Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

er solte sehen, daß er seine Nachbarn mit guten Worten dahin disponirte, daß sie gleichfalls diese Bettler abwiesen, so wäre diese Unart ohne Klagen und Beschwerung gehoben. Wenn er aber diese nicht dazu bringen könte, würde es viel schwerer hergehen, wenn er sich bey der Landes-Obrigkeit über diejenigen, die diesen Unfug billich steuren solten und es doch nicht thäten / beschwerete; Es könten wohl dergleichen Erinnerungen ohne Klagen und Hefftigkeit in einen discurs geschehen, wenn man mit Leuten, die solche Unordnungen verbieten solten, in Gesellschafft wäre; aber zu klagen könte ich nicht rathen. Wer von Jugend anff nicht verzärtelt, oder auff münchische Art aufferzogen wäre, könne sich wohl angewöhnen auch bey grossen euserlichen Tumult und Geschrey zu studiren, auch nützliche oder tieffsinnige Dinge zu meditiren. Es ist ja von Archimede bekannt, der doch eine Heyde war, daß er eben zu der Zeit da die Stadt eingenommen wurde, in seinen mathematischen meditationibus gantz nicht durch den Tumult und das Geschrey, das bey Einnehmung der Städte zu geschehen pfleget, gehindert wurde, und wir, die wir Christliche Philosophen heißen sollen oder wollen, sind so ungezogen unleidlich, daß wir praetendiren, es solle und müße alles stille seyn, wenn wir studiren, ja wir bilden uns ein, daß durch unser Lehren die gantze Welt erleuchtet werde, (wie durch Finstere Laternen) so haben uns die Papistischen reliquien der allgemeinen thörichten Lehren den Verstand verblendet und uns beynahe zu formalen Thoren gemacht &c.

Ingleichen von Wiederaufflegung des Büchleins Rebuffi und dessen Nutzen.

§. V. Deßwegen hat der Herr Hoffrath Ludovici sehr löblich gethan, daß er allbereit anno 1705 über offtbesagtes Buch des Rebuffi de privilegiis studiosorum observationes drucken lassen und über dieselbige publice gelesen auch denen unpartheyischen deutlich gezeuget, daß die meisten von Rebuffo angegebene privilegia studiosorum falsch und ungegründet wären, auch Rebuffus hin und wieder ungeschickte Dinge mit einmische. Ich wolte aber wündschen, daß ein Buchführer dieses Buch des Rebuffi selbst, weil es ohne dem rar ist, wieder auflegte, zu mahl es nur etwa aus etliche und funffzig Bogen bestehet. Denn man könte daraus wahrnehmen, wie zwar Rebuffus nicht zu verdencken gewesen, daß er die damahls herrschenden sottisen der Glossatorum auch gelehret, aber wir uns billich schämen solten, daß wir noch heute an vielen derselben allzufeste kleben. So finde ich auch an Rebuffo eine fröliche Schreibarth, und ein ziemliches judicium, welches er besser würde angewendet haben, wenn er zu unseren Zeiten gelebt hätte. Ja

er solte sehen, daß er seine Nachbarn mit guten Worten dahin disponirte, daß sie gleichfalls diese Bettler abwiesen, so wäre diese Unart ohne Klagen und Beschwerung gehoben. Wenn er aber diese nicht dazu bringen könte, würde es viel schwerer hergehen, wenn er sich bey der Landes-Obrigkeit über diejenigen, die diesen Unfug billich steuren solten und es doch nicht thäten / beschwerete; Es könten wohl dergleichen Erinnerungen ohne Klagen und Hefftigkeit in einen discurs geschehen, wenn man mit Leuten, die solche Unordnungen verbieten solten, in Gesellschafft wäre; aber zu klagen könte ich nicht rathen. Wer von Jugend anff nicht verzärtelt, oder auff münchische Art aufferzogen wäre, könne sich wohl angewöhnen auch bey grossen euserlichen Tumult und Geschrey zu studiren, auch nützliche oder tieffsinnige Dinge zu meditiren. Es ist ja von Archimede bekannt, der doch eine Heyde war, daß er eben zu der Zeit da die Stadt eingenommen wurde, in seinen mathematischen meditationibus gantz nicht durch den Tumult und das Geschrey, das bey Einnehmung der Städte zu geschehen pfleget, gehindert wurde, und wir, die wir Christliche Philosophen heißen sollen oder wollen, sind so ungezogen unleidlich, daß wir praetendiren, es solle und müße alles stille seyn, wenn wir studiren, ja wir bilden uns ein, daß durch unser Lehren die gantze Welt erleuchtet werde, (wie durch Finstere Laternen) so haben uns die Papistischen reliquien der allgemeinen thörichten Lehren den Verstand verblendet und uns beynahe zu formalen Thoren gemacht &c.

Ingleichen von Wiederaufflegung des Büchleins Rebuffi und dessen Nutzen.

§. V. Deßwegen hat der Herr Hoffrath Ludovici sehr löblich gethan, daß er allbereit anno 1705 über offtbesagtes Buch des Rebuffi de privilegiis studiosorum observationes drucken lassen und über dieselbige publice gelesen auch denen unpartheyischen deutlich gezeuget, daß die meisten von Rebuffo angegebene privilegia studiosorum falsch und ungegründet wären, auch Rebuffus hin und wieder ungeschickte Dinge mit einmische. Ich wolte aber wündschen, daß ein Buchführer dieses Buch des Rebuffi selbst, weil es ohne dem rar ist, wieder auflegte, zu mahl es nur etwa aus etliche und funffzig Bogen bestehet. Denn man könte daraus wahrnehmen, wie zwar Rebuffus nicht zu verdencken gewesen, daß er die damahls herrschenden sottisen der Glossatorum auch gelehret, aber wir uns billich schämen solten, daß wir noch heute an vielen derselben allzufeste kleben. So finde ich auch an Rebuffo eine fröliche Schreibarth, und ein ziemliches judicium, welches er besser würde angewendet haben, wenn er zu unseren Zeiten gelebt hätte. Ja

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0372" n="366"/>
er solte                      sehen, daß er seine Nachbarn mit guten Worten dahin disponirte, daß sie                      gleichfalls diese Bettler abwiesen, so wäre diese Unart ohne Klagen und                      Beschwerung gehoben. Wenn er aber diese nicht dazu bringen könte, würde es viel                      schwerer hergehen, wenn er sich bey der Landes-Obrigkeit über diejenigen, die                      diesen Unfug billich steuren solten und es doch nicht thäten / beschwerete; Es                      könten wohl dergleichen Erinnerungen ohne Klagen und Hefftigkeit in einen                      discurs geschehen, wenn man mit Leuten, die solche Unordnungen verbieten solten,                      in Gesellschafft wäre; aber zu klagen könte ich nicht rathen. Wer von Jugend                      anff nicht verzärtelt, oder auff münchische Art aufferzogen wäre, könne sich                      wohl angewöhnen auch bey grossen euserlichen Tumult und Geschrey zu studiren,                      auch nützliche oder tieffsinnige Dinge zu meditiren. Es ist ja von Archimede                      bekannt, der doch eine Heyde war, daß er eben zu der Zeit da die Stadt                      eingenommen wurde, in seinen mathematischen meditationibus gantz nicht durch den                      Tumult und das Geschrey, das bey Einnehmung der Städte zu geschehen pfleget,                      gehindert wurde, und wir, die wir Christliche Philosophen heißen sollen oder                      wollen, sind so ungezogen unleidlich, daß wir praetendiren, es solle und müße                      alles stille seyn, wenn wir studiren, ja wir bilden uns ein, daß durch unser                      Lehren die gantze Welt erleuchtet werde, (wie durch Finstere Laternen) so haben                      uns die Papistischen reliquien der allgemeinen thörichten Lehren den Verstand                      verblendet und uns beynahe zu formalen Thoren gemacht &amp;c.</p>
        <note place="left">Ingleichen von Wiederaufflegung des Büchleins <hi rendition="#i">Rebuffi</hi> und dessen Nutzen.</note>
        <p>§. V. Deßwegen hat der Herr Hoffrath Ludovici sehr löblich gethan, daß er                      allbereit anno 1705 über offtbesagtes Buch des Rebuffi de privilegiis                      studiosorum observationes drucken lassen und über dieselbige publice gelesen                      auch denen unpartheyischen deutlich gezeuget, daß die meisten von Rebuffo                      angegebene privilegia studiosorum falsch und ungegründet wären, auch Rebuffus                      hin und wieder ungeschickte Dinge mit einmische. Ich wolte aber wündschen, daß                      ein Buchführer dieses Buch des Rebuffi selbst, weil es ohne dem rar ist, wieder                      auflegte, zu mahl es nur etwa aus etliche und funffzig Bogen bestehet. Denn man                      könte daraus wahrnehmen, wie zwar Rebuffus nicht zu verdencken gewesen, daß er                      die damahls herrschenden sottisen der Glossatorum auch gelehret, aber wir uns                      billich schämen solten, daß wir noch heute an vielen derselben allzufeste                      kleben. So finde ich auch an Rebuffo eine fröliche Schreibarth, und ein                      ziemliches judicium, welches er besser würde angewendet haben, wenn er zu                      unseren Zeiten gelebt hätte. Ja
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0372] er solte sehen, daß er seine Nachbarn mit guten Worten dahin disponirte, daß sie gleichfalls diese Bettler abwiesen, so wäre diese Unart ohne Klagen und Beschwerung gehoben. Wenn er aber diese nicht dazu bringen könte, würde es viel schwerer hergehen, wenn er sich bey der Landes-Obrigkeit über diejenigen, die diesen Unfug billich steuren solten und es doch nicht thäten / beschwerete; Es könten wohl dergleichen Erinnerungen ohne Klagen und Hefftigkeit in einen discurs geschehen, wenn man mit Leuten, die solche Unordnungen verbieten solten, in Gesellschafft wäre; aber zu klagen könte ich nicht rathen. Wer von Jugend anff nicht verzärtelt, oder auff münchische Art aufferzogen wäre, könne sich wohl angewöhnen auch bey grossen euserlichen Tumult und Geschrey zu studiren, auch nützliche oder tieffsinnige Dinge zu meditiren. Es ist ja von Archimede bekannt, der doch eine Heyde war, daß er eben zu der Zeit da die Stadt eingenommen wurde, in seinen mathematischen meditationibus gantz nicht durch den Tumult und das Geschrey, das bey Einnehmung der Städte zu geschehen pfleget, gehindert wurde, und wir, die wir Christliche Philosophen heißen sollen oder wollen, sind so ungezogen unleidlich, daß wir praetendiren, es solle und müße alles stille seyn, wenn wir studiren, ja wir bilden uns ein, daß durch unser Lehren die gantze Welt erleuchtet werde, (wie durch Finstere Laternen) so haben uns die Papistischen reliquien der allgemeinen thörichten Lehren den Verstand verblendet und uns beynahe zu formalen Thoren gemacht &c. §. V. Deßwegen hat der Herr Hoffrath Ludovici sehr löblich gethan, daß er allbereit anno 1705 über offtbesagtes Buch des Rebuffi de privilegiis studiosorum observationes drucken lassen und über dieselbige publice gelesen auch denen unpartheyischen deutlich gezeuget, daß die meisten von Rebuffo angegebene privilegia studiosorum falsch und ungegründet wären, auch Rebuffus hin und wieder ungeschickte Dinge mit einmische. Ich wolte aber wündschen, daß ein Buchführer dieses Buch des Rebuffi selbst, weil es ohne dem rar ist, wieder auflegte, zu mahl es nur etwa aus etliche und funffzig Bogen bestehet. Denn man könte daraus wahrnehmen, wie zwar Rebuffus nicht zu verdencken gewesen, daß er die damahls herrschenden sottisen der Glossatorum auch gelehret, aber wir uns billich schämen solten, daß wir noch heute an vielen derselben allzufeste kleben. So finde ich auch an Rebuffo eine fröliche Schreibarth, und ein ziemliches judicium, welches er besser würde angewendet haben, wenn er zu unseren Zeiten gelebt hätte. Ja

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/372
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/372>, abgerufen am 03.12.2024.