Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.währender Advocatur und nach seiner Verheyrathung keine ihm anständige Gelegenheit gehabt hatte in Doctorem zu promoviren, auch allbereit ein Mann von etlichen 40. Jahren war) wohl wuste, daß in Holland die promotiones Doctorales mit wenigern Unkosten und Solennitäten, als damahls in Teutschland fast durchgehends gebräuchlich waren, konten erhalten werden, also nahm er bey dieser Gelegenheit den gradum Doctoralem in Holland gleichsam in transitu auch an, und kam also als Doctor wieder nach Leipzig zu rücke. Da nun Herr D. C. den Pracht der Kauffmannschafft, und daß dergleichen fallimente daraus zu entstehen pflegten, obgedachter massen gar wohl und löblich bestraffte, überschritte er die regulas justi & decori gar enorm; indem er diese Worte beyfügte. Wenn hernach diese Praler und Großthuer Banquerot geworden, schicken sie einen armen Sünder in Holland und lassen ihn da Doctor werden. Denn zu geschweigen, daß es zwar schändlich und unrecht ist, durch unordentliche Haußhaltung banquerot zu werden; aber dennoch, wenn einer nun banquerot worden, gantz nicht unrecht und verboten ist, mit seinen Creditoribus gütliche Tractaten vornehmen zu lassen; so ist es noch vielweniger etwas ungebührliches und unlöbliches, wenn ein Advocat sich zu dergleichen Tractaten gebrauchen läßt: und gebühret sich dannenhero noch weniger einen ehrlichen Mann auff der Cantzel anzugreiffen und gleichsam mit Nahmen zu nennen. Solchergestalt geschahe es aber, daß weil die in denen Worten gebrauchte Formalien ohnmöglich auff einen andern Menschen als auf besagten D. D. konten appliciret werden, nach dieser Predigt von dem gemeinen Volck fast jedermann auff ihn mit Fingern wiese, und ihn den Zunahmen des armen Sünders oder desarmen Sünder Doctors gab. Aber dieses ist noch alles nichts, gegen dem was darauff erfolgete. Der auff diese Weise geschimpffte und für aller Welt prostituirete D. D. konte als ein ehrlicher und sonst unbescholtener Mann nichts vernünfftigers und Christlichers thun, als daß er selbst zu Herr D. C. gieng, ihm mit bescheidenen Worten diesen begangenen Unsug vorstellete und ihn deßwegen umb eine billiche und Christliche Satisfaction ansprach. Nun rathe ein jeder vernünfftiger Leser, was Herr D. C. hierbey gethan. Er beschwerte sich zum höchsten daß ihm D. D. solche Sachen Schuld gäbe, da er ihn doch nicht genennet, daran er die Zeit seines Lebens nicht gedacht hätte. Und ob ihm wohl D. D. vorhielt, daß die gantze Welt nicht anders urtheilen könte, als daß er ihn müsse gemeynet haben, indem ja sonst kein Kauffmann so währender Advocatur und nach seiner Verheyrathung keine ihm anständige Gelegenheit gehabt hatte in Doctorem zu promoviren, auch allbereit ein Mann von etlichen 40. Jahren war) wohl wuste, daß in Holland die promotiones Doctorales mit wenigern Unkosten und Solennitäten, als damahls in Teutschland fast durchgehends gebräuchlich waren, konten erhalten werden, also nahm er bey dieser Gelegenheit den gradum Doctoralem in Holland gleichsam in transitu auch an, und kam also als Doctor wieder nach Leipzig zu rücke. Da nun Herr D. C. den Pracht der Kauffmannschafft, und daß dergleichen fallimente daraus zu entstehen pflegten, obgedachter massen gar wohl und löblich bestraffte, überschritte er die regulas justi & decori gar enorm; indem er diese Worte beyfügte. Wenn hernach diese Praler und Großthuer Banquerot geworden, schicken sie einen armen Sünder in Holland und lassen ihn da Doctor werden. Denn zu geschweigen, daß es zwar schändlich und unrecht ist, durch unordentliche Haußhaltung banquerot zu werden; aber dennoch, wenn einer nun banquerot worden, gantz nicht unrecht und verboten ist, mit seinen Creditoribus gütliche Tractaten vornehmen zu lassen; so ist es noch vielweniger etwas ungebührliches und unlöbliches, wenn ein Advocat sich zu dergleichen Tractaten gebrauchen läßt: und gebühret sich dannenhero noch weniger einen ehrlichen Mann auff der Cantzel anzugreiffen und gleichsam mit Nahmen zu nennen. Solchergestalt geschahe es aber, daß weil die in denen Worten gebrauchte Formalien ohnmöglich auff einen andern Menschen als auf besagten D. D. konten appliciret werden, nach dieser Predigt von dem gemeinen Volck fast jedermann auff ihn mit Fingern wiese, und ihn den Zunahmen des armen Sünders oder desarmen Sünder Doctors gab. Aber dieses ist noch alles nichts, gegen dem was darauff erfolgete. Der auff diese Weise geschimpffte und für aller Welt prostituirete D. D. konte als ein ehrlicher und sonst unbescholtener Mann nichts vernünfftigers und Christlichers thun, als daß er selbst zu Herr D. C. gieng, ihm mit bescheidenen Worten diesen begangenen Unsug vorstellete und ihn deßwegen umb eine billiche und Christliche Satisfaction ansprach. Nun rathe ein jeder vernünfftiger Leser, was Herr D. C. hierbey gethan. Er beschwerte sich zum höchsten daß ihm D. D. solche Sachen Schuld gäbe, da er ihn doch nicht genennet, daran er die Zeit seines Lebens nicht gedacht hätte. Und ob ihm wohl D. D. vorhielt, daß die gantze Welt nicht anders urtheilen könte, als daß er ihn müsse gemeynet haben, indem ja sonst kein Kauffmann so <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0138" n="132"/> währender Advocatur und nach seiner Verheyrathung keine ihm anständige Gelegenheit gehabt hatte in Doctorem zu promoviren, auch allbereit ein Mann von etlichen 40. Jahren war) wohl wuste, daß in Holland die promotiones Doctorales mit wenigern Unkosten und Solennitäten, als damahls in Teutschland fast durchgehends gebräuchlich waren, konten erhalten werden, also nahm er bey dieser Gelegenheit den gradum Doctoralem in Holland gleichsam in transitu auch an, und kam also als Doctor wieder nach Leipzig zu rücke. Da nun Herr D. C. den Pracht der Kauffmannschafft, und daß dergleichen fallimente daraus zu entstehen pflegten, obgedachter massen gar wohl und löblich bestraffte, überschritte er die regulas justi & decori gar enorm; indem er diese Worte beyfügte. Wenn hernach diese Praler und Großthuer <hi rendition="#i">Banquerot</hi> geworden, schicken sie einen armen Sünder in Holland und lassen ihn da <hi rendition="#i">Doctor</hi> werden. Denn zu geschweigen, daß es zwar schändlich und unrecht ist, durch unordentliche Haußhaltung banquerot zu werden; aber dennoch, wenn einer nun banquerot worden, gantz nicht unrecht und verboten ist, mit seinen Creditoribus gütliche Tractaten vornehmen zu lassen; so ist es noch vielweniger etwas ungebührliches und unlöbliches, wenn ein Advocat sich zu dergleichen Tractaten gebrauchen läßt: und gebühret sich dannenhero noch weniger einen ehrlichen Mann auff der Cantzel anzugreiffen und gleichsam mit Nahmen zu nennen. Solchergestalt geschahe es aber, daß weil die in denen Worten gebrauchte Formalien ohnmöglich auff einen andern Menschen als auf besagten D. D. konten appliciret werden, nach dieser Predigt von dem gemeinen Volck fast jedermann auff ihn mit Fingern wiese, und ihn den Zunahmen des armen Sünders oder desarmen Sünder <hi rendition="#i">Doctors</hi> gab. Aber dieses ist noch alles nichts, gegen dem was darauff erfolgete. Der auff diese Weise geschimpffte und für aller Welt prostituirete D. D. konte als ein ehrlicher und sonst unbescholtener Mann nichts vernünfftigers und Christlichers thun, als daß er selbst zu Herr D. C. gieng, ihm mit bescheidenen Worten diesen begangenen Unsug vorstellete und ihn deßwegen umb eine billiche und Christliche Satisfaction ansprach. Nun rathe ein jeder vernünfftiger Leser, was Herr D. C. hierbey gethan. Er beschwerte sich zum höchsten daß ihm D. D. solche Sachen Schuld gäbe, da er ihn doch nicht genennet, daran er die Zeit seines Lebens nicht gedacht hätte. Und ob ihm wohl D. D. vorhielt, daß die gantze Welt nicht anders urtheilen könte, als daß er ihn müsse gemeynet haben, indem ja sonst kein Kauffmann so </p> </div> </body> </text> </TEI> [132/0138]
währender Advocatur und nach seiner Verheyrathung keine ihm anständige Gelegenheit gehabt hatte in Doctorem zu promoviren, auch allbereit ein Mann von etlichen 40. Jahren war) wohl wuste, daß in Holland die promotiones Doctorales mit wenigern Unkosten und Solennitäten, als damahls in Teutschland fast durchgehends gebräuchlich waren, konten erhalten werden, also nahm er bey dieser Gelegenheit den gradum Doctoralem in Holland gleichsam in transitu auch an, und kam also als Doctor wieder nach Leipzig zu rücke. Da nun Herr D. C. den Pracht der Kauffmannschafft, und daß dergleichen fallimente daraus zu entstehen pflegten, obgedachter massen gar wohl und löblich bestraffte, überschritte er die regulas justi & decori gar enorm; indem er diese Worte beyfügte. Wenn hernach diese Praler und Großthuer Banquerot geworden, schicken sie einen armen Sünder in Holland und lassen ihn da Doctor werden. Denn zu geschweigen, daß es zwar schändlich und unrecht ist, durch unordentliche Haußhaltung banquerot zu werden; aber dennoch, wenn einer nun banquerot worden, gantz nicht unrecht und verboten ist, mit seinen Creditoribus gütliche Tractaten vornehmen zu lassen; so ist es noch vielweniger etwas ungebührliches und unlöbliches, wenn ein Advocat sich zu dergleichen Tractaten gebrauchen läßt: und gebühret sich dannenhero noch weniger einen ehrlichen Mann auff der Cantzel anzugreiffen und gleichsam mit Nahmen zu nennen. Solchergestalt geschahe es aber, daß weil die in denen Worten gebrauchte Formalien ohnmöglich auff einen andern Menschen als auf besagten D. D. konten appliciret werden, nach dieser Predigt von dem gemeinen Volck fast jedermann auff ihn mit Fingern wiese, und ihn den Zunahmen des armen Sünders oder desarmen Sünder Doctors gab. Aber dieses ist noch alles nichts, gegen dem was darauff erfolgete. Der auff diese Weise geschimpffte und für aller Welt prostituirete D. D. konte als ein ehrlicher und sonst unbescholtener Mann nichts vernünfftigers und Christlichers thun, als daß er selbst zu Herr D. C. gieng, ihm mit bescheidenen Worten diesen begangenen Unsug vorstellete und ihn deßwegen umb eine billiche und Christliche Satisfaction ansprach. Nun rathe ein jeder vernünfftiger Leser, was Herr D. C. hierbey gethan. Er beschwerte sich zum höchsten daß ihm D. D. solche Sachen Schuld gäbe, da er ihn doch nicht genennet, daran er die Zeit seines Lebens nicht gedacht hätte. Und ob ihm wohl D. D. vorhielt, daß die gantze Welt nicht anders urtheilen könte, als daß er ihn müsse gemeynet haben, indem ja sonst kein Kauffmann so
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/138 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/138>, abgerufen am 26.06.2024. |