Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

den, daß er durch unzüchtige Griffe ihr einen Schaden in Liebe gethan hätte, wannenhero auch die Prediger des Orths über diese Sache, daß sie nicht untersucht würde, eyfferten. Da nun auch von denen Predigern gewisse Weibes-Personen, als welche umb die Sache wissen solten, benennet wurden, ließ der eine Bürgemeister eine Schedulam an andre membra Senatus abschicken, in welcher er Vorstellung that, daß es nöthig seyn würde, obgemeldete Weibes-Personen vorzufodern und abzuhören. Als nun der Actuarius davon Nachricht überkommen, hatte er alsbald darwieder protestiret und wieder den Burgemeister excipiret, auch die angegebenen Weibes-Personen als diffamanten belanget, worauf aber kein decretum bey denen actis zu befinden, sondern vielmehr diesen des Actuarii Suchen eine förmliche denunciation war beygeleget worden, darinnen der verstorbenen Weibes-Person Vater Joachim F. nebst seiner Ehefrauen selbst denuncireten, daß der Actuarius die Verstorbene nothzüchtigen wollen, und als er dazu nicht gelangen können, an ihr unziemliche Grieffe gethan, mit solcher Gewalt, daß wo nicht der Uterus gäntzlich zerrissen, dannoch einige vasa verletzet worden, worauf sie erkrancket wäre, stets in Blute gelegen, und nach vier Wochen hätte sterben müssen: so wäre auch nach ihren Todte an dem Unterleibe eine hefftige Geschwulst gefunden worden. Der Actuarius hatte hierauf copiam denunciationis begehret, war aber in actis abermahl kein decretum darauf zu befinden. Vermuthlich war denen andern Raths-Herren verdächtig vorkommen, daß diese denunciatio erst so spät einkäme, nachdem der Actuarius schon wieder den Burgemeister excipiret hatte; und daß man nicht eine Besichtigung und Section für der Begräbnüß angestellet. So war auch allen Ansehen nach zu befahren, daß die angegebenen Weibes-Personen meistentheils de auditu alieno deponiren würden, und hatte der dortige Inspector selbst dieses Vorgeben von der denunciation des Vaters, für einen närrischen Bericht gehalten, der ihm sehr suspect vorgekommen. Hierauff hatte der Burgemeister sich nach Hoffe gewendet, und daselbst sich über seine Collegen beklagt, auch den Actuarium nahmentlich dieser That beschuldiget. Da nun per rescriptum dem Senatui verwiesen worden, daß sie nicht mit der Inquisition verfahren hätten, nebst Befehl die acta einzuschicken, hatte der Rath Relation abgestattet, und sich hauptsächlich damit entschuldiget, daß der Burgemeister die denunciation und des Actuarii Supplicata ohne Vorwissen der übrigen membrorum zu sich genommen, auch bißher nicht einlieffern wollen, wannenhero auch bey Zurückschickung der Acten per

den, daß er durch unzüchtige Griffe ihr einen Schaden in Liebe gethan hätte, wannenhero auch die Prediger des Orths über diese Sache, daß sie nicht untersucht würde, eyfferten. Da nun auch von denen Predigern gewisse Weibes-Personen, als welche umb die Sache wissen solten, benennet wurden, ließ der eine Bürgemeister eine Schedulam an andre membra Senatus abschicken, in welcher er Vorstellung that, daß es nöthig seyn würde, obgemeldete Weibes-Personen vorzufodern und abzuhören. Als nun der Actuarius davon Nachricht überkommen, hatte er alsbald darwieder protestiret und wieder den Burgemeister excipiret, auch die angegebenen Weibes-Personen als diffamanten belanget, worauf aber kein decretum bey denen actis zu befinden, sondern vielmehr diesen des Actuarii Suchen eine förmliche denunciation war beygeleget worden, darinnen der verstorbenen Weibes-Person Vater Joachim F. nebst seiner Ehefrauen selbst denuncireten, daß der Actuarius die Verstorbene nothzüchtigen wollen, und als er dazu nicht gelangen können, an ihr unziemliche Grieffe gethan, mit solcher Gewalt, daß wo nicht der Uterus gäntzlich zerrissen, dannoch einige vasa verletzet worden, worauf sie erkrancket wäre, stets in Blute gelegen, und nach vier Wochen hätte sterben müssen: so wäre auch nach ihren Todte an dem Unterleibe eine hefftige Geschwulst gefunden worden. Der Actuarius hatte hierauf copiam denunciationis begehret, war aber in actis abermahl kein decretum darauf zu befinden. Vermuthlich war denen andern Raths-Herren verdächtig vorkommen, daß diese denunciatio erst so spät einkäme, nachdem der Actuarius schon wieder den Burgemeister excipiret hatte; und daß man nicht eine Besichtigung und Section für der Begräbnüß angestellet. So war auch allen Ansehen nach zu befahren, daß die angegebenen Weibes-Personen meistentheils de auditu alieno deponiren würden, und hatte der dortige Inspector selbst dieses Vorgeben von der denunciation des Vaters, für einen närrischen Bericht gehalten, der ihm sehr suspect vorgekommen. Hierauff hatte der Burgemeister sich nach Hoffe gewendet, und daselbst sich über seine Collegen beklagt, auch den Actuarium nahmentlich dieser That beschuldiget. Da nun per rescriptum dem Senatui verwiesen worden, daß sie nicht mit der Inquisition verfahren hätten, nebst Befehl die acta einzuschicken, hatte der Rath Relation abgestattet, und sich hauptsächlich damit entschuldiget, daß der Burgemeister die denunciation und des Actuarii Supplicata ohne Vorwissen der übrigen membrorum zu sich genommen, auch bißher nicht einlieffern wollen, wannenhero auch bey Zurückschickung der Acten per

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0268" n="262"/>
den, daß er durch                      unzüchtige Griffe ihr einen Schaden in Liebe gethan hätte, wannenhero auch die                      Prediger des Orths über diese Sache, daß sie nicht untersucht würde, eyfferten.                      Da nun auch von denen Predigern gewisse Weibes-Personen, als welche umb die                      Sache wissen solten, benennet wurden, ließ der eine Bürgemeister eine Schedulam                      an andre membra Senatus abschicken, in welcher er Vorstellung that, daß es                      nöthig seyn würde, obgemeldete Weibes-Personen vorzufodern und abzuhören. Als                      nun der Actuarius davon Nachricht überkommen, hatte er alsbald darwieder                      protestiret und wieder den Burgemeister excipiret, auch die angegebenen                      Weibes-Personen als diffamanten belanget, worauf aber kein decretum bey denen                      actis zu befinden, sondern vielmehr diesen des Actuarii Suchen eine förmliche                      denunciation war beygeleget worden, darinnen der verstorbenen Weibes-Person                      Vater Joachim F. nebst seiner Ehefrauen selbst denuncireten, daß der Actuarius                      die Verstorbene nothzüchtigen wollen, und als er dazu nicht gelangen können, an                      ihr unziemliche Grieffe gethan, mit solcher Gewalt, daß wo nicht der Uterus                      gäntzlich zerrissen, dannoch einige vasa verletzet worden, worauf sie erkrancket                      wäre, stets in Blute gelegen, und nach vier Wochen hätte sterben müssen: so wäre                      auch nach ihren Todte an dem Unterleibe eine hefftige Geschwulst gefunden                      worden. Der Actuarius hatte hierauf copiam denunciationis begehret, war aber in                      actis abermahl kein decretum darauf zu befinden. Vermuthlich war denen andern                      Raths-Herren verdächtig vorkommen, daß diese denunciatio erst so spät einkäme,                      nachdem der Actuarius schon wieder den Burgemeister excipiret hatte; und daß man                      nicht eine Besichtigung und Section für der Begräbnüß angestellet. So war auch                      allen Ansehen nach zu befahren, daß die angegebenen Weibes-Personen                      meistentheils de auditu alieno deponiren würden, und hatte der dortige Inspector                      selbst dieses Vorgeben von der denunciation des Vaters, für einen närrischen                      Bericht gehalten, der ihm sehr suspect vorgekommen. Hierauff hatte der                      Burgemeister sich nach Hoffe gewendet, und daselbst sich über seine Collegen                      beklagt, auch den Actuarium nahmentlich dieser That beschuldiget. Da nun per                      rescriptum dem Senatui verwiesen worden, daß sie nicht mit der Inquisition                      verfahren hätten, nebst Befehl die acta einzuschicken, hatte der Rath Relation                      abgestattet, und sich hauptsächlich damit entschuldiget, daß der Burgemeister                      die denunciation und des Actuarii Supplicata ohne Vorwissen der übrigen                      membrorum zu sich genommen, auch bißher nicht einlieffern wollen, wannenhero                      auch bey Zurückschickung der Acten per
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0268] den, daß er durch unzüchtige Griffe ihr einen Schaden in Liebe gethan hätte, wannenhero auch die Prediger des Orths über diese Sache, daß sie nicht untersucht würde, eyfferten. Da nun auch von denen Predigern gewisse Weibes-Personen, als welche umb die Sache wissen solten, benennet wurden, ließ der eine Bürgemeister eine Schedulam an andre membra Senatus abschicken, in welcher er Vorstellung that, daß es nöthig seyn würde, obgemeldete Weibes-Personen vorzufodern und abzuhören. Als nun der Actuarius davon Nachricht überkommen, hatte er alsbald darwieder protestiret und wieder den Burgemeister excipiret, auch die angegebenen Weibes-Personen als diffamanten belanget, worauf aber kein decretum bey denen actis zu befinden, sondern vielmehr diesen des Actuarii Suchen eine förmliche denunciation war beygeleget worden, darinnen der verstorbenen Weibes-Person Vater Joachim F. nebst seiner Ehefrauen selbst denuncireten, daß der Actuarius die Verstorbene nothzüchtigen wollen, und als er dazu nicht gelangen können, an ihr unziemliche Grieffe gethan, mit solcher Gewalt, daß wo nicht der Uterus gäntzlich zerrissen, dannoch einige vasa verletzet worden, worauf sie erkrancket wäre, stets in Blute gelegen, und nach vier Wochen hätte sterben müssen: so wäre auch nach ihren Todte an dem Unterleibe eine hefftige Geschwulst gefunden worden. Der Actuarius hatte hierauf copiam denunciationis begehret, war aber in actis abermahl kein decretum darauf zu befinden. Vermuthlich war denen andern Raths-Herren verdächtig vorkommen, daß diese denunciatio erst so spät einkäme, nachdem der Actuarius schon wieder den Burgemeister excipiret hatte; und daß man nicht eine Besichtigung und Section für der Begräbnüß angestellet. So war auch allen Ansehen nach zu befahren, daß die angegebenen Weibes-Personen meistentheils de auditu alieno deponiren würden, und hatte der dortige Inspector selbst dieses Vorgeben von der denunciation des Vaters, für einen närrischen Bericht gehalten, der ihm sehr suspect vorgekommen. Hierauff hatte der Burgemeister sich nach Hoffe gewendet, und daselbst sich über seine Collegen beklagt, auch den Actuarium nahmentlich dieser That beschuldiget. Da nun per rescriptum dem Senatui verwiesen worden, daß sie nicht mit der Inquisition verfahren hätten, nebst Befehl die acta einzuschicken, hatte der Rath Relation abgestattet, und sich hauptsächlich damit entschuldiget, daß der Burgemeister die denunciation und des Actuarii Supplicata ohne Vorwissen der übrigen membrorum zu sich genommen, auch bißher nicht einlieffern wollen, wannenhero auch bey Zurückschickung der Acten per

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/268
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/268>, abgerufen am 18.05.2024.