener Seite hinlockt, und endlich doch ſei- ner groben Tatze entwiſchet. Zur Erholung der geſaͤttigten Gaͤſte, deren immer ſich anſtren- gender Witz manchmal ſchlaff zu werden be- gonnte, rief der kluge Hofmarſchall den Ver-
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Tafel. Den einen uͤberfiel bald ein theologi-
ſcher Serupel, bald ein Gedanke ſeiner kuͤnfti-
gen Liebe; und der andere aͤngſtete ſich heim-
lich, daß es in ſeinem Gehirne ſo finſter, wie
eine durchnebelte Winternacht, ausſah. Wie
oft buhlt’ er vergebens um das belohnende
Laͤcheln des Marſchalls, und wie oft verfolgte
ſein ſchwerer Witz die fluͤchtigen Reden des luſti-
gen Kammerjunkers! aber eh’ er ſie erreichte,
waren ſie von der Geſellſchaft und von dem Red-
ner ſelber vergeſſen, und mit Verdruſſe nahm
er wahr, daß niemand ſeine Einfaͤlle begriff,
und alle ſeine witzige Muͤhe verloren gieng.
Ein alter hungriger Wolf ſchleicht ſo dem Fuch-
ſe nach, der unbekuͤmmert durchs Gras ſcherzt,
den verdruͤßlichen Raͤuber bald nach dieſer bald
nach jener Seite hinlockt, und endlich doch ſei-
ner groben Tatze entwiſchet. Zur Erholung
der geſaͤttigten Gaͤſte, deren immer ſich anſtren-
gender Witz manchmal ſchlaff zu werden be-
gonnte, rief der kluge Hofmarſchall den Ver-
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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/84>, abgerufen am 08.07.2024.
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