Glück, hier wo man nur durch feine Ränke gewinnt, und wo die Blicke der Großen mehr gelten, als ein richtiger Verstand und Tugend und Wahrheit. Zischet ihn aus -- ihr Lieb- linge des Hofes! Was helfen ihm alle seine Verdienste? Daß sie einst vielleicht, in Stein gehauen, auf seinem Grabmaale sitzen und weinen? O wie thöricht! den Gebothen des Himmels zu gehorchen, wo ein Fürst befiehlt, und auf dem einsamen Wege der Tugend zu wandeln, wo noch kein Hofmann eine fette Pfründe erreicht hat. Wenn eine falsche schwankende Uhr des Stadthauses den Vor- urtheilen der Bürger gebiethet, so betriegt uns oft unsere wahre Kenntniß der Zeit um ihren Gebrauch; denn hier, wo ein jedes dem all- gemeinen Jrrthume folget, den eine summen- de Glocke ausbreitet, und die entfernte Sonne für nichts achtet, was hilft es hier dem gewis- sen Sternseher, daß er sich allein nach ihren Befehlen richtet -- und den Wahn der Stadt
verlachet
Gluͤck, hier wo man nur durch feine Raͤnke gewinnt, und wo die Blicke der Großen mehr gelten, als ein richtiger Verſtand und Tugend und Wahrheit. Ziſchet ihn aus — ihr Lieb- linge des Hofes! Was helfen ihm alle ſeine Verdienſte? Daß ſie einſt vielleicht, in Stein gehauen, auf ſeinem Grabmaale ſitzen und weinen? O wie thoͤricht! den Gebothen des Himmels zu gehorchen, wo ein Fuͤrſt befiehlt, und auf dem einſamen Wege der Tugend zu wandeln, wo noch kein Hofmann eine fette Pfruͤnde erreicht hat. Wenn eine falſche ſchwankende Uhr des Stadthauſes den Vor- urtheilen der Buͤrger gebiethet, ſo betriegt uns oft unſere wahre Kenntniß der Zeit um ihren Gebrauch; denn hier, wo ein jedes dem all- gemeinen Jrrthume folget, den eine ſummen- de Glocke ausbreitet, und die entfernte Sonne fuͤr nichts achtet, was hilft es hier dem gewiſ- ſen Sternſeher, daß er ſich allein nach ihren Befehlen richtet — und den Wahn der Stadt
verlachet
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0074"n="70"/>
Gluͤck, hier wo man nur durch feine Raͤnke<lb/>
gewinnt, und wo die Blicke der Großen mehr<lb/>
gelten, als ein richtiger Verſtand und Tugend<lb/>
und Wahrheit. Ziſchet ihn aus — ihr Lieb-<lb/>
linge des Hofes! Was helfen ihm alle ſeine<lb/>
Verdienſte? Daß ſie einſt vielleicht, in Stein<lb/>
gehauen, auf ſeinem Grabmaale ſitzen und<lb/>
weinen? O wie thoͤricht! den Gebothen des<lb/>
Himmels zu gehorchen, wo ein Fuͤrſt befiehlt,<lb/>
und auf dem einſamen Wege der Tugend zu<lb/>
wandeln, wo noch kein Hofmann eine fette<lb/>
Pfruͤnde erreicht hat. Wenn eine falſche<lb/>ſchwankende Uhr des Stadthauſes den Vor-<lb/>
urtheilen der Buͤrger gebiethet, ſo betriegt uns<lb/>
oft unſere wahre Kenntniß der Zeit um ihren<lb/>
Gebrauch; denn hier, wo ein jedes dem all-<lb/>
gemeinen Jrrthume folget, den eine ſummen-<lb/>
de Glocke ausbreitet, und die entfernte Sonne<lb/>
fuͤr nichts achtet, was hilft es hier dem gewiſ-<lb/>ſen Sternſeher, daß er ſich allein nach ihren<lb/>
Befehlen richtet — und den Wahn der Stadt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">verlachet</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[70/0074]
Gluͤck, hier wo man nur durch feine Raͤnke
gewinnt, und wo die Blicke der Großen mehr
gelten, als ein richtiger Verſtand und Tugend
und Wahrheit. Ziſchet ihn aus — ihr Lieb-
linge des Hofes! Was helfen ihm alle ſeine
Verdienſte? Daß ſie einſt vielleicht, in Stein
gehauen, auf ſeinem Grabmaale ſitzen und
weinen? O wie thoͤricht! den Gebothen des
Himmels zu gehorchen, wo ein Fuͤrſt befiehlt,
und auf dem einſamen Wege der Tugend zu
wandeln, wo noch kein Hofmann eine fette
Pfruͤnde erreicht hat. Wenn eine falſche
ſchwankende Uhr des Stadthauſes den Vor-
urtheilen der Buͤrger gebiethet, ſo betriegt uns
oft unſere wahre Kenntniß der Zeit um ihren
Gebrauch; denn hier, wo ein jedes dem all-
gemeinen Jrrthume folget, den eine ſummen-
de Glocke ausbreitet, und die entfernte Sonne
fuͤr nichts achtet, was hilft es hier dem gewiſ-
ſen Sternſeher, daß er ſich allein nach ihren
Befehlen richtet — und den Wahn der Stadt
verlachet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/74>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.