Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

nichtswürdigen Dingen (als z. E. daß ein Fürst auf den Schlitten gefahren,ler nützlicher historischer Nachrichten / noch in vorigen Seculo gebräuchlich. den Pfingst-Vogel mit abschiessen helffen, u. s. w.) oder mit denen albersten lottisen, ne quid gravius dicam, aufgehalten, (z. E. daß der Teuffel mit einer Hexe auf der Spitze des rothen Thurms Unzucht getrieben; daß ein Licht unter der Predigt ausgelöscht sey, und daß es den Tod eines in 4 oder 6 Wochen hernach gestorbenen Predigers in selbiger Kirche bedeutet habe, u. s. w.) hingegen für unzuläßlich und fast für eine Todt-Sünde gehalten, wenn man merckwürdige Dinge, die ad statum publicum gehören, melden sollen, ne scilicet arcana domus divulgentur. Ich habe zwar schon hiervon etwas in der Historie der Weißheit und Thorheit tom. 2. p. 156. seq. junct. p. 143. seq. ingleichen in der Vorrede zu denen des Melchiors von Osse Testament angefügten Annalibus gemeldet; Aber es kan dieses noch mehr dadurch erleutert werden, wenn ich mich entsinne, daß noch zu Ende des vorigen Seculi, als Herr D. Beyer eine neue edition von Volckmanns Notariat Kunst ediret und in derselben Churfürst Johannis Georgii I. Testament hatte beydrucken lassen, der damahlige Herr Censor zu Leipzig, Herr D. I. B. solches durchaus nicht zugeben wolte, und muste dasselbige par force wieder herausgenommen, und also das exemplar verstimmelt werden, unerachtet diese arcana domus damahls schon von andern waren publique gemacht worden. Ja ich bin gewiß versichert, wenn derselbe noch ietzo hätte leben sollen, er würde alle die grossen volumina, die der fleißige und mühsame Herr Lünig viele Jahre her cum applausu publiciren lassen, alle confisciret haben. Aber GOtt Lob / nun sind wir ein wenig klüger worden. Alles hat seine Zeit. Durch diese Jesuitische cautelen ist das studium historicum sehr gehindert worden: und weisen es alle Geschäfte der Menschen, daß zwar secundum regulas prudentiae nicht alle negotia, sive privatos sive statum publicum concernentia zu gewissen Zeiten publiciret werden können; aber sie bleiben nicht in perpetuum arcana. Als ich für vielen Jahren die Bibliotheck zu Wolffenbüttel besuchte, fande ich darinnen beynahe etliche hundert Französische Memoires d' Etat, die der bekannte Wicquefort schon vor langer Zeit mühsam abschreiben lassen / und für viel tausend Thaler dem Hochseel. Hertzog Augusto verkaufft hatte, unerachtet sie ihm wohl nicht den vierdten Theil so hoch mochten gekostet haben. Ich befand aber schon damahls, daß nach dieser Handlung die Franzosen gar viele von diesen Memoires selbst hatten drucken lassen, dergestalt, daß z. E. dasjenige, was der Hertzog Augustus dem Wicquefort für 100. Thaler und drüber im Msc. bezah

nichtswürdigen Dingen (als z. E. daß ein Fürst auf den Schlitten gefahren,ler nützlicher historischer Nachrichten / noch in vorigen Seculo gebräuchlich. den Pfingst-Vogel mit abschiessen helffen, u. s. w.) oder mit denen albersten lottisen, ne quid gravius dicam, aufgehalten, (z. E. daß der Teuffel mit einer Hexe auf der Spitze des rothen Thurms Unzucht getrieben; daß ein Licht unter der Predigt ausgelöscht sey, und daß es den Tod eines in 4 oder 6 Wochen hernach gestorbenen Predigers in selbiger Kirche bedeutet habe, u. s. w.) hingegen für unzuläßlich und fast für eine Todt-Sünde gehalten, wenn man merckwürdige Dinge, die ad statum publicum gehören, melden sollen, ne scilicet arcana domus divulgentur. Ich habe zwar schon hiervon etwas in der Historie der Weißheit und Thorheit tom. 2. p. 156. seq. junct. p. 143. seq. ingleichen in der Vorrede zu denen des Melchiors von Osse Testament angefügten Annalibus gemeldet; Aber es kan dieses noch mehr dadurch erleutert werden, wenn ich mich entsinne, daß noch zu Ende des vorigen Seculi, als Herr D. Beyer eine neue edition von Volckmanns Notariat Kunst ediret und in derselben Churfürst Johannis Georgii I. Testament hatte beydrucken lassen, der damahlige Herr Censor zu Leipzig, Herr D. I. B. solches durchaus nicht zugeben wolte, und muste dasselbige par force wieder herausgenommen, und also das exemplar verstimmelt werden, unerachtet diese arcana domus damahls schon von andern waren publique gemacht worden. Ja ich bin gewiß versichert, wenn derselbe noch ietzo hätte leben sollen, er würde alle die grossen volumina, die der fleißige und mühsame Herr Lünig viele Jahre her cum applausu publiciren lassen, alle confisciret haben. Aber GOtt Lob / nun sind wir ein wenig klüger worden. Alles hat seine Zeit. Durch diese Jesuitische cautelen ist das studium historicum sehr gehindert worden: und weisen es alle Geschäfte der Menschen, daß zwar secundum regulas prudentiae nicht alle negotia, sive privatos sive statum publicum concernentia zu gewissen Zeiten publiciret werden können; aber sie bleiben nicht in perpetuum arcana. Als ich für vielen Jahren die Bibliotheck zu Wolffenbüttel besuchte, fande ich darinnen beynahe etliche hundert Französische Memoires d’ Etat, die der bekannte Wicquefort schon vor langer Zeit mühsam abschreiben lassen / und für viel tausend Thaler dem Hochseel. Hertzog Augusto verkaufft hatte, unerachtet sie ihm wohl nicht den vierdten Theil so hoch mochten gekostet haben. Ich befand aber schon damahls, daß nach dieser Handlung die Franzosen gar viele von diesen Memoires selbst hatten drucken lassen, dergestalt, daß z. E. dasjenige, was der Hertzog Augustus dem Wicquefort für 100. Thaler und drüber im Msc. bezah

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0259" n="251"/>
nichtswürdigen Dingen (als z. E.                      daß ein Fürst auf den Schlitten gefahren,<note place="right">ler                          nützlicher historischer Nachrichten / noch in vorigen <hi rendition="#i">Seculo</hi> gebräuchlich.</note> den Pfingst-Vogel mit abschiessen                      helffen, u. s. w.) oder mit denen albersten lottisen, ne quid gravius dicam,                      aufgehalten, (z. E. daß der Teuffel mit einer Hexe auf der Spitze des rothen                      Thurms Unzucht getrieben; daß ein Licht unter der Predigt ausgelöscht sey, und                      daß es den Tod eines in 4 oder 6 Wochen hernach gestorbenen Predigers in                      selbiger Kirche bedeutet habe, u. s. w.) hingegen für unzuläßlich und fast für                      eine Todt-Sünde gehalten, wenn man merckwürdige Dinge, die ad statum publicum                      gehören, melden sollen, ne scilicet arcana domus divulgentur. Ich habe zwar                      schon hiervon etwas in der Historie der Weißheit und Thorheit tom. 2. p. 156.                      seq. junct. p. 143. seq. ingleichen in der Vorrede zu denen des Melchiors von                      Osse Testament angefügten Annalibus gemeldet; Aber es kan dieses noch mehr                      dadurch erleutert werden, wenn ich mich entsinne, daß noch zu Ende des vorigen                      Seculi, als Herr D. Beyer eine neue edition von Volckmanns Notariat Kunst ediret                      und in derselben Churfürst Johannis Georgii I. Testament hatte beydrucken                      lassen, der damahlige Herr Censor zu Leipzig, Herr D. I. B. solches durchaus                      nicht zugeben wolte, und muste dasselbige par force wieder herausgenommen, und                      also das exemplar verstimmelt werden, unerachtet diese arcana domus damahls                      schon von andern waren publique gemacht worden. Ja ich bin gewiß versichert,                      wenn derselbe noch ietzo hätte leben sollen, er würde alle die grossen volumina,                      die der fleißige und mühsame Herr Lünig viele Jahre her cum applausu publiciren                      lassen, alle confisciret haben. Aber GOtt Lob / nun sind wir ein wenig klüger                      worden. Alles hat seine Zeit. Durch diese Jesuitische cautelen ist das studium                      historicum sehr gehindert worden: und weisen es alle Geschäfte der Menschen, daß                      zwar secundum regulas prudentiae nicht alle negotia, sive privatos sive statum                      publicum concernentia zu gewissen Zeiten publiciret werden können; aber sie                      bleiben nicht in perpetuum arcana. Als ich für vielen Jahren die Bibliotheck zu                      Wolffenbüttel besuchte, fande ich darinnen beynahe etliche hundert Französische                      Memoires d&#x2019; Etat, die der bekannte Wicquefort schon vor langer Zeit mühsam                      abschreiben lassen / und für viel tausend Thaler dem Hochseel. Hertzog Augusto                      verkaufft hatte, unerachtet sie ihm wohl nicht den vierdten Theil so hoch                      mochten gekostet haben. Ich befand aber schon damahls, daß nach dieser Handlung                      die Franzosen gar viele von diesen Memoires selbst hatten drucken lassen,                      dergestalt, daß z. E. dasjenige, was der Hertzog Augustus dem Wicquefort für                      100. Thaler und drüber im Msc. bezah
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0259] nichtswürdigen Dingen (als z. E. daß ein Fürst auf den Schlitten gefahren, den Pfingst-Vogel mit abschiessen helffen, u. s. w.) oder mit denen albersten lottisen, ne quid gravius dicam, aufgehalten, (z. E. daß der Teuffel mit einer Hexe auf der Spitze des rothen Thurms Unzucht getrieben; daß ein Licht unter der Predigt ausgelöscht sey, und daß es den Tod eines in 4 oder 6 Wochen hernach gestorbenen Predigers in selbiger Kirche bedeutet habe, u. s. w.) hingegen für unzuläßlich und fast für eine Todt-Sünde gehalten, wenn man merckwürdige Dinge, die ad statum publicum gehören, melden sollen, ne scilicet arcana domus divulgentur. Ich habe zwar schon hiervon etwas in der Historie der Weißheit und Thorheit tom. 2. p. 156. seq. junct. p. 143. seq. ingleichen in der Vorrede zu denen des Melchiors von Osse Testament angefügten Annalibus gemeldet; Aber es kan dieses noch mehr dadurch erleutert werden, wenn ich mich entsinne, daß noch zu Ende des vorigen Seculi, als Herr D. Beyer eine neue edition von Volckmanns Notariat Kunst ediret und in derselben Churfürst Johannis Georgii I. Testament hatte beydrucken lassen, der damahlige Herr Censor zu Leipzig, Herr D. I. B. solches durchaus nicht zugeben wolte, und muste dasselbige par force wieder herausgenommen, und also das exemplar verstimmelt werden, unerachtet diese arcana domus damahls schon von andern waren publique gemacht worden. Ja ich bin gewiß versichert, wenn derselbe noch ietzo hätte leben sollen, er würde alle die grossen volumina, die der fleißige und mühsame Herr Lünig viele Jahre her cum applausu publiciren lassen, alle confisciret haben. Aber GOtt Lob / nun sind wir ein wenig klüger worden. Alles hat seine Zeit. Durch diese Jesuitische cautelen ist das studium historicum sehr gehindert worden: und weisen es alle Geschäfte der Menschen, daß zwar secundum regulas prudentiae nicht alle negotia, sive privatos sive statum publicum concernentia zu gewissen Zeiten publiciret werden können; aber sie bleiben nicht in perpetuum arcana. Als ich für vielen Jahren die Bibliotheck zu Wolffenbüttel besuchte, fande ich darinnen beynahe etliche hundert Französische Memoires d’ Etat, die der bekannte Wicquefort schon vor langer Zeit mühsam abschreiben lassen / und für viel tausend Thaler dem Hochseel. Hertzog Augusto verkaufft hatte, unerachtet sie ihm wohl nicht den vierdten Theil so hoch mochten gekostet haben. Ich befand aber schon damahls, daß nach dieser Handlung die Franzosen gar viele von diesen Memoires selbst hatten drucken lassen, dergestalt, daß z. E. dasjenige, was der Hertzog Augustus dem Wicquefort für 100. Thaler und drüber im Msc. bezah ler nützlicher historischer Nachrichten / noch in vorigen Seculo gebräuchlich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/259
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/259>, abgerufen am 23.11.2024.