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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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be. Nun sind aber die meisten Doctores auch darinnen einig, daß wenn der Verkäuffer den Preiß gewust, er sich der Klage ex l. 2. C. de rescind. vend. nicht bedienen könne. Stryke Cautel. Contract. Sect. 2. Cap. 8. §. 28. Zu dem so ist bekannt, daß auch nach der gemeinen Meynung in contractibus, ubi alea subest, die exceptio laesionis ultra dimidium nicht statt finde. Nun ist zwar hier eigentlich keine venditio aleae oder spei vel rei speratae, es kömmt aber doch dieser Contract dergleichen venditionibus, ubi eventus est incertus, sehr nahe, indem der Verkäuffer sich Zeit seines Lebens die Helfte des Nutzens von dem verkaufften Guthe, ingleichen die Helfte des Viehes und Geschirrs vorbehalten; und nach seinen Tode seiner Hauß-Frauen, auch auf die Zeit ihres Lebens, gleichfalls ein vieles, das ihr von dem Beklagten gereichet werden solle, in dem Contract verordnet. u. s. w. Und bey dieser Bewandnüß dürffte wohl meiner in besagter Disputation und in notis ad tit. Pand. de rescind. vend. vertheydigten Meynung, daß die actio ex l. 2. C. de resc. vend. in Praxi den geringsten Nutzen nicht habe, wenn solche recht eingesehen wird, durch diesen gegenwärtigen Handel wenig oder nichts abgehen, sondern dieselbe vielmehr durch dieses Exempel bekräfftiget werden, es möge nun mit der in der gerichtlichen Extension renuncirten Exception laesionis ultra dimidium beschaffen seyn, wie es wolle.

Und warum wir nichts destoweniger den Beklagten noch zur Zeit nicht absolviren können.

§. XIII. Nun möchte wohl mancher auf die Gedancken gerathen; daß wenn Wir dieser Meynung wären, Wir sehr übel gethan, daß Wir das erste J. Urtheil bekräfftiget, und nicht aus diesen Ursachen den Beklagten alsobald schlechterdings von der Klage absolviret hätten, zumahl, da selbige aus denen von beyden Theilen angeführten Contracten deutlich zu sehen wären, und von keinen Theil ohne offenbare Unwahrheit nunmehro geleugnet werden könnten. Wir pflegten ja sonst über die unseelige Weitläufftigkeit der Processe vielfältig zu klagen, und hielten doch in gegenwärtigen Handel den Proceß muthwillig selbsten auf. Alleine es ist leichtlich auf diese Objection zu antworten. Die Collegia Juridica sind an die Proceß-Ordnungen gebunden, und nicht befugt sub praetextu daß sie secundum veritatem facti sprächen, Machtsprüche zu thun. Dieses letzte kömmet nur denen Regenten zu. Wer wolte einen Unterrichter entschuldigen, wenn er in der Huhren-Sache, die für dem König Salomon um das todte und lebendige Kind stritten, ein dem Machtspruch des Königs gleichförmliches Urtheil sprechen

be. Nun sind aber die meisten Doctores auch darinnen einig, daß wenn der Verkäuffer den Preiß gewust, er sich der Klage ex l. 2. C. de rescind. vend. nicht bedienen könne. Stryke Cautel. Contract. Sect. 2. Cap. 8. §. 28. Zu dem so ist bekannt, daß auch nach der gemeinen Meynung in contractibus, ubi alea subest, die exceptio laesionis ultra dimidium nicht statt finde. Nun ist zwar hier eigentlich keine venditio aleae oder spei vel rei speratae, es kömmt aber doch dieser Contract dergleichen venditionibus, ubi eventus est incertus, sehr nahe, indem der Verkäuffer sich Zeit seines Lebens die Helfte des Nutzens von dem verkaufften Guthe, ingleichen die Helfte des Viehes und Geschirrs vorbehalten; und nach seinen Tode seiner Hauß-Frauen, auch auf die Zeit ihres Lebens, gleichfalls ein vieles, das ihr von dem Beklagten gereichet werden solle, in dem Contract verordnet. u. s. w. Und bey dieser Bewandnüß dürffte wohl meiner in besagter Disputation und in notis ad tit. Pand. de rescind. vend. vertheydigten Meynung, daß die actio ex l. 2. C. de resc. vend. in Praxi den geringsten Nutzen nicht habe, wenn solche recht eingesehen wird, durch diesen gegenwärtigen Handel wenig oder nichts abgehen, sondern dieselbe vielmehr durch dieses Exempel bekräfftiget werden, es möge nun mit der in der gerichtlichen Extension renuncirten Exception laesionis ultra dimidium beschaffen seyn, wie es wolle.

Und warum wir nichts destoweniger den Beklagten noch zur Zeit nicht absolviren können.

§. XIII. Nun möchte wohl mancher auf die Gedancken gerathen; daß wenn Wir dieser Meynung wären, Wir sehr übel gethan, daß Wir das erste J. Urtheil bekräfftiget, und nicht aus diesen Ursachen den Beklagten alsobald schlechterdings von der Klage absolviret hätten, zumahl, da selbige aus denen von beyden Theilen angeführten Contracten deutlich zu sehen wären, und von keinen Theil ohne offenbare Unwahrheit nunmehro geleugnet werden könnten. Wir pflegten ja sonst über die unseelige Weitläufftigkeit der Processe vielfältig zu klagen, und hielten doch in gegenwärtigen Handel den Proceß muthwillig selbsten auf. Alleine es ist leichtlich auf diese Objection zu antworten. Die Collegia Juridica sind an die Proceß-Ordnungen gebunden, und nicht befugt sub praetextu daß sie secundum veritatem facti sprächen, Machtsprüche zu thun. Dieses letzte kömmet nur denen Regenten zu. Wer wolte einen Unterrichter entschuldigen, wenn er in der Huhren-Sache, die für dem König Salomon um das todte und lebendige Kind stritten, ein dem Machtspruch des Königs gleichförmliches Urtheil sprechen

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[354/0362] be. Nun sind aber die meisten Doctores auch darinnen einig, daß wenn der Verkäuffer den Preiß gewust, er sich der Klage ex l. 2. C. de rescind. vend. nicht bedienen könne. Stryke Cautel. Contract. Sect. 2. Cap. 8. §. 28. Zu dem so ist bekannt, daß auch nach der gemeinen Meynung in contractibus, ubi alea subest, die exceptio laesionis ultra dimidium nicht statt finde. Nun ist zwar hier eigentlich keine venditio aleae oder spei vel rei speratae, es kömmt aber doch dieser Contract dergleichen venditionibus, ubi eventus est incertus, sehr nahe, indem der Verkäuffer sich Zeit seines Lebens die Helfte des Nutzens von dem verkaufften Guthe, ingleichen die Helfte des Viehes und Geschirrs vorbehalten; und nach seinen Tode seiner Hauß-Frauen, auch auf die Zeit ihres Lebens, gleichfalls ein vieles, das ihr von dem Beklagten gereichet werden solle, in dem Contract verordnet. u. s. w. Und bey dieser Bewandnüß dürffte wohl meiner in besagter Disputation und in notis ad tit. Pand. de rescind. vend. vertheydigten Meynung, daß die actio ex l. 2. C. de resc. vend. in Praxi den geringsten Nutzen nicht habe, wenn solche recht eingesehen wird, durch diesen gegenwärtigen Handel wenig oder nichts abgehen, sondern dieselbe vielmehr durch dieses Exempel bekräfftiget werden, es möge nun mit der in der gerichtlichen Extension renuncirten Exception laesionis ultra dimidium beschaffen seyn, wie es wolle. §. XIII. Nun möchte wohl mancher auf die Gedancken gerathen; daß wenn Wir dieser Meynung wären, Wir sehr übel gethan, daß Wir das erste J. Urtheil bekräfftiget, und nicht aus diesen Ursachen den Beklagten alsobald schlechterdings von der Klage absolviret hätten, zumahl, da selbige aus denen von beyden Theilen angeführten Contracten deutlich zu sehen wären, und von keinen Theil ohne offenbare Unwahrheit nunmehro geleugnet werden könnten. Wir pflegten ja sonst über die unseelige Weitläufftigkeit der Processe vielfältig zu klagen, und hielten doch in gegenwärtigen Handel den Proceß muthwillig selbsten auf. Alleine es ist leichtlich auf diese Objection zu antworten. Die Collegia Juridica sind an die Proceß-Ordnungen gebunden, und nicht befugt sub praetextu daß sie secundum veritatem facti sprächen, Machtsprüche zu thun. Dieses letzte kömmet nur denen Regenten zu. Wer wolte einen Unterrichter entschuldigen, wenn er in der Huhren-Sache, die für dem König Salomon um das todte und lebendige Kind stritten, ein dem Machtspruch des Königs gleichförmliches Urtheil sprechen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/362>, abgerufen am 21.11.2024.