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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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richte zu rilgen.Application aber nehmen sie die erste oder andere Beschaffenheit an sich, gleichwie die Wasser, die an sich selbst schlecht und indifferent seyn, das Gute oder das Böse, die Reinigkeit oder die Unreinigkeit an sich ziehen, von der Qualität der Oerther, dardurch sie fliessen. Denn wenn man hier ad materiam substratam judiciorum gehet / so ist wohl bey der Justiz nichts edlers, kan auch niemahls besser zugehen, als wann der Richter 1) GOtt fürchtet und allezeit bedenckt, daß GOtt in der Stunde, da er andere richtet, wiedernm nachdem er Recht und Unrecht spricht, das Belohnung- oder Straff-Urthel über ihn fället und es auch unnachläßlich zu seiner Zeit vollziehen wird juxta Sap. 6 Daherschliesset die Schrifft gantz bündig und wohl; drum ihr Richter richtet recht, und laßt die Furcht des Herrn über euch seyn. Ferner 2) wann er die Wahrheit liebet, als der Justiz einige und beste Freundin, die andere aber alle ausschliesset, und ob sie gleich so ferne blind, dennoch auch so subtil ist, daß sie andere, bevoraus aber ihre starck competirende Stieff-Schwester rationem status so wenig neben sich leiden kan, als das sehende Auge das kleinste Sandkörnlein, und darum saget Cassiodorus von solcher rechtschaffenen Blindheit gar wohl: Justitia non novit patrem, non novit matrem, veritatem novit, Personam non accipit, Deum imitatur. Dann 3) wann er des Rechts begierig ist, und einig und allein darnach strebet, hingegen aber 4) den Geitz und zumahl alle verführische Geschenck und Gaben, die auch bezeuge der Schrifft die gerechtesten Richter zu verblenden, oder wo es möglich, auch die Justiz selbsten in ihrer nur gedachten wohlanständigen Blindheit zuverkehren gnugsam seyn, hasset und meidet.

Nemlich Furcht / Begierde / Haß / und Liebe.

§. XXIIX. Allein es werden diese Affecten böse, und eben zu den 4. Quellen, daraus alle trübe Wasser der Ungerechtigkeit fließen, wann sie in der application bestehen, und die heßliche Gestalt an sich haben, wie sie besage canonischer Rechte cap. 78. C. 11. qu. 3. mit kurtzen determiniret und beschrieben worden. Quatuor modis pervertitur humanum judicium. Timore, dum metu potestatis aiicujus veritatem loqui pertimescimus: Cupiditate, dum praemio animum alicujus corrumpimus: Odio, dum contra quemlibet adversarium molimur. Amore, dum amico vel propinquo complacere contendimus.

Dreyerley Straffen ex jure Civili.

§. XXIX. Gleichwie aber auch ein jeder Richter, der sich in dieser Sudelpfitzen vertiefft, oder nur durch eine und andere einnehmen läst, sich an dreyen versündiget, und unrecht thut, nemlich an GOtt, dem Nechsten und sich selbst, also haben so wohl die Civil als Canonischen

richte zu rilgen.Application aber nehmen sie die erste oder andere Beschaffenheit an sich, gleichwie die Wasser, die an sich selbst schlecht und indifferent seyn, das Gute oder das Böse, die Reinigkeit oder die Unreinigkeit an sich ziehen, von der Qualität der Oerther, dardurch sie fliessen. Denn wenn man hier ad materiam substratam judiciorum gehet / so ist wohl bey der Justiz nichts edlers, kan auch niemahls besser zugehen, als wann der Richter 1) GOtt fürchtet und allezeit bedenckt, daß GOtt in der Stunde, da er andere richtet, wiedernm nachdem er Recht und Unrecht spricht, das Belohnung- oder Straff-Urthel über ihn fället und es auch unnachläßlich zu seiner Zeit vollziehen wird juxta Sap. 6 Daherschliesset die Schrifft gantz bündig und wohl; drum ihr Richter richtet recht, und laßt die Furcht des Herrn über euch seyn. Ferner 2) wann er die Wahrheit liebet, als der Justiz einige und beste Freundin, die andere aber alle ausschliesset, und ob sie gleich so ferne blind, dennoch auch so subtil ist, daß sie andere, bevoraus aber ihre starck competirende Stieff-Schwester rationem status so wenig neben sich leiden kan, als das sehende Auge das kleinste Sandkörnlein, und darum saget Cassiodorus von solcher rechtschaffenen Blindheit gar wohl: Justitia non novit patrem, non novit matrem, veritatem novit, Personam non accipit, Deum imitatur. Dann 3) wann er des Rechts begierig ist, und einig und allein darnach strebet, hingegen aber 4) den Geitz und zumahl alle verführische Geschenck und Gaben, die auch bezeuge der Schrifft die gerechtesten Richter zu verblenden, oder wo es möglich, auch die Justiz selbsten in ihrer nur gedachten wohlanständigen Blindheit zuverkehren gnugsam seyn, hasset und meidet.

Nemlich Furcht / Begierde / Haß / und Liebe.

§. XXIIX. Allein es werden diese Affecten böse, und eben zu den 4. Quellen, daraus alle trübe Wasser der Ungerechtigkeit fließen, wann sie in der application bestehen, und die heßliche Gestalt an sich haben, wie sie besage canonischer Rechte cap. 78. C. 11. qu. 3. mit kurtzen determiniret und beschrieben worden. Quatuor modis pervertitur humanum judicium. Timore, dum metu potestatis aiicujus veritatem loqui pertimescimus: Cupiditate, dum praemio animum alicujus corrumpimus: Odio, dum contra quemlibet adversarium molimur. Amore, dum amico vel propinquo complacere contendimus.

Dreyerley Straffen ex jure Civili.

§. XXIX. Gleichwie aber auch ein jeder Richter, der sich in dieser Sudelpfitzen vertiefft, oder nur durch eine und andere einnehmen läst, sich an dreyen versündiget, und unrecht thut, nemlich an GOtt, dem Nechsten und sich selbst, also haben so wohl die Civil als Canonischen

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[32/0040] Application aber nehmen sie die erste oder andere Beschaffenheit an sich, gleichwie die Wasser, die an sich selbst schlecht und indifferent seyn, das Gute oder das Böse, die Reinigkeit oder die Unreinigkeit an sich ziehen, von der Qualität der Oerther, dardurch sie fliessen. Denn wenn man hier ad materiam substratam judiciorum gehet / so ist wohl bey der Justiz nichts edlers, kan auch niemahls besser zugehen, als wann der Richter 1) GOtt fürchtet und allezeit bedenckt, daß GOtt in der Stunde, da er andere richtet, wiedernm nachdem er Recht und Unrecht spricht, das Belohnung- oder Straff-Urthel über ihn fället und es auch unnachläßlich zu seiner Zeit vollziehen wird juxta Sap. 6 Daherschliesset die Schrifft gantz bündig und wohl; drum ihr Richter richtet recht, und laßt die Furcht des Herrn über euch seyn. Ferner 2) wann er die Wahrheit liebet, als der Justiz einige und beste Freundin, die andere aber alle ausschliesset, und ob sie gleich so ferne blind, dennoch auch so subtil ist, daß sie andere, bevoraus aber ihre starck competirende Stieff-Schwester rationem status so wenig neben sich leiden kan, als das sehende Auge das kleinste Sandkörnlein, und darum saget Cassiodorus von solcher rechtschaffenen Blindheit gar wohl: Justitia non novit patrem, non novit matrem, veritatem novit, Personam non accipit, Deum imitatur. Dann 3) wann er des Rechts begierig ist, und einig und allein darnach strebet, hingegen aber 4) den Geitz und zumahl alle verführische Geschenck und Gaben, die auch bezeuge der Schrifft die gerechtesten Richter zu verblenden, oder wo es möglich, auch die Justiz selbsten in ihrer nur gedachten wohlanständigen Blindheit zuverkehren gnugsam seyn, hasset und meidet. richte zu rilgen. §. XXIIX. Allein es werden diese Affecten böse, und eben zu den 4. Quellen, daraus alle trübe Wasser der Ungerechtigkeit fließen, wann sie in der application bestehen, und die heßliche Gestalt an sich haben, wie sie besage canonischer Rechte cap. 78. C. 11. qu. 3. mit kurtzen determiniret und beschrieben worden. Quatuor modis pervertitur humanum judicium. Timore, dum metu potestatis aiicujus veritatem loqui pertimescimus: Cupiditate, dum praemio animum alicujus corrumpimus: Odio, dum contra quemlibet adversarium molimur. Amore, dum amico vel propinquo complacere contendimus. §. XXIX. Gleichwie aber auch ein jeder Richter, der sich in dieser Sudelpfitzen vertiefft, oder nur durch eine und andere einnehmen läst, sich an dreyen versündiget, und unrecht thut, nemlich an GOtt, dem Nechsten und sich selbst, also haben so wohl die Civil als Canonischen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/40>, abgerufen am 23.11.2024.