Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.gen Herren Urthels-Verfasser, nach Dero zur Justiz tragenden höchstrühmlichen Eyffer judiciren, ob dieses denuncirte factum pro atrcci zu halten, und poena mortis vel corporis afflictiva zu verbüssen sey, und ob man bey so bewandten Umständen auf die Tortur sprechen und den armen unschuldigen Mann damit graviren könne? Allein so wenig die rationes decidendi bestehen, so wenig bestehet auch das Urtheil. Derohalben ist unschuldigen Inquisiti dienstliches Bitten, die löbl. Thal-Gerichte wollen geruhen, die Acta nach anderweitigen rechtlichen Erkäntniß zu versenden, und die rationes decidendi dabey zu requiriren, auch einen Extract aus der Churfürstlichen Magdeburgischen Policey-Ordnung c. 60. §. 8. & c. 61. §. 2. unter des Thal-Secretarii Hand vidimirt mit beyzulegen. Solches gereichet zu Abhelffung des Processus und Beförderung der Justiz und versiehet man sich geneigter Willfahrung. §. XV. Nun war die Reyhe an mir und an der defension meinesWie sich der neue Defensor des Christophs von dem Jur amentio Calumniae befreyet. Clienten des Christops. Ich hatte nun zwar auch nicht in Willens, das mir zugemuthe juramentum calumniae zu schwören. Jedoch weil ich solches erst nach verfertigter defension vor Ubergebung derselben schwören solte, wäre es unzeitig gewesen, wenn ich alsbald dawieder protestiret hätte, weil ich mich hätte befahren müssen, daß man mir so dann nicht einmahl die acta ad excerpendum wütde fürgeleget haben. Deßhalben schwiege ich stille, hielte auch nicht einmahl für nöthig, eine protestation ad acta zu geben oder zum wenigsten coram Notario aufsetzen zu lassen, daß ich tacendo nichts wolte eingeräumet haben, weil ich schon damahls die Pedanterey oder Rabulisterey, oder wie das liebe Ding sonst möchte tituliret werden, dergleichen impertinenten und unnützen protestationen erkante. Ich war vielmehr bekümmert in gehöriger und permittirter Zeit eine defension nach meinem Geschmack zu verfertigen, die nach der Methode dererjenigen, die ich allbereit in dem . Handel des ersten Theils vorgestellet, eingerichtet wäre. Nachdem ich solche verfertiget, ware es Zeit genug, auf Mittel zu sinnen, wie ich dieselbe ad acta bringen möchte, ohne daß ich genöthiget würde, das juramentum calumniae zu schwören. Was solte ich aber dißfals für eine Cautel brauchen? In meiner Bibliotheck waren wenig Tröster zu finden, die de Cautelis geschrieben hatten. Solte ich aber in der Stadt herumbschicken, und dieselben mit Mühe zusammen borgen, muste ich mich befahren, daß man mir als einem uuangenehmen Frembdling keine leihen würde, zugeschweigen, daß ich schon damahls der Meynung zugethan war, die in der neuen Edition meiner verteutschten Prudentiae consultatoriae umständlicher cap. 8. §. 13. seq. zu lesen ist, daß unter denen geschriebenen, und von denen sogenanten pragmaticis den armen Legulejis & Rabulis recommendirten cautelen zum gen Herren Urthels-Verfasser, nach Dero zur Justiz tragenden höchstrühmlichen Eyffer judiciren, ob dieses denuncirte factum pro atrcci zu halten, und poena mortis vel corporis afflictiva zu verbüssen sey, und ob man bey so bewandten Umständen auf die Tortur sprechen und den armen unschuldigen Mann damit graviren könne? Allein so wenig die rationes decidendi bestehen, so wenig bestehet auch das Urtheil. Derohalben ist unschuldigen Inquisiti dienstliches Bitten, die löbl. Thal-Gerichte wollen geruhen, die Acta nach anderweitigen rechtlichen Erkäntniß zu versenden, und die rationes decidendi dabey zu requiriren, auch einen Extract aus der Churfürstlichen Magdeburgischen Policey-Ordnung c. 60. §. 8. & c. 61. §. 2. unter des Thal-Secretarii Hand vidimirt mit beyzulegen. Solches gereichet zu Abhelffung des Processus und Beförderung der Justiz und versiehet man sich geneigter Willfahrung. §. XV. Nun war die Reyhe an mir und an der defension meinesWie sich der neue Defensor des Christophs von dem Jur amentio Calumniae befreyet. Clienten des Christops. Ich hatte nun zwar auch nicht in Willens, das mir zugemuthe juramentum calumniae zu schwören. Jedoch weil ich solches erst nach verfertigter defension vor Ubergebung derselben schwören solte, wäre es unzeitig gewesen, wenn ich alsbald dawieder protestiret hätte, weil ich mich hätte befahren müssen, daß man mir so dann nicht einmahl die acta ad excerpendum wütde fürgeleget haben. Deßhalben schwiege ich stille, hielte auch nicht einmahl für nöthig, eine protestation ad acta zu geben oder zum wenigsten coram Notario aufsetzen zu lassen, daß ich tacendo nichts wolte eingeräumet haben, weil ich schon damahls die Pedanterey oder Rabulisterey, oder wie das liebe Ding sonst möchte tituliret werden, dergleichen impertinenten und unnützen protestationen erkante. Ich war vielmehr bekümmert in gehöriger und permittirter Zeit eine defension nach meinem Geschmack zu verfertigen, die nach der Methode dererjenigen, die ich allbereit in dem . Handel des ersten Theils vorgestellet, eingerichtet wäre. Nachdem ich solche verfertiget, ware es Zeit genug, auf Mittel zu sinnen, wie ich dieselbe ad acta bringen möchte, ohne daß ich genöthiget würde, das juramentum calumniae zu schwören. Was solte ich aber dißfals für eine Cautel brauchen? In meiner Bibliotheck waren wenig Tröster zu finden, die de Cautelis geschrieben hatten. Solte ich aber in der Stadt herumbschicken, und dieselben mit Mühe zusammen borgen, muste ich mich befahren, daß man mir als einem uuangenehmen Frembdling keine leihen würde, zugeschweigen, daß ich schon damahls der Meynung zugethan war, die in der neuen Edition meiner verteutschten Prudentiae consultatoriae umständlicher cap. 8. §. 13. seq. zu lesen ist, daß unter denen geschriebenen, und von denen sogenanten pragmaticis den armen Legulejis & Rabulis recommendirten cautelen zum <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0087" n="79"/> gen Herren Urthels-Verfasser, nach Dero zur Justiz tragenden höchstrühmlichen Eyffer judiciren, ob dieses denuncirte factum pro atrcci zu halten, und poena mortis vel corporis afflictiva zu verbüssen sey, und ob man bey so bewandten Umständen auf die Tortur sprechen und den armen unschuldigen Mann damit graviren könne? Allein so wenig die rationes decidendi bestehen, so wenig bestehet auch das Urtheil. Derohalben ist unschuldigen Inquisiti dienstliches Bitten, die löbl. Thal-Gerichte wollen geruhen, die Acta nach anderweitigen rechtlichen Erkäntniß zu versenden, und die rationes decidendi dabey zu requiriren, auch einen Extract aus der Churfürstlichen Magdeburgischen Policey-Ordnung c. 60. §. 8. & c. 61. §. 2. unter des Thal-Secretarii Hand vidimirt mit beyzulegen. Solches gereichet zu Abhelffung des Processus und Beförderung der Justiz und versiehet man sich geneigter Willfahrung.</p> <p>§. XV. Nun war die Reyhe an mir und an der defension meines<note place="right">Wie sich der neue <hi rendition="#i">Defensor</hi> des Christophs von dem <hi rendition="#i">Jur amentio Calumniae</hi> befreyet.</note> Clienten des Christops. Ich hatte nun zwar auch nicht in Willens, das mir zugemuthe juramentum calumniae zu schwören. Jedoch weil ich solches erst nach verfertigter defension vor Ubergebung derselben schwören solte, wäre es unzeitig gewesen, wenn ich alsbald dawieder protestiret hätte, weil ich mich hätte befahren müssen, daß man mir so dann nicht einmahl die acta ad excerpendum wütde fürgeleget haben. Deßhalben schwiege ich stille, hielte auch nicht einmahl für nöthig, eine protestation ad acta zu geben oder zum wenigsten coram Notario aufsetzen zu lassen, daß ich tacendo nichts wolte eingeräumet haben, weil ich schon damahls die Pedanterey oder Rabulisterey, oder wie das liebe Ding sonst möchte tituliret werden, dergleichen impertinenten und unnützen protestationen erkante. Ich war vielmehr bekümmert in gehöriger und permittirter Zeit eine defension nach meinem Geschmack zu verfertigen, die nach der Methode dererjenigen, die ich allbereit in dem . Handel des ersten Theils vorgestellet, eingerichtet wäre. Nachdem ich solche verfertiget, ware es Zeit genug, auf Mittel zu sinnen, wie ich dieselbe ad acta bringen möchte, ohne daß ich genöthiget würde, das juramentum calumniae zu schwören. Was solte ich aber dißfals für eine Cautel brauchen? In meiner Bibliotheck waren wenig Tröster zu finden, die de Cautelis geschrieben hatten. Solte ich aber in der Stadt herumbschicken, und dieselben mit Mühe zusammen borgen, muste ich mich befahren, daß man mir als einem uuangenehmen Frembdling keine leihen würde, zugeschweigen, daß ich schon damahls der Meynung zugethan war, die in der neuen Edition meiner verteutschten Prudentiae consultatoriae umständlicher cap. 8. §. 13. seq. zu lesen ist, daß unter denen geschriebenen, und von denen sogenanten pragmaticis den armen Legulejis & Rabulis recommendirten cautelen zum </p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0087]
gen Herren Urthels-Verfasser, nach Dero zur Justiz tragenden höchstrühmlichen Eyffer judiciren, ob dieses denuncirte factum pro atrcci zu halten, und poena mortis vel corporis afflictiva zu verbüssen sey, und ob man bey so bewandten Umständen auf die Tortur sprechen und den armen unschuldigen Mann damit graviren könne? Allein so wenig die rationes decidendi bestehen, so wenig bestehet auch das Urtheil. Derohalben ist unschuldigen Inquisiti dienstliches Bitten, die löbl. Thal-Gerichte wollen geruhen, die Acta nach anderweitigen rechtlichen Erkäntniß zu versenden, und die rationes decidendi dabey zu requiriren, auch einen Extract aus der Churfürstlichen Magdeburgischen Policey-Ordnung c. 60. §. 8. & c. 61. §. 2. unter des Thal-Secretarii Hand vidimirt mit beyzulegen. Solches gereichet zu Abhelffung des Processus und Beförderung der Justiz und versiehet man sich geneigter Willfahrung.
§. XV. Nun war die Reyhe an mir und an der defension meines Clienten des Christops. Ich hatte nun zwar auch nicht in Willens, das mir zugemuthe juramentum calumniae zu schwören. Jedoch weil ich solches erst nach verfertigter defension vor Ubergebung derselben schwören solte, wäre es unzeitig gewesen, wenn ich alsbald dawieder protestiret hätte, weil ich mich hätte befahren müssen, daß man mir so dann nicht einmahl die acta ad excerpendum wütde fürgeleget haben. Deßhalben schwiege ich stille, hielte auch nicht einmahl für nöthig, eine protestation ad acta zu geben oder zum wenigsten coram Notario aufsetzen zu lassen, daß ich tacendo nichts wolte eingeräumet haben, weil ich schon damahls die Pedanterey oder Rabulisterey, oder wie das liebe Ding sonst möchte tituliret werden, dergleichen impertinenten und unnützen protestationen erkante. Ich war vielmehr bekümmert in gehöriger und permittirter Zeit eine defension nach meinem Geschmack zu verfertigen, die nach der Methode dererjenigen, die ich allbereit in dem . Handel des ersten Theils vorgestellet, eingerichtet wäre. Nachdem ich solche verfertiget, ware es Zeit genug, auf Mittel zu sinnen, wie ich dieselbe ad acta bringen möchte, ohne daß ich genöthiget würde, das juramentum calumniae zu schwören. Was solte ich aber dißfals für eine Cautel brauchen? In meiner Bibliotheck waren wenig Tröster zu finden, die de Cautelis geschrieben hatten. Solte ich aber in der Stadt herumbschicken, und dieselben mit Mühe zusammen borgen, muste ich mich befahren, daß man mir als einem uuangenehmen Frembdling keine leihen würde, zugeschweigen, daß ich schon damahls der Meynung zugethan war, die in der neuen Edition meiner verteutschten Prudentiae consultatoriae umständlicher cap. 8. §. 13. seq. zu lesen ist, daß unter denen geschriebenen, und von denen sogenanten pragmaticis den armen Legulejis & Rabulis recommendirten cautelen zum
Wie sich der neue Defensor des Christophs von dem Jur amentio Calumniae befreyet.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/87>, abgerufen am 02.07.2024. |