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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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(damit das gesagte zu gegenwärtigen Zweck angewendet werde) das Kennzeichen derer, die gleichsam zu Legulejis und Rabulisten gebohren sind, und sie mögen nun Richter oder Advocaten werden, die Verwaltung der Justiz nicht durch geheime, sondern höchst-unverschämte Griffe hemmen. Wie nun diese keinen ernstlichen Vorsatz haben, das Ubel, so ihr Abgott ist, aus der Republique wegzuschaffen; also können die von ihnen gegebene Rathschläge nicht anders als arglistig und betrüglich, ja, aus Mangel ihres natürlichen judicii, thöricht und ungereimet seyn. Hierher gehören einiger ihre weitläufftigen consilia, die aus vielen autoribus ohne Verstand zusammen geschmattert worden; ingleichen die, so fast mit eben so wenig Verstande anderer öffters nicht verstandene Meynungen verwerffen, ihre eigene aber mit überhäufften, undienlichen und sich selbst wiedersprechenden Beweißthümern vertreten, wovon ich eines jeden Fleiß überlasse, aus meiner ersten Dissertation Exempel zu suchen. Nun haben wir noch die lustigen und eben nicht blöden ingenia, die aber Niemand Schaden zufügen, und sich vor dem Laster der Unverschämtheit hüten, als deren zur Munterkeit geneigtes Temperament mit einer ehrbahren und geziemenden Ehrbegierde gemäßiget ist. Wie nun solche ihre Schulden freywillig bezahlen, und ihren Creditoribus nicht leicht Gelegenheit zu streiten geben, noch, wenn sie belanget worden, den Proceß ins weite zu spielen suchen, also ist auch ihr Verstand zwar nicht durchaus vollkommen, doch weit geschickter als bey denen andern, die Ursachen des Ubels ziemlich tief zu betrachten, und die nichtswürdigen und schädlichen Hülffs-Mittel, von denen rechten und geschickten zu unterscheiden.

3) Ein reifes Alter und Erfahrenheit.

§. VI. Da nun aber ein natürlich gutes ingenium, wie erst gesaget worden, wenn Unterweisung und Erfahrung dazu kommt, in der Klugheit vollkommener gemacht wird, so müssen wir erst etwas von der Erfahrung sagen, weil auch dieselbe, es bekomme sie ein Mensch aus eigenen oder anderer Menschen Thun und Lassen, nicht sowohl der Kunst und Anweisung, als meistens der Natur und dem Alter, oder solchen Gelegenheiten, welche wir uns nicht selbsten machen können, zuzuschreiben. Wir haben einen bekannten Vers des Hesiodi, in welchem er denen jungen Leuthen das Thun, denen Männern das Rathen, und denen alten Leuten das Bethen zueignet; alleine es ist mir nicht unbekannt, daß die Poeten so wohl irren, als andere. Das ist gewiß, daß die Jugend wegen Mangel oder Unzulänglichkeit der Lehre und Erfahrung zum Rathgeben nicht geschickt sey, sondern ihre Thaten durch die Befehle und Anschläge derer Männer und Alten regieret werden müssen. Warum aber

(damit das gesagte zu gegenwärtigen Zweck angewendet werde) das Kennzeichen derer, die gleichsam zu Legulejis und Rabulisten gebohren sind, und sie mögen nun Richter oder Advocaten werden, die Verwaltung der Justiz nicht durch geheime, sondern höchst-unverschämte Griffe hemmen. Wie nun diese keinen ernstlichen Vorsatz haben, das Ubel, so ihr Abgott ist, aus der Republique wegzuschaffen; also können die von ihnen gegebene Rathschläge nicht anders als arglistig und betrüglich, ja, aus Mangel ihres natürlichen judicii, thöricht und ungereimet seyn. Hierher gehören einiger ihre weitläufftigen consilia, die aus vielen autoribus ohne Verstand zusammen geschmattert worden; ingleichen die, so fast mit eben so wenig Verstande anderer öffters nicht verstandene Meynungen verwerffen, ihre eigene aber mit überhäufften, undienlichen und sich selbst wiedersprechenden Beweißthümern vertreten, wovon ich eines jeden Fleiß überlasse, aus meiner ersten Dissertation Exempel zu suchen. Nun haben wir noch die lustigen und eben nicht blöden ingenia, die aber Niemand Schaden zufügen, und sich vor dem Laster der Unverschämtheit hüten, als deren zur Munterkeit geneigtes Temperament mit einer ehrbahren und geziemenden Ehrbegierde gemäßiget ist. Wie nun solche ihre Schulden freywillig bezahlen, und ihren Creditoribus nicht leicht Gelegenheit zu streiten geben, noch, wenn sie belanget worden, den Proceß ins weite zu spielen suchen, also ist auch ihr Verstand zwar nicht durchaus vollkommen, doch weit geschickter als bey denen andern, die Ursachen des Ubels ziemlich tief zu betrachten, und die nichtswürdigen und schädlichen Hülffs-Mittel, von denen rechten und geschickten zu unterscheiden.

3) Ein reifes Alter und Erfahrenheit.

§. VI. Da nun aber ein natürlich gutes ingenium, wie erst gesaget worden, wenn Unterweisung und Erfahrung dazu kommt, in der Klugheit vollkommener gemacht wird, so müssen wir erst etwas von der Erfahrung sagen, weil auch dieselbe, es bekomme sie ein Mensch aus eigenen oder anderer Menschen Thun und Lassen, nicht sowohl der Kunst und Anweisung, als meistens der Natur und dem Alter, oder solchen Gelegenheiten, welche wir uns nicht selbsten machen können, zuzuschreiben. Wir haben einen bekannten Vers des Hesiodi, in welchem er denen jungen Leuthen das Thun, denen Männern das Rathen, und denen alten Leuten das Bethen zueignet; alleine es ist mir nicht unbekannt, daß die Poeten so wohl irren, als andere. Das ist gewiß, daß die Jugend wegen Mangel oder Unzulänglichkeit der Lehre und Erfahrung zum Rathgeben nicht geschickt sey, sondern ihre Thaten durch die Befehle und Anschläge derer Männer und Alten regieret werden müssen. Warum aber

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[168/0176] (damit das gesagte zu gegenwärtigen Zweck angewendet werde) das Kennzeichen derer, die gleichsam zu Legulejis und Rabulisten gebohren sind, und sie mögen nun Richter oder Advocaten werden, die Verwaltung der Justiz nicht durch geheime, sondern höchst-unverschämte Griffe hemmen. Wie nun diese keinen ernstlichen Vorsatz haben, das Ubel, so ihr Abgott ist, aus der Republique wegzuschaffen; also können die von ihnen gegebene Rathschläge nicht anders als arglistig und betrüglich, ja, aus Mangel ihres natürlichen judicii, thöricht und ungereimet seyn. Hierher gehören einiger ihre weitläufftigen consilia, die aus vielen autoribus ohne Verstand zusammen geschmattert worden; ingleichen die, so fast mit eben so wenig Verstande anderer öffters nicht verstandene Meynungen verwerffen, ihre eigene aber mit überhäufften, undienlichen und sich selbst wiedersprechenden Beweißthümern vertreten, wovon ich eines jeden Fleiß überlasse, aus meiner ersten Dissertation Exempel zu suchen. Nun haben wir noch die lustigen und eben nicht blöden ingenia, die aber Niemand Schaden zufügen, und sich vor dem Laster der Unverschämtheit hüten, als deren zur Munterkeit geneigtes Temperament mit einer ehrbahren und geziemenden Ehrbegierde gemäßiget ist. Wie nun solche ihre Schulden freywillig bezahlen, und ihren Creditoribus nicht leicht Gelegenheit zu streiten geben, noch, wenn sie belanget worden, den Proceß ins weite zu spielen suchen, also ist auch ihr Verstand zwar nicht durchaus vollkommen, doch weit geschickter als bey denen andern, die Ursachen des Ubels ziemlich tief zu betrachten, und die nichtswürdigen und schädlichen Hülffs-Mittel, von denen rechten und geschickten zu unterscheiden. §. VI. Da nun aber ein natürlich gutes ingenium, wie erst gesaget worden, wenn Unterweisung und Erfahrung dazu kommt, in der Klugheit vollkommener gemacht wird, so müssen wir erst etwas von der Erfahrung sagen, weil auch dieselbe, es bekomme sie ein Mensch aus eigenen oder anderer Menschen Thun und Lassen, nicht sowohl der Kunst und Anweisung, als meistens der Natur und dem Alter, oder solchen Gelegenheiten, welche wir uns nicht selbsten machen können, zuzuschreiben. Wir haben einen bekannten Vers des Hesiodi, in welchem er denen jungen Leuthen das Thun, denen Männern das Rathen, und denen alten Leuten das Bethen zueignet; alleine es ist mir nicht unbekannt, daß die Poeten so wohl irren, als andere. Das ist gewiß, daß die Jugend wegen Mangel oder Unzulänglichkeit der Lehre und Erfahrung zum Rathgeben nicht geschickt sey, sondern ihre Thaten durch die Befehle und Anschläge derer Männer und Alten regieret werden müssen. Warum aber

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/176>, abgerufen am 22.11.2024.