Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.schriebenen Verordnung gemäß, verfahren, weniger Appellant gradatim citiret, und mit seiner Nothdurfft gehöret worden, auch die ungewöhnliche Straffe der 100. Thlr. durch die fol. 15. vorgebrachte, auch noch unerwiesene Entschuldigung nicht justificiret, aber wohl a superiori ex titulo: quod quisque juris &c. wieder Appellaten gebrauchet werden mag, und solchergestalt Appellant zu appelliren und Unkosten aufzuwenden genöthiget worden; So ist, wie in dem Urthel enthalten, zuerkennen gewesen. § III, Gleich wie nun in vorigen casu der Rath, wenn er nichtDer andre Casus, von einen ungemein raren falso, dergleichen sonst nirgends zu finden. von Affecten eingenommen gewesen wäre, leicht hätte begreiffen können, daß der Judex superior den Bürger schützen und die Haltung der Chaise und Pferde für keine straffbahre That halten würde, also würde auch der Adeliche Gerichtshalter (denn daß der Gerichts-Herr selbst Urheber von der itzo zu erzehlenden Thorheit gewesen seyn solle, solte ich aus vielen Ursachen nicht meynen) noch vielweniger sich und seinen Gerichts-Herrn bey der Regierung des Orts mit unzeitiger Verfolgung einer armen Bäuerin prostituiret haben, wenn er seinen Zorn und Haß sich nicht verblenden lassen, den titulum ad Legem Corneliam de falsis mit falschen Augen anzusehen, welcher casus uns in eben demselben 1695. Jahre im September zugeschickt wurde und in folgenden Umständen Besag der Acten bestunde. Es hatte eine Bauers-Frau als ihr Mann gestorben, ihm auf sein Grab einen Leichenstein legen lassen, und auf denselben unter andern mit einhauen lassen, daß derselbe sich anno 1667. mit Jungfer Marien N. (nehmlich mit ihr der damahligen Wittbe) verehliget. Sie hatte ferner auf den Leichenstein einen gantz andern Spruch aus der Heiligen Schrifft hauen lassen, als ihr Mann sich zum Leichen-Text erwehlethatte, und in dessen Leich Predigt ware erklähret worden. Aus diesen beyden Umbständen, und sonderlich aus dem ersten machte der Herr Gerichts-director ein crimen falsi, weil nehmlich die Wittbe nach der Trauung etliche Monat und, wie angegeben wurde, 15. Wochen zu zeitig hatte tauffen lassen, und also zur Zeit der Trauung keine Jungfer mehr gewesen, und wolte deßwegen, und weil über dieses auff dem Leichsteine etliche Vergüldungen zu finden, als welcher Pracht keinen Bauer zukäme, die Inquisition wieder die Wittwe anstellen. Als sich aber die Wittib deßhalb bey der Cantzeley beschwerte, und unter andern daß ihr gar 100. fl. Straffe angesonnen würde sich beklagte, und die Cantzeley ihr, wie leicht zu begreiffen, ein favorable Rescript ertheilt, und dem Adelichen Gerichten in dieser Sache ferner zu verfahren, inhibirte, er zürneten sich diese über die Frau noch mehr, das sie ein neues crimen schriebenen Verordnung gemäß, verfahren, weniger Appellant gradatim citiret, und mit seiner Nothdurfft gehöret worden, auch die ungewöhnliche Straffe der 100. Thlr. durch die fol. 15. vorgebrachte, auch noch unerwiesene Entschuldigung nicht justificiret, aber wohl a superiori ex titulo: quod quisque juris &c. wieder Appellaten gebrauchet werden mag, und solchergestalt Appellant zu appelliren und Unkosten aufzuwenden genöthiget worden; So ist, wie in dem Urthel enthalten, zuerkennen gewesen. § III, Gleich wie nun in vorigen casu der Rath, wenn er nichtDer andre Casus, von einen ungemein raren falso, dergleichen sonst nirgends zu finden. von Affecten eingenommen gewesen wäre, leicht hätte begreiffen können, daß der Judex superior den Bürger schützen und die Haltung der Chaise und Pferde für keine straffbahre That halten würde, also würde auch der Adeliche Gerichtshalter (denn daß der Gerichts-Herr selbst Urheber von der itzo zu erzehlenden Thorheit gewesen seyn solle, solte ich aus vielen Ursachen nicht meynen) noch vielweniger sich und seinen Gerichts-Herrn bey der Regierung des Orts mit unzeitiger Verfolgung einer armen Bäuerin prostituiret haben, wenn er seinen Zorn und Haß sich nicht verblenden lassen, den titulum ad Legem Corneliam de falsis mit falschen Augen anzusehen, welcher casus uns in eben demselben 1695. Jahre im September zugeschickt wurde und in folgenden Umständen Besag der Acten bestunde. Es hatte eine Bauers-Frau als ihr Mann gestorben, ihm auf sein Grab einen Leichenstein legen lassen, und auf denselben unter andern mit einhauen lassen, daß derselbe sich anno 1667. mit Jungfer Marien N. (nehmlich mit ihr der damahligen Wittbe) verehliget. Sie hatte ferner auf den Leichenstein einen gantz andern Spruch aus der Heiligen Schrifft hauen lassen, als ihr Mann sich zum Leichen-Text erwehlethatte, und in dessen Leich Predigt ware erklähret worden. Aus diesen beyden Umbständen, und sonderlich aus dem ersten machte der Herr Gerichts-director ein crimen falsi, weil nehmlich die Wittbe nach der Trauung etliche Monat und, wie angegeben wurde, 15. Wochen zu zeitig hatte tauffen lassen, und also zur Zeit der Trauung keine Jungfer mehr gewesen, und wolte deßwegen, und weil über dieses auff dem Leichsteine etliche Vergüldungen zu finden, als welcher Pracht keinen Bauer zukäme, die Inquisition wieder die Wittwe anstellen. Als sich aber die Wittib deßhalb bey der Cantzeley beschwerte, und unter andern daß ihr gar 100. fl. Straffe angesonnen würde sich beklagte, und die Cantzeley ihr, wie leicht zu begreiffen, ein favorable Rescript ertheilt, und dem Adelichen Gerichten in dieser Sache ferner zu verfahren, inhibirte, er zürneten sich diese über die Frau noch mehr, das sie ein neues crimen <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0297" n="291"/> schriebenen Verordnung gemäß, verfahren, weniger Appellant gradatim citiret, und mit seiner Nothdurfft gehöret worden, auch die ungewöhnliche Straffe der 100. Thlr. durch die fol. 15. vorgebrachte, auch noch unerwiesene Entschuldigung nicht justificiret, aber wohl a superiori ex titulo: quod quisque juris &c. wieder Appellaten gebrauchet werden mag, und solchergestalt Appellant zu appelliren und Unkosten aufzuwenden genöthiget worden; So ist, wie in dem Urthel enthalten, zuerkennen gewesen.</p> <p>§ III, Gleich wie nun in vorigen casu der Rath, wenn er nicht<note place="right">Der andre <hi rendition="#i">Casus</hi>, von einen ungemein raren <hi rendition="#i">falso</hi>, dergleichen sonst nirgends zu finden.</note> von Affecten eingenommen gewesen wäre, leicht hätte begreiffen können, daß der Judex superior den Bürger schützen und die Haltung der Chaise und Pferde für keine straffbahre That halten würde, also würde auch der Adeliche Gerichtshalter (denn daß der Gerichts-Herr selbst Urheber von der itzo zu erzehlenden Thorheit gewesen seyn solle, solte ich aus vielen Ursachen nicht meynen) noch vielweniger sich und seinen Gerichts-Herrn bey der Regierung des Orts mit unzeitiger Verfolgung einer armen Bäuerin prostituiret haben, wenn er seinen Zorn und Haß sich nicht verblenden lassen, den titulum ad Legem Corneliam de falsis mit falschen Augen anzusehen, welcher casus uns in eben demselben 1695. Jahre im September zugeschickt wurde und in folgenden Umständen Besag der Acten bestunde. Es hatte eine Bauers-Frau als ihr Mann gestorben, ihm auf sein Grab einen Leichenstein legen lassen, und auf denselben unter andern mit einhauen lassen, daß derselbe sich anno 1667. mit Jungfer Marien N. (nehmlich mit ihr der damahligen Wittbe) verehliget. Sie hatte ferner auf den Leichenstein einen gantz andern Spruch aus der Heiligen Schrifft hauen lassen, als ihr Mann sich zum Leichen-Text erwehlethatte, und in dessen Leich Predigt ware erklähret worden. Aus diesen beyden Umbständen, und sonderlich aus dem ersten machte der Herr Gerichts-director ein crimen falsi, weil nehmlich die Wittbe nach der Trauung etliche Monat und, wie angegeben wurde, 15. Wochen zu zeitig hatte tauffen lassen, und also zur Zeit der Trauung keine Jungfer mehr gewesen, und wolte deßwegen, und weil über dieses auff dem Leichsteine etliche Vergüldungen zu finden, als welcher Pracht keinen Bauer zukäme, die Inquisition wieder die Wittwe anstellen. Als sich aber die Wittib deßhalb bey der Cantzeley beschwerte, und unter andern daß ihr gar 100. fl. Straffe angesonnen würde sich beklagte, und die Cantzeley ihr, wie leicht zu begreiffen, ein favorable Rescript ertheilt, und dem Adelichen Gerichten in dieser Sache ferner zu verfahren, inhibirte, er zürneten sich diese über die Frau noch mehr, das sie ein neues crimen </p> </div> </body> </text> </TEI> [291/0297]
schriebenen Verordnung gemäß, verfahren, weniger Appellant gradatim citiret, und mit seiner Nothdurfft gehöret worden, auch die ungewöhnliche Straffe der 100. Thlr. durch die fol. 15. vorgebrachte, auch noch unerwiesene Entschuldigung nicht justificiret, aber wohl a superiori ex titulo: quod quisque juris &c. wieder Appellaten gebrauchet werden mag, und solchergestalt Appellant zu appelliren und Unkosten aufzuwenden genöthiget worden; So ist, wie in dem Urthel enthalten, zuerkennen gewesen.
§ III, Gleich wie nun in vorigen casu der Rath, wenn er nicht von Affecten eingenommen gewesen wäre, leicht hätte begreiffen können, daß der Judex superior den Bürger schützen und die Haltung der Chaise und Pferde für keine straffbahre That halten würde, also würde auch der Adeliche Gerichtshalter (denn daß der Gerichts-Herr selbst Urheber von der itzo zu erzehlenden Thorheit gewesen seyn solle, solte ich aus vielen Ursachen nicht meynen) noch vielweniger sich und seinen Gerichts-Herrn bey der Regierung des Orts mit unzeitiger Verfolgung einer armen Bäuerin prostituiret haben, wenn er seinen Zorn und Haß sich nicht verblenden lassen, den titulum ad Legem Corneliam de falsis mit falschen Augen anzusehen, welcher casus uns in eben demselben 1695. Jahre im September zugeschickt wurde und in folgenden Umständen Besag der Acten bestunde. Es hatte eine Bauers-Frau als ihr Mann gestorben, ihm auf sein Grab einen Leichenstein legen lassen, und auf denselben unter andern mit einhauen lassen, daß derselbe sich anno 1667. mit Jungfer Marien N. (nehmlich mit ihr der damahligen Wittbe) verehliget. Sie hatte ferner auf den Leichenstein einen gantz andern Spruch aus der Heiligen Schrifft hauen lassen, als ihr Mann sich zum Leichen-Text erwehlethatte, und in dessen Leich Predigt ware erklähret worden. Aus diesen beyden Umbständen, und sonderlich aus dem ersten machte der Herr Gerichts-director ein crimen falsi, weil nehmlich die Wittbe nach der Trauung etliche Monat und, wie angegeben wurde, 15. Wochen zu zeitig hatte tauffen lassen, und also zur Zeit der Trauung keine Jungfer mehr gewesen, und wolte deßwegen, und weil über dieses auff dem Leichsteine etliche Vergüldungen zu finden, als welcher Pracht keinen Bauer zukäme, die Inquisition wieder die Wittwe anstellen. Als sich aber die Wittib deßhalb bey der Cantzeley beschwerte, und unter andern daß ihr gar 100. fl. Straffe angesonnen würde sich beklagte, und die Cantzeley ihr, wie leicht zu begreiffen, ein favorable Rescript ertheilt, und dem Adelichen Gerichten in dieser Sache ferner zu verfahren, inhibirte, er zürneten sich diese über die Frau noch mehr, das sie ein neues crimen
Der andre Casus, von einen ungemein raren falso, dergleichen sonst nirgends zu finden.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/297>, abgerufen am 16.02.2025. |