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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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bey andere circumstantias ex bono & aequo mit consideriren, und auff befinden dererselben Wichtigkeit die inquisitam a tortura liberiren sollen, und solcher gestalt selbst tacite erinnern wollen, daß dieses indicium, etiamsi per testes probari nequeat, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey, partu quippe clam edito, dennoch per alias conjecturas & argumenta artificialia potissimum ex Medicorum schola petenda elidiret werden könte.

quo faciunt etiam verba: wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen &c.

Wann nun dieses, was bißhero deduciret worden, ad casum praesentem appliciret wird, so wird sich befinden: daß nicht nur (1) die requisita indicii, so in d. art. 131. erfordert werden, bey Annen garnicht verhanden seyn, sondern auch (II) daß Selbige durch gnugsame praesumtiones, partum nunquam extra uterum vixisse, dieses indicium elidiren könne.

So viel jenes betrifft, so ist zwar an dem, daß Anna Ihre Schwängerung nie gestehen wollen, sondern selbige biß zur Zeit Ihrer Geburth heimlich gehalten, dannenhero scheinen könte, als ob die verba d. articuli

also heimlich trägt &c.

Sie nicht wenig gravirten. Wenn man aber betrachtet, daß Sie diese Heimliche haltung nicht aus Vorsatz gethan, sondern ex ignorantia, und zwar aus einer solchen ignorantia, die ihre gewissen und wahrscheinlichen Ursachen hat, indem Sie (a) nichts im Leibe gefühlet,

vid. respons. Inquisitae ad art. 6. Vol. 2. fol. 67. a. Weil Sie nichts in Ihren Leibe gefühlet

(b) Sie auch sonsten mit der obstructione mensium behafftet gewesen, welcher Sie die accidentia, die sonsten bey Schwangern sich ereignen, leichtlich ex errore zuschreiben können, massen nicht nur Ihre Mutter selbst dieses von Ihr ausgesagt

in resp. ad art. 4. fol. 62. a. Sie (die Mutter) habe solches zwar gesehen. Sie habe aber gewust, daß die Tochter NB. sonst eine Beschwerung gehabt und habe gemeinet, der hohe Leib wäre davon her

sondern auch allenfalls Tit. Herrn G. B. berühmten Practici allhier zu Leipzig Eheliebste, bey welcher als Ihrer nahen Freundin Sie sich vor Ihrer Schwängerung eine Zeitlang auffgehalten, eben selbiges und daß Anna zur selbigen Zeit vielfältig über diese obstructionem geklagt, wird bezeugen müssen; So siehet man bald, daß obangezogene Worte von der Heimlichhaltung sich hieher nicht appliciren lassen, dieweil

per modo dicta conclus. 1.

der articulus nur von denenjenigen, die dolo mmalo und mit willen Ihre Schwangerschafft und Geburts-Zeit heimlich halten, zu verstehen ist. Zu geschweigen, daß

bey andere circumstantias ex bono & aequo mit consideriren, und auff befinden dererselben Wichtigkeit die inquisitam a tortura liberiren sollen, und solcher gestalt selbst tacite erinnern wollen, daß dieses indicium, etiamsi per testes probari nequeat, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey, partu quippe clam edito, dennoch per alias conjecturas & argumenta artificialia potissimum ex Medicorum schola petenda elidiret werden könte.

quo faciunt etiam verba: wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen &c.

Wann nun dieses, was bißhero deduciret worden, ad casum praesentem appliciret wird, so wird sich befinden: daß nicht nur (1) die requisita indicii, so in d. art. 131. erfordert werden, bey Annen garnicht verhanden seyn, sondern auch (II) daß Selbige durch gnugsame praesumtiones, partum nunquam extra uterum vixisse, dieses indicium elidiren könne.

So viel jenes betrifft, so ist zwar an dem, daß Anna Ihre Schwängerung nie gestehen wollen, sondern selbige biß zur Zeit Ihrer Geburth heimlich gehalten, dannenhero scheinen könte, als ob die verba d. articuli

also heimlich trägt &c.

Sie nicht wenig gravirten. Wenn man aber betrachtet, daß Sie diese Heimliche haltung nicht aus Vorsatz gethan, sondern ex ignorantia, und zwar aus einer solchen ignorantia, die ihre gewissen und wahrscheinlichen Ursachen hat, indem Sie (a) nichts im Leibe gefühlet,

vid. respons. Inquisitae ad art. 6. Vol. 2. fol. 67. a. Weil Sie nichts in Ihren Leibe gefühlet

(b) Sie auch sonsten mit der obstructione mensium behafftet gewesen, welcher Sie die accidentia, die sonsten bey Schwangern sich ereignen, leichtlich ex errore zuschreiben können, massen nicht nur Ihre Mutter selbst dieses von Ihr ausgesagt

in resp. ad art. 4. fol. 62. a. Sie (die Mutter) habe solches zwar gesehen. Sie habe aber gewust, daß die Tochter NB. sonst eine Beschwerung gehabt und habe gemeinet, der hohe Leib wäre davon her

sondern auch allenfalls Tit. Herrn G. B. berühmten Practici allhier zu Leipzig Eheliebste, bey welcher als Ihrer nahen Freundin Sie sich vor Ihrer Schwängerung eine Zeitlang auffgehalten, eben selbiges und daß Anna zur selbigen Zeit vielfältig über diese obstructionem geklagt, wird bezeugen müssen; So siehet man bald, daß obangezogene Worte von der Heimlichhaltung sich hieher nicht appliciren lassen, dieweil

per modo dicta conclus. 1.

der articulus nur von denenjenigen, die dolo m̃alo und mit willen Ihre Schwangerschafft und Geburts-Zeit heimlich halten, zu verstehen ist. Zu geschweigen, daß

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[64/0080] bey andere circumstantias ex bono & aequo mit consideriren, und auff befinden dererselben Wichtigkeit die inquisitam a tortura liberiren sollen, und solcher gestalt selbst tacite erinnern wollen, daß dieses indicium, etiamsi per testes probari nequeat, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey, partu quippe clam edito, dennoch per alias conjecturas & argumenta artificialia potissimum ex Medicorum schola petenda elidiret werden könte. quo faciunt etiam verba: wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen &c. Wann nun dieses, was bißhero deduciret worden, ad casum praesentem appliciret wird, so wird sich befinden: daß nicht nur (1) die requisita indicii, so in d. art. 131. erfordert werden, bey Annen garnicht verhanden seyn, sondern auch (II) daß Selbige durch gnugsame praesumtiones, partum nunquam extra uterum vixisse, dieses indicium elidiren könne. So viel jenes betrifft, so ist zwar an dem, daß Anna Ihre Schwängerung nie gestehen wollen, sondern selbige biß zur Zeit Ihrer Geburth heimlich gehalten, dannenhero scheinen könte, als ob die verba d. articuli also heimlich trägt &c. Sie nicht wenig gravirten. Wenn man aber betrachtet, daß Sie diese Heimliche haltung nicht aus Vorsatz gethan, sondern ex ignorantia, und zwar aus einer solchen ignorantia, die ihre gewissen und wahrscheinlichen Ursachen hat, indem Sie (a) nichts im Leibe gefühlet, vid. respons. Inquisitae ad art. 6. Vol. 2. fol. 67. a. Weil Sie nichts in Ihren Leibe gefühlet (b) Sie auch sonsten mit der obstructione mensium behafftet gewesen, welcher Sie die accidentia, die sonsten bey Schwangern sich ereignen, leichtlich ex errore zuschreiben können, massen nicht nur Ihre Mutter selbst dieses von Ihr ausgesagt in resp. ad art. 4. fol. 62. a. Sie (die Mutter) habe solches zwar gesehen. Sie habe aber gewust, daß die Tochter NB. sonst eine Beschwerung gehabt und habe gemeinet, der hohe Leib wäre davon her sondern auch allenfalls Tit. Herrn G. B. berühmten Practici allhier zu Leipzig Eheliebste, bey welcher als Ihrer nahen Freundin Sie sich vor Ihrer Schwängerung eine Zeitlang auffgehalten, eben selbiges und daß Anna zur selbigen Zeit vielfältig über diese obstructionem geklagt, wird bezeugen müssen; So siehet man bald, daß obangezogene Worte von der Heimlichhaltung sich hieher nicht appliciren lassen, dieweil per modo dicta conclus. 1. der articulus nur von denenjenigen, die dolo m̃alo und mit willen Ihre Schwangerschafft und Geburts-Zeit heimlich halten, zu verstehen ist. Zu geschweigen, daß

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-23T14:00:00Z)

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/80>, abgerufen am 28.03.2024.