dingung -- als sein eigner Hochzeitbitter, noch ein zweytes Jawort erbetteln, ehe sie ihn glücklich zu machen versprach. Der hoch- beschneyte Weg ermüdete seine Knie, und die duftende Kälte candirte seinen schwarzen Bart, und bracht' ihm Zahnweh. Aber noch ein größeres Uebel, als Zahnweh und Müdigkeit, lauerte in dem nahen Walde auf ihn. Welcher boshafte Genius war es, der in Gestalt eines Holzhackers dem Prie- ster entgegen kam? Ein unschuldiges unbe- kümmertes Gesicht, die Larve der Heuche- ley, betrogen den heiligen Wanderer. "Gu- "ter Freund! redete er ihn vertraulich an, "sagt mir doch, ist dieses die rechte Stras- "se nach Rennsdorf, dem Rittersitze des al- "ten Grafen von Nimmer?" Ehrerbiethig nahm itzt der Boshafte vor dem Schwarz- rocke den Huth ab und sagte: "Wer Sie "auch sind -- ehrwürdiger lieber Herr, "so beklage ich Sie doch herzlich; denn die-
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dingung — als ſein eigner Hochzeitbitter, noch ein zweytes Jawort erbetteln, ehe ſie ihn gluͤcklich zu machen verſprach. Der hoch- beſchneyte Weg ermuͤdete ſeine Knie, und die duftende Kaͤlte candirte ſeinen ſchwarzen Bart, und bracht’ ihm Zahnweh. Aber noch ein groͤßeres Uebel, als Zahnweh und Muͤdigkeit, lauerte in dem nahen Walde auf ihn. Welcher boshafte Genius war es, der in Geſtalt eines Holzhackers dem Prie- ſter entgegen kam? Ein unſchuldiges unbe- kuͤmmertes Geſicht, die Larve der Heuche- ley, betrogen den heiligen Wanderer. ”Gu- ”ter Freund! redete er ihn vertraulich an, ”ſagt mir doch, iſt dieſes die rechte Straſ- ”ſe nach Rennsdorf, dem Ritterſitze des al- ”ten Grafen von Nimmer?” Ehrerbiethig nahm itzt der Boshafte vor dem Schwarz- rocke den Huth ab und ſagte: ”Wer Sie ”auch ſind — ehrwuͤrdiger lieber Herr, ”ſo beklage ich Sie doch herzlich; denn die-
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dingung — als ſein eigner Hochzeitbitter,
noch ein zweytes Jawort erbetteln, ehe ſie
ihn gluͤcklich zu machen verſprach. Der hoch-
beſchneyte Weg ermuͤdete ſeine Knie, und
die duftende Kaͤlte candirte ſeinen ſchwarzen
Bart, und bracht’ ihm Zahnweh. Aber
noch ein groͤßeres Uebel, als Zahnweh und
Muͤdigkeit, lauerte in dem nahen Walde
auf ihn. Welcher boshafte Genius war es,
der in Geſtalt eines Holzhackers dem Prie-
ſter entgegen kam? Ein unſchuldiges unbe-
kuͤmmertes Geſicht, die Larve der Heuche-
ley, betrogen den heiligen Wanderer. ”Gu-
”ter Freund! redete er ihn vertraulich an,
”ſagt mir doch, iſt dieſes die rechte Straſ-
”ſe nach Rennsdorf, dem Ritterſitze des al-
”ten Grafen von Nimmer?” Ehrerbiethig
nahm itzt der Boshafte vor dem Schwarz-
rocke den Huth ab und ſagte: ”Wer Sie
”auch ſind — ehrwuͤrdiger lieber Herr,
”ſo beklage ich Sie doch herzlich; denn die-
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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/54>, abgerufen am 08.07.2024.
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