Nachdenken in ihre Gemüther. Und nun besaß der Beglückte seine Beute, die ihm kein Sterblicher wieder entreissen konnte. Nun hab' ich sie endlich erhascht, die fröh- lichen Minuten, dacht' er, die mir vier Jahre lang entwischt waren; und voll Em- pfindung seines Glücks, drückt' er oft sei- ner angetrauten Willhelmine die kleine Hand, und führte sie mit triumphirender Nase nach Hause. Aber ein wunderlicher unversehner Gedanke, der sich wider alles Vergnügen auflehnte, stieg itzt aus dem klopfenden Herzen der armen Verlobten empor -- Jst dieß nicht, seufzte sie bey sich selbst, das Leichengepränge deiner Schön- heit? Klägliches Geschenk der Natur, das keinem weniger hilft, als der es besitzt! Was für unruhige Tage hast du mir nicht verursacht! und itzt begräbst du mich so- gar in einer schmutzigen Pfarre? Wie ver- schieden waren hier nicht die Begriffe der
Schö-
Nachdenken in ihre Gemuͤther. Und nun beſaß der Begluͤckte ſeine Beute, die ihm kein Sterblicher wieder entreiſſen konnte. Nun hab’ ich ſie endlich erhaſcht, die froͤh- lichen Minuten, dacht’ er, die mir vier Jahre lang entwiſcht waren; und voll Em- pfindung ſeines Gluͤcks, druͤckt’ er oft ſei- ner angetrauten Willhelmine die kleine Hand, und fuͤhrte ſie mit triumphirender Naſe nach Hauſe. Aber ein wunderlicher unverſehner Gedanke, der ſich wider alles Vergnuͤgen auflehnte, ſtieg itzt aus dem klopfenden Herzen der armen Verlobten empor — Jſt dieß nicht, ſeufzte ſie bey ſich ſelbſt, das Leichengepraͤnge deiner Schoͤn- heit? Klaͤgliches Geſchenk der Natur, das keinem weniger hilft, als der es beſitzt! Was fuͤr unruhige Tage haſt du mir nicht verurſacht! und itzt begraͤbſt du mich ſo- gar in einer ſchmutzigen Pfarre? Wie ver- ſchieden waren hier nicht die Begriffe der
Schoͤ-
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Nachdenken in ihre Gemuͤther. Und nun
beſaß der Begluͤckte ſeine Beute, die ihm
kein Sterblicher wieder entreiſſen konnte.
Nun hab’ ich ſie endlich erhaſcht, die froͤh-
lichen Minuten, dacht’ er, die mir vier
Jahre lang entwiſcht waren; und voll Em-
pfindung ſeines Gluͤcks, druͤckt’ er oft ſei-
ner angetrauten Willhelmine die kleine
Hand, und fuͤhrte ſie mit triumphirender
Naſe nach Hauſe. Aber ein wunderlicher
unverſehner Gedanke, der ſich wider alles
Vergnuͤgen auflehnte, ſtieg itzt aus dem
klopfenden Herzen der armen Verlobten
empor — Jſt dieß nicht, ſeufzte ſie bey
ſich ſelbſt, das Leichengepraͤnge deiner Schoͤn-
heit? Klaͤgliches Geſchenk der Natur, das
keinem weniger hilft, als der es beſitzt!
Was fuͤr unruhige Tage haſt du mir nicht
verurſacht! und itzt begraͤbſt du mich ſo-
gar in einer ſchmutzigen Pfarre? Wie ver-
ſchieden waren hier nicht die Begriffe der
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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/80>, abgerufen am 08.07.2024.
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