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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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wie man solches auf gegenwärtigen Fall zu appliciren habe: Den Jüden, sagt er, I. Cor. 9. v. 20. 21. 22. bin ich worden, als ein Jüde, auf daß ich die Jüden gewinne; denen die unter dem Gesetz sind (das waren die Jüden) bin ich worden als unter dem Gesetz (ich habe mich angestellet, als ob ich ein Jüde wäre) auf daß ich die, so unter dem Gesetz sind (das ist die Jüden) gewinne. Denen die ohne Gesetz sind (denen Heyden) bin ich als ohne Gesetz worden (ich habe mich bey ihnen angestellet, als ob ich kein Jude, sondern ein Heyde wäre) auf daß ich die so ohne Gesetz sind, gewinne: den Schwachen bin ich worden, als ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne. Ich bin jederman allerley worden, auf daß ich allenthalben ja etliche seelig mache. Ist es hierinne nicht deutlich genung enthalten, daß ein Christ, als der gleichfalls nicht mehr unter dem Mosaischen Gesetz lebet, wenn er anders eine Christliche und gute Intention hat, die Catholischen zu gewinnen, auch denen Catholischen als ein Catholischer werden könne, und den Unterscheid der Religions-Ceremonien sich darvon nicht abhalten lassen, noch dieselben als ein unrechtes und verbotenes Mittel ansehen solle.

Daß man in Ubertretung zu denen Catholischen Christum nicht verläugne.

XXI. Solte aber sich noch ferner hierbey jemand ein Gewissen machen wollen aus dem Spruch unseres Heylandes Luc. XII. v. 8. 9. Wer mich bekennet für den Menschen, den wird auch des Menschen Sohn bekennen für den Engeln GOttes: wer mich aber verläugnet für den Menschen, der wird verläugnet werden für den Engeln GOttes, u. s. w. der kan dasselbige hinwiederum leichtlich befriedigen, wenn er erweget, daß dieser Spruch sich gleichfalls nicht auf gegenwärtigen Fall schicke. Denn weil, wie bey der ersten Frage angeführet worden, in der Catholischen Religion Christus und seine heilige Sacramenta anzutreffen sind, wie solte man sagen können, daß man Christum verläugne, wenn man zu der Catholischen Religion trete. Zugeschweigen daß die Verläugnung Christi und des Glaubens an ihm gantz in was anders, als in den euserlichen Ceremonien des Gottesdiensts, bestehe, wie es denn die heilige Schrifft neues Bundes selbst deutlich genung erklähret, wenn sie an unterschiedenen Orten lehret, daß dergleichen Verläugnung geschehe: Wenn man die Seinen, sonderlich seine Haußgenossen nicht versorget, I. Tim. V. v. 8. Wenn man in Ungedult wider das von GOtt aufgelegte Leiden murret, II. Tim. 2. v. 12. Wenn man geitzig, ruhmräthig, hoffärtig, den Eltern ungehorsam, und anckbar, wohllüstig, und sonst lasterhafft ist.

wie man solches auf gegenwärtigen Fall zu appliciren habe: Den Jüden, sagt er, I. Cor. 9. v. 20. 21. 22. bin ich worden, als ein Jüde, auf daß ich die Jüden gewinne; denen die unter dem Gesetz sind (das waren die Jüden) bin ich worden als unter dem Gesetz (ich habe mich angestellet, als ob ich ein Jüde wäre) auf daß ich die, so unter dem Gesetz sind (das ist die Jüden) gewinne. Denen die ohne Gesetz sind (denen Heyden) bin ich als ohne Gesetz worden (ich habe mich bey ihnen angestellet, als ob ich kein Jude, sondern ein Heyde wäre) auf daß ich die so ohne Gesetz sind, gewinne: den Schwachen bin ich worden, als ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne. Ich bin jederman allerley worden, auf daß ich allenthalben ja etliche seelig mache. Ist es hierinne nicht deutlich genung enthalten, daß ein Christ, als der gleichfalls nicht mehr unter dem Mosaischen Gesetz lebet, wenn er anders eine Christliche und gute Intention hat, die Catholischen zu gewinnen, auch denen Catholischen als ein Catholischer werden könne, und den Unterscheid der Religions-Ceremonien sich darvon nicht abhalten lassen, noch dieselben als ein unrechtes und verbotenes Mittel ansehen solle.

Daß man in Ubertretung zu denen Catholischen Christum nicht verläugne.

XXI. Solte aber sich noch ferner hierbey jemand ein Gewissen machen wollen aus dem Spruch unseres Heylandes Luc. XII. v. 8. 9. Wer mich bekennet für den Menschen, den wird auch des Menschen Sohn bekennen für den Engeln GOttes: wer mich aber verläugnet für den Menschen, der wird verläugnet werden für den Engeln GOttes, u. s. w. der kan dasselbige hinwiederum leichtlich befriedigen, wenn er erweget, daß dieser Spruch sich gleichfalls nicht auf gegenwärtigen Fall schicke. Denn weil, wie bey der ersten Frage angeführet worden, in der Catholischen Religion Christus und seine heilige Sacramenta anzutreffen sind, wie solte man sagen können, daß man Christum verläugne, wenn man zu der Catholischen Religion trete. Zugeschweigen daß die Verläugnung Christi und des Glaubens an ihm gantz in was anders, als in den euserlichen Ceremonien des Gottesdiensts, bestehe, wie es denn die heilige Schrifft neues Bundes selbst deutlich genung erklähret, wenn sie an unterschiedenen Orten lehret, daß dergleichen Verläugnung geschehe: Wenn man die Seinen, sonderlich seine Haußgenossen nicht versorget, I. Tim. V. v. 8. Wenn man in Ungedult wider das von GOtt aufgelegte Leiden murret, II. Tim. 2. v. 12. Wenn man geitzig, ruhmräthig, hoffärtig, den Eltern ungehorsam, und anckbar, wohllüstig, und sonst lasterhafft ist.

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wie man solches auf gegenwärtigen Fall                      zu appliciren habe: Den Jüden, sagt er, I. Cor. 9. v. 20. 21. 22. bin ich                      worden, als ein Jüde, auf daß ich die Jüden gewinne; denen die unter dem Gesetz                      sind (das waren die Jüden) bin ich worden als unter dem Gesetz (ich habe mich                      angestellet, als ob ich ein Jüde wäre) auf daß ich die, so unter dem Gesetz sind                      (das ist die Jüden) gewinne. Denen die ohne Gesetz sind (denen Heyden) bin ich                      als ohne Gesetz worden (ich habe mich bey ihnen angestellet, als ob ich kein                      Jude, sondern ein Heyde wäre) auf daß ich die so ohne Gesetz sind, gewinne: den                      Schwachen bin ich worden, als ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne.                      Ich bin jederman allerley worden, auf daß ich allenthalben ja etliche seelig                      mache. Ist es hierinne nicht deutlich genung enthalten, daß ein Christ, als der                      gleichfalls nicht mehr unter dem Mosaischen Gesetz lebet, wenn er anders eine                      Christliche und gute Intention hat, die Catholischen zu gewinnen, auch denen                      Catholischen als ein Catholischer werden könne, und den Unterscheid der                      Religions-Ceremonien sich darvon nicht abhalten lassen, noch dieselben als ein                      unrechtes und verbotenes Mittel ansehen solle.</p>
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[18/0026] wie man solches auf gegenwärtigen Fall zu appliciren habe: Den Jüden, sagt er, I. Cor. 9. v. 20. 21. 22. bin ich worden, als ein Jüde, auf daß ich die Jüden gewinne; denen die unter dem Gesetz sind (das waren die Jüden) bin ich worden als unter dem Gesetz (ich habe mich angestellet, als ob ich ein Jüde wäre) auf daß ich die, so unter dem Gesetz sind (das ist die Jüden) gewinne. Denen die ohne Gesetz sind (denen Heyden) bin ich als ohne Gesetz worden (ich habe mich bey ihnen angestellet, als ob ich kein Jude, sondern ein Heyde wäre) auf daß ich die so ohne Gesetz sind, gewinne: den Schwachen bin ich worden, als ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne. Ich bin jederman allerley worden, auf daß ich allenthalben ja etliche seelig mache. Ist es hierinne nicht deutlich genung enthalten, daß ein Christ, als der gleichfalls nicht mehr unter dem Mosaischen Gesetz lebet, wenn er anders eine Christliche und gute Intention hat, die Catholischen zu gewinnen, auch denen Catholischen als ein Catholischer werden könne, und den Unterscheid der Religions-Ceremonien sich darvon nicht abhalten lassen, noch dieselben als ein unrechtes und verbotenes Mittel ansehen solle. XXI. Solte aber sich noch ferner hierbey jemand ein Gewissen machen wollen aus dem Spruch unseres Heylandes Luc. XII. v. 8. 9. Wer mich bekennet für den Menschen, den wird auch des Menschen Sohn bekennen für den Engeln GOttes: wer mich aber verläugnet für den Menschen, der wird verläugnet werden für den Engeln GOttes, u. s. w. der kan dasselbige hinwiederum leichtlich befriedigen, wenn er erweget, daß dieser Spruch sich gleichfalls nicht auf gegenwärtigen Fall schicke. Denn weil, wie bey der ersten Frage angeführet worden, in der Catholischen Religion Christus und seine heilige Sacramenta anzutreffen sind, wie solte man sagen können, daß man Christum verläugne, wenn man zu der Catholischen Religion trete. Zugeschweigen daß die Verläugnung Christi und des Glaubens an ihm gantz in was anders, als in den euserlichen Ceremonien des Gottesdiensts, bestehe, wie es denn die heilige Schrifft neues Bundes selbst deutlich genung erklähret, wenn sie an unterschiedenen Orten lehret, daß dergleichen Verläugnung geschehe: Wenn man die Seinen, sonderlich seine Haußgenossen nicht versorget, I. Tim. V. v. 8. Wenn man in Ungedult wider das von GOtt aufgelegte Leiden murret, II. Tim. 2. v. 12. Wenn man geitzig, ruhmräthig, hoffärtig, den Eltern ungehorsam, und anckbar, wohllüstig, und sonst lasterhafft ist.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/26>, abgerufen am 24.04.2024.