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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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als meritis causarum selbsten. Zum (2) die Vielheit und grosse Menge der unnöthigen und leeren Interlocuten oder Bey-Urthel. (3) Der allzu sehr überhand genommene Mißbrauch des sonst heilsamen beneficii Appellationis. (4) Die Singularität, welcher sich ein und das andere Judicium in gewissen Fällen zuschreibet, und vor andern den Vorzug haben will. (5) Ingleichen daß sie pro amplianda jurisdictione die ihnen gesetzten limites überschreiten und weiter gehen, als sich gebühret. Welchen ferner noch unterschiedliche Dinge anhängig zu machen, so zwar ohne dis bekandt, u. zu jeden Judicio nöthig, auch in göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechten verordnet, gleichwohl aber hier unterschiedener Ursachen halber nicht so gar zu übergehen seynd, und zwar gehen solche fürnemlichen (6) die Personas und andere Qualitates, sowohl den Unterhalt der Judiciorum darinnen, (7) den Modum & tempora componendi & dirigendi, wie auch finiendi lites und letzlichen (8) die Remedia an, welche die Eingangs berührte perversitates judiciorum zu coerciren dienen.

I. Die unmäßige Erfindung / Vermehrung und Aenderung der observantien / und der daraus eutstehende Schade.

§. IV. So viel nun 1) die von geraumer Zeit her contra leges publicas tam communes quam provinciales eigenmächtig eingerissene Erfindung, auch öfftere Vermehrung und Aenderung der neuen observantien concerniret, ist solche um deswillen wohl vor eines der grösten Ubel und Verderbnüsse der Justiz zu halten, weil sich dessen die höhern Collegia gleichsam, als eines wohl hergebrachten und ihnen allein zustehenden Befugnüsses anmassen, und mithin die remedirung desto schwerer machen; zudem aber es damit so weit kommen ist, daß nicht nur die ohne dis zum grossen Nachtheil des gantzen Justiz-Wesens aufs höchste und bis zum grösten Uberfluß getriebene Formalitäten und apices processus zusamt denen daraus erwachsenden unzehligen Interlocuten, dadurch noch weiter vergröffert, so dann auch in die merita causarum und sententias definitivas so weit gegriffen wird, daß offt super uno eodemque puncto Juris, auch wohl in una eademque causa, (da zuvoraus die edle Justiz constans & perpetua voluntas jus suum cuique tribuendi seyn solte,) unterschiedene und gantz wiedereinander lauffende Urthel gefallen, also daß weil zumahl diese mehr angeregte observanzen denen Partheyen nicht bekandt, auch zweiffels ohne wegen deren vielfältigen Aenderungen, da man sie bald gelten, bald nicht gelten läst, bald abschafft, bald aber wieder einführet und erneuert, mit Fleiß verheelt und gleichsam als Wercke der Finsterniß in verborgen gehalten werden, fast niemand mehr weiß, wo er seinen Rath finden, oder worauf er solchen fundiren solle. Es ist aber noch um so vielmehr bedencklicher und desto mehr zu beklagen, wenn

als meritis causarum selbsten. Zum (2) die Vielheit und grosse Menge der unnöthigen und leeren Interlocuten oder Bey-Urthel. (3) Der allzu sehr überhand genommene Mißbrauch des sonst heilsamen beneficii Appellationis. (4) Die Singularität, welcher sich ein und das andere Judicium in gewissen Fällen zuschreibet, und vor andern den Vorzug haben will. (5) Ingleichen daß sie pro amplianda jurisdictione die ihnen gesetzten limites überschreiten und weiter gehen, als sich gebühret. Welchen ferner noch unterschiedliche Dinge anhängig zu machen, so zwar ohne dis bekandt, u. zu jeden Judicio nöthig, auch in göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechten verordnet, gleichwohl aber hier unterschiedener Ursachen halber nicht so gar zu übergehen seynd, und zwar gehen solche fürnemlichen (6) die Personas und andere Qualitates, sowohl den Unterhalt der Judiciorum darinnen, (7) den Modum & tempora componendi & dirigendi, wie auch finiendi lites und letzlichen (8) die Remedia an, welche die Eingangs berührte perversitates judiciorum zu coerciren dienen.

I. Die unmäßige Erfindung / Vermehrung und Aenderung der observantien / und der daraus eutstehende Schade.

§. IV. So viel nun 1) die von geraumer Zeit her contra leges publicas tam communes quam provinciales eigenmächtig eingerissene Erfindung, auch öfftere Vermehrung und Aenderung der neuen observantien concerniret, ist solche um deswillen wohl vor eines der grösten Ubel und Verderbnüsse der Justiz zu halten, weil sich dessen die höhern Collegia gleichsam, als eines wohl hergebrachten und ihnen allein zustehenden Befugnüsses anmassen, und mithin die remedirung desto schwerer machen; zudem aber es damit so weit kommen ist, daß nicht nur die ohne dis zum grossen Nachtheil des gantzen Justiz-Wesens aufs höchste und bis zum grösten Uberfluß getriebene Formalitäten und apices processus zusamt denen daraus erwachsenden unzehligen Interlocuten, dadurch noch weiter vergröffert, so dann auch in die merita causarum und sententias definitivas so weit gegriffen wird, daß offt super uno eodemque puncto Juris, auch wohl in una eademque causa, (da zuvoraus die edle Justiz constans & perpetua voluntas jus suum cuique tribuendi seyn solte,) unterschiedene und gantz wiedereinander lauffende Urthel gefallen, also daß weil zumahl diese mehr angeregte observanzen denen Partheyen nicht bekandt, auch zweiffels ohne wegen deren vielfältigen Aenderungen, da man sie bald gelten, bald nicht gelten läst, bald abschafft, bald aber wieder einführet und erneuert, mit Fleiß verheelt und gleichsam als Wercke der Finsterniß in verborgen gehalten werden, fast niemand mehr weiß, wo er seinen Rath finden, oder worauf er solchen fundiren solle. Es ist aber noch um so vielmehr bedencklicher und desto mehr zu beklagen, wenn

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als meritis causarum selbsten. Zum                      (2) die Vielheit und grosse Menge der unnöthigen und leeren Interlocuten oder                      Bey-Urthel. (3) Der allzu sehr überhand genommene Mißbrauch des sonst heilsamen                      beneficii Appellationis. (4) Die Singularität, welcher sich ein und das andere                      Judicium in gewissen Fällen zuschreibet, und vor andern den Vorzug haben will.                      (5) Ingleichen daß sie pro amplianda jurisdictione die ihnen gesetzten limites                      überschreiten und weiter gehen, als sich gebühret. Welchen ferner noch                      unterschiedliche Dinge anhängig zu machen, so zwar ohne dis bekandt, u. zu jeden                      Judicio nöthig, auch in göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechten                      verordnet, gleichwohl aber hier unterschiedener Ursachen halber nicht so gar zu                      übergehen seynd, und zwar gehen solche fürnemlichen (6) die Personas und andere                      Qualitates, sowohl den Unterhalt der Judiciorum darinnen, (7) den Modum                      &amp; tempora componendi &amp; dirigendi, wie auch finiendi lites und                      letzlichen (8) die Remedia an, welche die Eingangs berührte perversitates                      judiciorum zu coerciren dienen.</p>
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[4/0012] als meritis causarum selbsten. Zum (2) die Vielheit und grosse Menge der unnöthigen und leeren Interlocuten oder Bey-Urthel. (3) Der allzu sehr überhand genommene Mißbrauch des sonst heilsamen beneficii Appellationis. (4) Die Singularität, welcher sich ein und das andere Judicium in gewissen Fällen zuschreibet, und vor andern den Vorzug haben will. (5) Ingleichen daß sie pro amplianda jurisdictione die ihnen gesetzten limites überschreiten und weiter gehen, als sich gebühret. Welchen ferner noch unterschiedliche Dinge anhängig zu machen, so zwar ohne dis bekandt, u. zu jeden Judicio nöthig, auch in göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechten verordnet, gleichwohl aber hier unterschiedener Ursachen halber nicht so gar zu übergehen seynd, und zwar gehen solche fürnemlichen (6) die Personas und andere Qualitates, sowohl den Unterhalt der Judiciorum darinnen, (7) den Modum & tempora componendi & dirigendi, wie auch finiendi lites und letzlichen (8) die Remedia an, welche die Eingangs berührte perversitates judiciorum zu coerciren dienen. §. IV. So viel nun 1) die von geraumer Zeit her contra leges publicas tam communes quam provinciales eigenmächtig eingerissene Erfindung, auch öfftere Vermehrung und Aenderung der neuen observantien concerniret, ist solche um deswillen wohl vor eines der grösten Ubel und Verderbnüsse der Justiz zu halten, weil sich dessen die höhern Collegia gleichsam, als eines wohl hergebrachten und ihnen allein zustehenden Befugnüsses anmassen, und mithin die remedirung desto schwerer machen; zudem aber es damit so weit kommen ist, daß nicht nur die ohne dis zum grossen Nachtheil des gantzen Justiz-Wesens aufs höchste und bis zum grösten Uberfluß getriebene Formalitäten und apices processus zusamt denen daraus erwachsenden unzehligen Interlocuten, dadurch noch weiter vergröffert, so dann auch in die merita causarum und sententias definitivas so weit gegriffen wird, daß offt super uno eodemque puncto Juris, auch wohl in una eademque causa, (da zuvoraus die edle Justiz constans & perpetua voluntas jus suum cuique tribuendi seyn solte,) unterschiedene und gantz wiedereinander lauffende Urthel gefallen, also daß weil zumahl diese mehr angeregte observanzen denen Partheyen nicht bekandt, auch zweiffels ohne wegen deren vielfältigen Aenderungen, da man sie bald gelten, bald nicht gelten läst, bald abschafft, bald aber wieder einführet und erneuert, mit Fleiß verheelt und gleichsam als Wercke der Finsterniß in verborgen gehalten werden, fast niemand mehr weiß, wo er seinen Rath finden, oder worauf er solchen fundiren solle. Es ist aber noch um so vielmehr bedencklicher und desto mehr zu beklagen, wenn

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/12>, abgerufen am 23.11.2024.