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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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Auch deren Ursache.Deliberation bey dem Tacito Ann. lib. XI. c. 5. 6. & 7. zu finden ist. Die wahre Ursache aber ist wohl einig und allein die unter dem Trieb des Eigennutzes bey vielen erwachsene Einbildung, als wann sie in ihrer Function an die Gewissens-Regul nicht so genau, als das richterliche Ambt gebunden, dannenhero siehet man, daß auch die erbarsten Heyden, und unter andern der Cicero, ob er gleich sonsten in seinen Schrifften, und sonderlich in Lib de off. (vide inprimis lib. 1. c. 23. seq. l. 2. c. 3.) die Honestät auf den höchsten Grad, und eine solche Probe getrieben, die man schwerlich bey Christen findet, dennoch als ein Advocat in den schändlichen Irrthum verfallen, daß er auch eben in L. II. off. C. XIV. ungescheut sagen darff: Nocentem impiumque defendere, vult multitudo, patitur consuetudo, fert etiam humanitas, Judicis non est, semper in causis verum sequi, Patroni nonnunquam verisimile, etiamsi minus sit verum, defendere. Es ist aber diese Lehre nicht unter den Heyden geblieben, sondern leyder! auch bey den Christen gar gemein worden, also daß viel Advocaten, wo nicht die meisten, wann sie sich nicht öffentlich zu diesem Glauben bekennen (wiewohl deren seyn, die sich nicht schämen, solchen auch im Munde zu führen) dennoch denselben in der Menge böser Advocaten.That ausüben. Dahero kömt es nun, daß aller Orten, und besonders auch in diesen Landen, über die Vielheit böser und Gewissenloser Advocaten geklaget, und denenselben die meiste bey der Justiz eingerissene Verderbnisse nicht ohne gegründete Ursach zugeschrieben, auch vor ein sehr rar Wildpret gehalten wird / wenn man einen findet, der zugleich Gewissen und Geschicklichkeit hat, oder mit ernst dahin beflissen ist, daß ihm der Ruhm und der Lohn in der That und Wahrheit zugelegt werden könnte, welcher an dem angezogenen Ort geschrieben stehet.

Leichtes Remedium dawieder / Erwehlung einer gemäßigten Anzahl geschickter und Gewissenhaffter Ad-

§. XVII. Allein dieweil es gleichwohl eine so mögliche als nöthige Sache ist, auch in diesem Stücke redliche Leute zu haben, und zu dem der Mißbrauch den rechtmäßigen Gebrauch auch niemahls aufhebet, hierüber auch die Rechte nicht weniger den Advocaten, als den Richtern die Mittel und den Weg zeigen, den sie beyderseits secundum legem tam justitiae quam veritatis wandeln sollen, wie dann ihre Pflicht und Obliegenheit eben an dem Orte, nemlich in dem L. 14. §. 1. C. de Judic. geschriebenstehet, und gleich darauffolget, wo de off. & juramento Judicum gehandelt, und dazu denen Advocaten fast mehr als denen Richtern das verum & justum daselbst so ferne inculciret wird, daß sie nicht nur Anfangs wissentlich keine ungerechte Sache annehmen, sondern sich auch deren entschlagen sollen, wann sie in progressu litis dergleichen böse Be

Auch deren Ursache.Deliberation bey dem Tacito Ann. lib. XI. c. 5. 6. & 7. zu finden ist. Die wahre Ursache aber ist wohl einig und allein die unter dem Trieb des Eigennutzes bey vielen erwachsene Einbildung, als wann sie in ihrer Function an die Gewissens-Regul nicht so genau, als das richterliche Ambt gebunden, dannenhero siehet man, daß auch die erbarsten Heyden, und unter andern der Cicero, ob er gleich sonsten in seinen Schrifften, und sonderlich in Lib de off. (vide inprimis lib. 1. c. 23. seq. l. 2. c. 3.) die Honestät auf den höchsten Grad, und eine solche Probe getrieben, die man schwerlich bey Christen findet, dennoch als ein Advocat in den schändlichen Irrthum verfallen, daß er auch eben in L. II. off. C. XIV. ungescheut sagen darff: Nocentem impiumque defendere, vult multitudo, patitur consuetudo, fert etiam humanitas, Judicis non est, semper in causis verum sequi, Patroni nonnunquam verisimile, etiamsi minus sit verum, defendere. Es ist aber diese Lehre nicht unter den Heyden geblieben, sondern leyder! auch bey den Christen gar gemein worden, also daß viel Advocaten, wo nicht die meisten, wann sie sich nicht öffentlich zu diesem Glauben bekennen (wiewohl deren seyn, die sich nicht schämen, solchen auch im Munde zu führen) dennoch denselben in der Menge böser Advocaten.That ausüben. Dahero kömt es nun, daß aller Orten, und besonders auch in diesen Landen, über die Vielheit böser und Gewissenloser Advocaten geklaget, und denenselben die meiste bey der Justiz eingerissene Verderbnisse nicht ohne gegründete Ursach zugeschrieben, auch vor ein sehr rar Wildpret gehalten wird / wenn man einen findet, der zugleich Gewissen und Geschicklichkeit hat, oder mit ernst dahin beflissen ist, daß ihm der Ruhm und der Lohn in der That und Wahrheit zugelegt werden könnte, welcher an dem angezogenen Ort geschrieben stehet.

Leichtes Remedium dawieder / Erwehlung einer gemäßigten Anzahl geschickter und Gewissenhaffter Ad-

§. XVII. Allein dieweil es gleichwohl eine so mögliche als nöthige Sache ist, auch in diesem Stücke redliche Leute zu haben, und zu dem der Mißbrauch den rechtmäßigen Gebrauch auch niemahls aufhebet, hierüber auch die Rechte nicht weniger den Advocaten, als den Richtern die Mittel und den Weg zeigen, den sie beyderseits secundum legem tam justitiae quam veritatis wandeln sollen, wie dann ihre Pflicht und Obliegenheit eben an dem Orte, nemlich in dem L. 14. §. 1. C. de Judic. geschriebenstehet, und gleich darauffolget, wo de off. & juramento Judicum gehandelt, und dazu denen Advocaten fast mehr als denen Richtern das verum & justum daselbst so ferne inculciret wird, daß sie nicht nur Anfangs wissentlich keine ungerechte Sache annehmen, sondern sich auch deren entschlagen sollen, wann sie in progressu litis dergleichen böse Be

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[22/0030] Deliberation bey dem Tacito Ann. lib. XI. c. 5. 6. & 7. zu finden ist. Die wahre Ursache aber ist wohl einig und allein die unter dem Trieb des Eigennutzes bey vielen erwachsene Einbildung, als wann sie in ihrer Function an die Gewissens-Regul nicht so genau, als das richterliche Ambt gebunden, dannenhero siehet man, daß auch die erbarsten Heyden, und unter andern der Cicero, ob er gleich sonsten in seinen Schrifften, und sonderlich in Lib de off. (vide inprimis lib. 1. c. 23. seq. l. 2. c. 3.) die Honestät auf den höchsten Grad, und eine solche Probe getrieben, die man schwerlich bey Christen findet, dennoch als ein Advocat in den schändlichen Irrthum verfallen, daß er auch eben in L. II. off. C. XIV. ungescheut sagen darff: Nocentem impiumque defendere, vult multitudo, patitur consuetudo, fert etiam humanitas, Judicis non est, semper in causis verum sequi, Patroni nonnunquam verisimile, etiamsi minus sit verum, defendere. Es ist aber diese Lehre nicht unter den Heyden geblieben, sondern leyder! auch bey den Christen gar gemein worden, also daß viel Advocaten, wo nicht die meisten, wann sie sich nicht öffentlich zu diesem Glauben bekennen (wiewohl deren seyn, die sich nicht schämen, solchen auch im Munde zu führen) dennoch denselben in der That ausüben. Dahero kömt es nun, daß aller Orten, und besonders auch in diesen Landen, über die Vielheit böser und Gewissenloser Advocaten geklaget, und denenselben die meiste bey der Justiz eingerissene Verderbnisse nicht ohne gegründete Ursach zugeschrieben, auch vor ein sehr rar Wildpret gehalten wird / wenn man einen findet, der zugleich Gewissen und Geschicklichkeit hat, oder mit ernst dahin beflissen ist, daß ihm der Ruhm und der Lohn in der That und Wahrheit zugelegt werden könnte, welcher an dem angezogenen Ort geschrieben stehet. Auch deren Ursache. Menge böser Advocaten. §. XVII. Allein dieweil es gleichwohl eine so mögliche als nöthige Sache ist, auch in diesem Stücke redliche Leute zu haben, und zu dem der Mißbrauch den rechtmäßigen Gebrauch auch niemahls aufhebet, hierüber auch die Rechte nicht weniger den Advocaten, als den Richtern die Mittel und den Weg zeigen, den sie beyderseits secundum legem tam justitiae quam veritatis wandeln sollen, wie dann ihre Pflicht und Obliegenheit eben an dem Orte, nemlich in dem L. 14. §. 1. C. de Judic. geschriebenstehet, und gleich darauffolget, wo de off. & juramento Judicum gehandelt, und dazu denen Advocaten fast mehr als denen Richtern das verum & justum daselbst so ferne inculciret wird, daß sie nicht nur Anfangs wissentlich keine ungerechte Sache annehmen, sondern sich auch deren entschlagen sollen, wann sie in progressu litis dergleichen böse Be

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/30>, abgerufen am 18.04.2024.