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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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Säffte und Gliedmassen, oder eine Fäulniß nach sich ziehen, denen die Natur nicht alleine wiederstehen kan, bemühet er sich gleichfalls zu vertreiben, indem er dem Schaden wehret und der Natur zu Hülffe kömmt. Also hütet er sich auf beyden Seiten vor allzustarcken und angreiffenden Artzneyen, die nur denen äusserlichen Würckungen der Kranckheit zuwieder sind, oder solche in Leib treiben, ohne sich um die Quelle und Ursache der Kranckheit zu bekümmern; am allermeisten aber gebrauchet er keine Mittel, die die Kranckheit mehren, daß er nemlich aus Unwissenheit der wahrhafftigen Ursache der Kranckheit keine andere falsche oder Neben-Ursachen aus denen äusserlichen und vielen unterschiedenen Kranckheiten gemeinen Wirckungen zum Grunde setze, und seine Artzeneyen nur zu deren Tilgung anwende etc. Eben also machts der politische Artzt. Weil er gewiß ist / daß so viele von grossen Herren und dero Räthen von etliche hundert Jahren her ernstlich angewandte Hülffs-Mittel die Kranckheit immer schlimmer gemacht, geschweige daß sie sie hätten heilen sollen, u. also selbige nicht nach denen Regeln der wahren Klugheit eingerichtet gewesen, so wird er sich sehr bemühen, solche Ungeschicklichkeit vor allen Dingen recht einzusehen, damit er nicht sowohl selbst darinnen nicht auch verstosse, sondern daß er auch denen Irrenden die Ursachen ihres Irrthums glimpflich, doch so zeigen möge, daß sie sie gleichsam mit Händen greiffen können, ja daß er auch anderer einfältige Vorschläge, die sie jenem entgegen gesetzet, vorzeige. Und hier findet sich nun wieder eine neue und vielfältige Gelegenheit, allerhand Anmerckungen zu machen, und davon zu reden. Ich will aber solches alles, so viel unser Vorhaben zuläßt, in etliche Haupt-Classen oder Arten bringen. Dannenhero wird er bemercken, daß einige Mängel derer angewendeten oder vorgeschlagenen Hülffs-Mittel sich sowohl bey Heilung der verlängerten Justiz, als anderer Kranckheiten der Republic, finden, z. E. der Wollust und des üppigen Lebens, wieder welche gleichergestalt so viel Gesetze und Ordnungen sind gegeben worden, als man wegen der Gerechtigkeit zusammen gebracht. Ich will nichts von denen abergläubischen und Gottversuchenden Mitteln sagen, dergleichen die öffentlichen solennen Gebethe und Processionen bey denen Papisten sind, als bey welchen alle politische Besserung hindangesetzt wird. Denn wer die natürlichen Mittel verachtet, und übernatürliche Hülffe von GOtt bittet und erwartet, der versuchet GOtt, eben als wenn ein Bettler nicht arbeitete und beständig zu GOtt ruffete, daß er ihn doch durch ein Wunderwerck erhalten wolle. Allein dergleichen Mittel gebrauchen wir Protestanten zum wenigsten bey Verbesserung der Justiz nicht. Es ist vielmehr dieses

Säffte und Gliedmassen, oder eine Fäulniß nach sich ziehen, denen die Natur nicht alleine wiederstehen kan, bemühet er sich gleichfalls zu vertreiben, indem er dem Schaden wehret und der Natur zu Hülffe kömmt. Also hütet er sich auf beyden Seiten vor allzustarcken und angreiffenden Artzneyen, die nur denen äusserlichen Würckungen der Kranckheit zuwieder sind, oder solche in Leib treiben, ohne sich um die Quelle und Ursache der Kranckheit zu bekümmern; am allermeisten aber gebrauchet er keine Mittel, die die Kranckheit mehren, daß er nemlich aus Unwissenheit der wahrhafftigen Ursache der Kranckheit keine andere falsche oder Neben-Ursachen aus denen äusserlichen und vielen unterschiedenen Kranckheiten gemeinen Wirckungen zum Grunde setze, und seine Artzeneyen nur zu deren Tilgung anwende etc. Eben also machts der politische Artzt. Weil er gewiß ist / daß so viele von grossen Herren und dero Räthen von etliche hundert Jahren her ernstlich angewandte Hülffs-Mittel die Kranckheit immer schlimmer gemacht, geschweige daß sie sie hätten heilen sollen, u. also selbige nicht nach denen Regeln der wahren Klugheit eingerichtet gewesen, so wird er sich sehr bemühen, solche Ungeschicklichkeit vor allen Dingen recht einzusehen, damit er nicht sowohl selbst darinnen nicht auch verstosse, sondern daß er auch denen Irrenden die Ursachen ihres Irrthums glimpflich, doch so zeigen möge, daß sie sie gleichsam mit Händen greiffen können, ja daß er auch anderer einfältige Vorschläge, die sie jenem entgegen gesetzet, vorzeige. Und hier findet sich nun wieder eine neue und vielfältige Gelegenheit, allerhand Anmerckungen zu machen, und davon zu reden. Ich will aber solches alles, so viel unser Vorhaben zuläßt, in etliche Haupt-Classen oder Arten bringen. Dannenhero wird er bemercken, daß einige Mängel derer angewendeten oder vorgeschlagenen Hülffs-Mittel sich sowohl bey Heilung der verlängerten Justiz, als anderer Kranckheiten der Republic, finden, z. E. der Wollust und des üppigen Lebens, wieder welche gleichergestalt so viel Gesetze und Ordnungen sind gegeben worden, als man wegen der Gerechtigkeit zusammen gebracht. Ich will nichts von denen abergläubischen und Gottversuchenden Mitteln sagen, dergleichen die öffentlichen solennen Gebethe und Processionen bey denen Papisten sind, als bey welchen alle politische Besserung hindangesetzt wird. Denn wer die natürlichen Mittel verachtet, und übernatürliche Hülffe von GOtt bittet und erwartet, der versuchet GOtt, eben als wenn ein Bettler nicht arbeitete und beständig zu GOtt ruffete, daß er ihn doch durch ein Wunderwerck erhalten wolle. Allein dergleichen Mittel gebrauchen wir Protestanten zum wenigsten bey Verbesserung der Justiz nicht. Es ist vielmehr dieses

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[192/0200] Säffte und Gliedmassen, oder eine Fäulniß nach sich ziehen, denen die Natur nicht alleine wiederstehen kan, bemühet er sich gleichfalls zu vertreiben, indem er dem Schaden wehret und der Natur zu Hülffe kömmt. Also hütet er sich auf beyden Seiten vor allzustarcken und angreiffenden Artzneyen, die nur denen äusserlichen Würckungen der Kranckheit zuwieder sind, oder solche in Leib treiben, ohne sich um die Quelle und Ursache der Kranckheit zu bekümmern; am allermeisten aber gebrauchet er keine Mittel, die die Kranckheit mehren, daß er nemlich aus Unwissenheit der wahrhafftigen Ursache der Kranckheit keine andere falsche oder Neben-Ursachen aus denen äusserlichen und vielen unterschiedenen Kranckheiten gemeinen Wirckungen zum Grunde setze, und seine Artzeneyen nur zu deren Tilgung anwende etc. Eben also machts der politische Artzt. Weil er gewiß ist / daß so viele von grossen Herren und dero Räthen von etliche hundert Jahren her ernstlich angewandte Hülffs-Mittel die Kranckheit immer schlimmer gemacht, geschweige daß sie sie hätten heilen sollen, u. also selbige nicht nach denen Regeln der wahren Klugheit eingerichtet gewesen, so wird er sich sehr bemühen, solche Ungeschicklichkeit vor allen Dingen recht einzusehen, damit er nicht sowohl selbst darinnen nicht auch verstosse, sondern daß er auch denen Irrenden die Ursachen ihres Irrthums glimpflich, doch so zeigen möge, daß sie sie gleichsam mit Händen greiffen können, ja daß er auch anderer einfältige Vorschläge, die sie jenem entgegen gesetzet, vorzeige. Und hier findet sich nun wieder eine neue und vielfältige Gelegenheit, allerhand Anmerckungen zu machen, und davon zu reden. Ich will aber solches alles, so viel unser Vorhaben zuläßt, in etliche Haupt-Classen oder Arten bringen. Dannenhero wird er bemercken, daß einige Mängel derer angewendeten oder vorgeschlagenen Hülffs-Mittel sich sowohl bey Heilung der verlängerten Justiz, als anderer Kranckheiten der Republic, finden, z. E. der Wollust und des üppigen Lebens, wieder welche gleichergestalt so viel Gesetze und Ordnungen sind gegeben worden, als man wegen der Gerechtigkeit zusammen gebracht. Ich will nichts von denen abergläubischen und Gottversuchenden Mitteln sagen, dergleichen die öffentlichen solennen Gebethe und Processionen bey denen Papisten sind, als bey welchen alle politische Besserung hindangesetzt wird. Denn wer die natürlichen Mittel verachtet, und übernatürliche Hülffe von GOtt bittet und erwartet, der versuchet GOtt, eben als wenn ein Bettler nicht arbeitete und beständig zu GOtt ruffete, daß er ihn doch durch ein Wunderwerck erhalten wolle. Allein dergleichen Mittel gebrauchen wir Protestanten zum wenigsten bey Verbesserung der Justiz nicht. Es ist vielmehr dieses

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/200>, abgerufen am 24.11.2024.