Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.weilen, ja gar öffters von vielen Gelehrten solte vorgetragen und vertheydiget werden: Derowegen ist nicht zu verwundern, daß auch jemand zu unsern Zeiten sich gefunden / der als eine ausgemachte und unzweiffelhaffte Sache bejahet; daß alle von Fürstlichen, Gräfflichen, Adelichen Dames nicht nur in der Ehe mit geringern Manns-Persohnen, sondern sogar auch ausser der Ehe gezeugte Kinder, gleichfalls für Fürsten und Fürstinnen, Graffen und Gräffinnen, Herren und Fräulein u. s. w. bey denen Teutschen müsten gehalten werden, wieder welche Meynung aber unvonnöthen ist, etwas mehrers zu melden, nachdem der Herr Geheime Rath Gundling in einer Anno 1718. gehaltenen Disputation: An nobilitet Venter? dieselbe allbereit so gründlich wiederleget, daß auch dawieder bishero nicht das geringste hat repliciret werden können. §. IX. Bey dieser Gelegenheit aber wird mir doch verhoffentlich vergönnet seyn, junge studirende Leute treulich zu warnen, daß sie je eher je lieber in Ausbesserung ihres Verstandes anfangen, nicht allein das schädliche praejudicium autoritatis zu meiden, sondern auch das andre Haupt-praejudicium der Ubereilung, oder praecipitantiae, (von welchen beyden ich in meiner Vernunfft-Lehre ausführlich gehandelt) zu unterdrücken. Denn es ist eines so schädlich als das andere, und wenn man nicht beyzeiten anfängt, diese zwey Haupt-Feinde der Wahrheit zu befechten, so ist hernach keine Besserung zu hoffen. Zum wenigsten habe ich nicht erlebet, daß unter hunderten, die dißfalls mit dieser Bestreitung biß in das viertzigste Jahr gewartet hätten, auch nur zwey oder drey hernach was wichtiges hätten praestiren können. Uber dieses, sind diejenigen, die allzusehr an dem praejudicio autoritatis hangen, nicht so ridicul und unerträglich als diejenigen, die durch das praejudicium praecipitantiae eingenommen, zwar an keines andern Menschen, aber an ihrer eigenen autorität kleben bleiben; alle andere neben sich verachten, sich und ihre Meynungen überall und zu allen Zeiten sowohl mündlich als in Schrifften loben, und so handgreiflich zu verstehen geben, daß sie der gäntzlichen Meynung seyn, es werde die Weisheit mit ihnen ersterben, daß auch junge Leute, geschweige denn wahrhafftig-Gelehrte und Erfahrne ihre Discurse und Schrifften nicht ohne den grösten Eckel anhören und lesen können Ich will jungen Gemüthern nur diese kurtze, jedoch sensible Lehren zu behertzigen geben. Alle Prahlerey ist ein recht lächerlicher Ehrgeitz. Wo aber ein lächerlicher Ehrgeitz do weilen, ja gar öffters von vielen Gelehrten solte vorgetragen und vertheydiget werden: Derowegen ist nicht zu verwundern, daß auch jemand zu unsern Zeiten sich gefunden / der als eine ausgemachte und unzweiffelhaffte Sache bejahet; daß alle von Fürstlichen, Gräfflichen, Adelichen Dames nicht nur in der Ehe mit geringern Manns-Persohnen, sondern sogar auch ausser der Ehe gezeugte Kinder, gleichfalls für Fürsten und Fürstinnen, Graffen und Gräffinnen, Herren und Fräulein u. s. w. bey denen Teutschen müsten gehalten werden, wieder welche Meynung aber unvonnöthen ist, etwas mehrers zu melden, nachdem der Herr Geheime Rath Gundling in einer Anno 1718. gehaltenen Disputation: An nobilitet Venter? dieselbe allbereit so gründlich wiederleget, daß auch dawieder bishero nicht das geringste hat repliciret werden können. §. IX. Bey dieser Gelegenheit aber wird mir doch verhoffentlich vergönnet seyn, junge studirende Leute treulich zu warnen, daß sie je eher je lieber in Ausbesserung ihres Verstandes anfangen, nicht allein das schädliche praejudicium autoritatis zu meiden, sondern auch das andre Haupt-praejudicium der Ubereilung, oder praecipitantiae, (von welchen beyden ich in meiner Vernunfft-Lehre ausführlich gehandelt) zu unterdrücken. Denn es ist eines so schädlich als das andere, und wenn man nicht beyzeiten anfängt, diese zwey Haupt-Feinde der Wahrheit zu befechten, so ist hernach keine Besserung zu hoffen. Zum wenigsten habe ich nicht erlebet, daß unter hunderten, die dißfalls mit dieser Bestreitung biß in das viertzigste Jahr gewartet hätten, auch nur zwey oder drey hernach was wichtiges hätten praestiren können. Uber dieses, sind diejenigen, die allzusehr an dem praejudicio autoritatis hangen, nicht so ridicul und unerträglich als diejenigen, die durch das praejudicium praecipitantiae eingenommen, zwar an keines andern Menschen, aber an ihrer eigenen autorität kleben bleiben; alle andere neben sich verachten, sich und ihre Meynungen überall und zu allen Zeiten sowohl mündlich als in Schrifften loben, und so handgreiflich zu verstehen geben, daß sie der gäntzlichen Meynung seyn, es werde die Weisheit mit ihnen ersterben, daß auch junge Leute, geschweige denn wahrhafftig-Gelehrte und Erfahrne ihre Discurse und Schrifften nicht ohne den grösten Eckel anhören und lesen können Ich will jungen Gemüthern nur diese kurtze, jedoch sensible Lehren zu behertzigen geben. Alle Prahlerey ist ein recht lächerlicher Ehrgeitz. Wo aber ein lächerlicher Ehrgeitz do <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0144" n="136"/> weilen, ja gar öffters von vielen Gelehrten solte vorgetragen und vertheydiget werden: Derowegen ist nicht zu verwundern, daß auch jemand zu unsern Zeiten sich gefunden / der als eine ausgemachte und unzweiffelhaffte Sache bejahet; daß alle von Fürstlichen, Gräfflichen, Adelichen Dames nicht nur in der Ehe mit geringern Manns-Persohnen, sondern sogar auch ausser der Ehe gezeugte Kinder, gleichfalls für Fürsten und Fürstinnen, Graffen und Gräffinnen, Herren und Fräulein u. s. w. bey denen Teutschen müsten gehalten werden, wieder welche Meynung aber unvonnöthen ist, etwas mehrers zu melden, nachdem der Herr Geheime Rath Gundling in einer Anno 1718. gehaltenen Disputation: An nobilitet Venter? dieselbe allbereit so gründlich wiederleget, daß auch dawieder bishero nicht das geringste hat repliciret werden können.</p> <note place="left">(Warnung für dem Vorurtheil der Ubereilung)</note> <p>§. IX. Bey dieser Gelegenheit aber wird mir doch verhoffentlich vergönnet seyn, junge studirende Leute treulich zu warnen, daß sie je eher je lieber in Ausbesserung ihres Verstandes anfangen, nicht allein das schädliche praejudicium autoritatis zu meiden, sondern auch das andre Haupt-praejudicium der Ubereilung, oder praecipitantiae, (von welchen beyden ich in meiner Vernunfft-Lehre ausführlich gehandelt) zu unterdrücken. Denn es ist eines so schädlich als das andere, und wenn man nicht beyzeiten anfängt, diese zwey Haupt-Feinde der Wahrheit zu befechten, so ist hernach keine Besserung zu hoffen. Zum wenigsten habe ich nicht erlebet, daß unter hunderten, die dißfalls mit dieser Bestreitung biß in das viertzigste Jahr gewartet hätten, auch nur zwey oder drey hernach was wichtiges hätten praestiren können. Uber dieses, sind diejenigen, die allzusehr an dem praejudicio autoritatis hangen, nicht so ridicul und unerträglich als diejenigen, die durch das praejudicium praecipitantiae eingenommen, zwar an keines andern Menschen, aber an ihrer eigenen autorität kleben bleiben; alle andere neben sich verachten, sich und ihre Meynungen überall und zu allen Zeiten sowohl mündlich als in Schrifften loben, und so handgreiflich zu verstehen geben, daß sie der gäntzlichen Meynung seyn, es werde die Weisheit mit ihnen ersterben, daß auch junge Leute, geschweige denn wahrhafftig-Gelehrte und Erfahrne ihre Discurse und Schrifften nicht ohne den grösten Eckel anhören und lesen können Ich will jungen Gemüthern nur diese kurtze, jedoch sensible Lehren zu behertzigen geben. Alle Prahlerey ist ein recht lächerlicher Ehrgeitz. Wo aber ein lächerlicher Ehrgeitz do </p> </div> </body> </text> </TEI> [136/0144]
weilen, ja gar öffters von vielen Gelehrten solte vorgetragen und vertheydiget werden: Derowegen ist nicht zu verwundern, daß auch jemand zu unsern Zeiten sich gefunden / der als eine ausgemachte und unzweiffelhaffte Sache bejahet; daß alle von Fürstlichen, Gräfflichen, Adelichen Dames nicht nur in der Ehe mit geringern Manns-Persohnen, sondern sogar auch ausser der Ehe gezeugte Kinder, gleichfalls für Fürsten und Fürstinnen, Graffen und Gräffinnen, Herren und Fräulein u. s. w. bey denen Teutschen müsten gehalten werden, wieder welche Meynung aber unvonnöthen ist, etwas mehrers zu melden, nachdem der Herr Geheime Rath Gundling in einer Anno 1718. gehaltenen Disputation: An nobilitet Venter? dieselbe allbereit so gründlich wiederleget, daß auch dawieder bishero nicht das geringste hat repliciret werden können.
§. IX. Bey dieser Gelegenheit aber wird mir doch verhoffentlich vergönnet seyn, junge studirende Leute treulich zu warnen, daß sie je eher je lieber in Ausbesserung ihres Verstandes anfangen, nicht allein das schädliche praejudicium autoritatis zu meiden, sondern auch das andre Haupt-praejudicium der Ubereilung, oder praecipitantiae, (von welchen beyden ich in meiner Vernunfft-Lehre ausführlich gehandelt) zu unterdrücken. Denn es ist eines so schädlich als das andere, und wenn man nicht beyzeiten anfängt, diese zwey Haupt-Feinde der Wahrheit zu befechten, so ist hernach keine Besserung zu hoffen. Zum wenigsten habe ich nicht erlebet, daß unter hunderten, die dißfalls mit dieser Bestreitung biß in das viertzigste Jahr gewartet hätten, auch nur zwey oder drey hernach was wichtiges hätten praestiren können. Uber dieses, sind diejenigen, die allzusehr an dem praejudicio autoritatis hangen, nicht so ridicul und unerträglich als diejenigen, die durch das praejudicium praecipitantiae eingenommen, zwar an keines andern Menschen, aber an ihrer eigenen autorität kleben bleiben; alle andere neben sich verachten, sich und ihre Meynungen überall und zu allen Zeiten sowohl mündlich als in Schrifften loben, und so handgreiflich zu verstehen geben, daß sie der gäntzlichen Meynung seyn, es werde die Weisheit mit ihnen ersterben, daß auch junge Leute, geschweige denn wahrhafftig-Gelehrte und Erfahrne ihre Discurse und Schrifften nicht ohne den grösten Eckel anhören und lesen können Ich will jungen Gemüthern nur diese kurtze, jedoch sensible Lehren zu behertzigen geben. Alle Prahlerey ist ein recht lächerlicher Ehrgeitz. Wo aber ein lächerlicher Ehrgeitz do
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