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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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die Flucht ergriffen, Ja posito, daß auch derer Rearum intentio, welche Sie bey der Flucht gehabt, ex circumstantiis modo allatis nicht erhellete, so könten doch Selbige dißfals nicht mit der tortur, sondern nur bloß mit dem juramento purgatorio beleget werden.

per tradita Carpz. Prax. Crim. P. III. qv. 120. n. 69. 70. ubi & de Observantia Dominorum Scabinorum Lipsiensum.

Das andere (II) indicium commune, welches so wohl wieder Mutter und Tochter suspicion zu erwecken scheinet, könte daher genommen werden, daß gleichwohl die Köchin

act. V. 1. fol. 33. b. & 34. a.

ausgesaget:

Selbige Nacht, als das Kind gebohren worden, wäre die andere Tochter Maria Sophia herunter gekommen in die Kinder-Stube - - und für dem Bette niedergefallen, die Hände zusammen geschlagen und gesagt, Sie könte und wüste nicht droben zu bleiben und Sie solten fleißig beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolte, daß Sie nicht dürffte NB. dabey helffen.

aus welchen Worten dabey helffen man leicht schließen könte, daß Jungfer Maria Sophia hiermit die Ermordung des Kindes gemeinet, und daß Sie bey selbiger nicht helffen könte, massen dann auch der Praeceptor diese Auslegung gemacht

Vol. 1. fol. 41. a. verbis: er hätte in Hause gehöret, daß die andere Tochter Maria Sophia aus der Kammer, wo die Schwester gelegen, herunter kommen, auff die Knie gefallen und gesagt, Sie solten doch beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolle, daß Sie NB. nicht Hand dürffte anlegen.

Alleine gleichwie (1) so viel des Praeceptoris Aussage betrifft, selbige tanquam de visu & auditu alieno hier gantz nicht zu attendiren, auch alle Umbstände (2) gar deutlich geben, daß er der Praeceptor dieses von der Köchin müsse gehöret haben; hiernechst (3) dieses pro praesumtione hominis non juris zu achten, daß durch die phrasin dabey helffen item Hand anlegen eben auff den Kinder-Mord müste Reflexion seyn gemacht worden, weil diese Worte ja so wohl auff das adjumentum in partu könten gezogen werden; Also ist auch (4) dieser Aussage der Köchin in geringsten kein Glaube beyzumessen, indem Jungfer Maria Sophia Vogtin in Ihrer Aussage

Vol. 1. fol. 42. a. b. verbis: Sie wäre zwar in die Kinder-Stube kommen und gesagt: das GOtt erbarm! ich weiß nicht, ob ich kan droben bleiben, denn ich muß flugs frühe wieder auffstehen, die Leutgen wollen mich (nach St. aufs Kindtauffen) abholen &c. Item: die Worte, so Ihr Schuld gegeben worden, hätte Sie nicht geredet, wäre auch vor den Bette nicht niedergefallen, hätte gantz von nichts gewust &c. ubi & reliquae circumstantiae considerari merentur.

die Flucht ergriffen, Ja posito, daß auch derer Rearum intentio, welche Sie bey der Flucht gehabt, ex circumstantiis modo allatis nicht erhellete, so könten doch Selbige dißfals nicht mit der tortur, sondern nur bloß mit dem juramento purgatorio beleget werden.

per tradita Carpz. Prax. Crim. P. III. qv. 120. n. 69. 70. ubi & de Observantia Dominorum Scabinorum Lipsiensum.

Das andere (II) indicium commune, welches so wohl wieder Mutter und Tochter suspicion zu erwecken scheinet, könte daher genommen werden, daß gleichwohl die Köchin

act. V. 1. fol. 33. b. & 34. a.

ausgesaget:

Selbige Nacht, als das Kind gebohren worden, wäre die andere Tochter Maria Sophia herunter gekommen in die Kinder-Stube - - und für dem Bette niedergefallen, die Hände zusammen geschlagen und gesagt, Sie könte und wüste nicht droben zu bleiben und Sie solten fleißig beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolte, daß Sie nicht dürffte NB. dabey helffen.

aus welchen Worten dabey helffen man leicht schließen könte, daß Jungfer Maria Sophia hiermit die Ermordung des Kindes gemeinet, und daß Sie bey selbiger nicht helffen könte, massen dann auch der Praeceptor diese Auslegung gemacht

Vol. 1. fol. 41. a. verbis: er hätte in Hause gehöret, daß die andere Tochter Maria Sophia aus der Kammer, wo die Schwester gelegen, herunter kommen, auff die Knie gefallen und gesagt, Sie solten doch beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolle, daß Sie NB. nicht Hand dürffte anlegen.

Alleine gleichwie (1) so viel des Praeceptoris Aussage betrifft, selbige tanquam de visu & auditu alieno hier gantz nicht zu attendiren, auch alle Umbstände (2) gar deutlich geben, daß er der Praeceptor dieses von der Köchin müsse gehöret haben; hiernechst (3) dieses pro praesumtione hominis non juris zu achten, daß durch die phrasin dabey helffen item Hand anlegen eben auff den Kinder-Mord müste Reflexion seyn gemacht worden, weil diese Worte ja so wohl auff das adjumentum in partu könten gezogen werden; Also ist auch (4) dieser Aussage der Köchin in geringsten kein Glaube beyzumessen, indem Jungfer Maria Sophia Vogtin in Ihrer Aussage

Vol. 1. fol. 42. a. b. verbis: Sie wäre zwar in die Kinder-Stube kommen und gesagt: das GOtt erbarm! ich weiß nicht, ob ich kan droben bleiben, denn ich muß flugs frühe wieder auffstehen, die Leutgen wollen mich (nach St. aufs Kindtauffen) abholen &c. Item: die Worte, so Ihr Schuld gegeben worden, hätte Sie nicht geredet, wäre auch vor den Bette nicht niedergefallen, hätte gantz von nichts gewust &c. ubi & reliquae circumstantiae considerari merentur.
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[47/0063] die Flucht ergriffen, Ja posito, daß auch derer Rearum intentio, welche Sie bey der Flucht gehabt, ex circumstantiis modo allatis nicht erhellete, so könten doch Selbige dißfals nicht mit der tortur, sondern nur bloß mit dem juramento purgatorio beleget werden. per tradita Carpz. Prax. Crim. P. III. qv. 120. n. 69. 70. ubi & de Observantia Dominorum Scabinorum Lipsiensum. Das andere (II) indicium commune, welches so wohl wieder Mutter und Tochter suspicion zu erwecken scheinet, könte daher genommen werden, daß gleichwohl die Köchin act. V. 1. fol. 33. b. & 34. a. ausgesaget: Selbige Nacht, als das Kind gebohren worden, wäre die andere Tochter Maria Sophia herunter gekommen in die Kinder-Stube - - und für dem Bette niedergefallen, die Hände zusammen geschlagen und gesagt, Sie könte und wüste nicht droben zu bleiben und Sie solten fleißig beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolte, daß Sie nicht dürffte NB. dabey helffen. aus welchen Worten dabey helffen man leicht schließen könte, daß Jungfer Maria Sophia hiermit die Ermordung des Kindes gemeinet, und daß Sie bey selbiger nicht helffen könte, massen dann auch der Praeceptor diese Auslegung gemacht Vol. 1. fol. 41. a. verbis: er hätte in Hause gehöret, daß die andere Tochter Maria Sophia aus der Kammer, wo die Schwester gelegen, herunter kommen, auff die Knie gefallen und gesagt, Sie solten doch beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolle, daß Sie NB. nicht Hand dürffte anlegen. Alleine gleichwie (1) so viel des Praeceptoris Aussage betrifft, selbige tanquam de visu & auditu alieno hier gantz nicht zu attendiren, auch alle Umbstände (2) gar deutlich geben, daß er der Praeceptor dieses von der Köchin müsse gehöret haben; hiernechst (3) dieses pro praesumtione hominis non juris zu achten, daß durch die phrasin dabey helffen item Hand anlegen eben auff den Kinder-Mord müste Reflexion seyn gemacht worden, weil diese Worte ja so wohl auff das adjumentum in partu könten gezogen werden; Also ist auch (4) dieser Aussage der Köchin in geringsten kein Glaube beyzumessen, indem Jungfer Maria Sophia Vogtin in Ihrer Aussage Vol. 1. fol. 42. a. b. verbis: Sie wäre zwar in die Kinder-Stube kommen und gesagt: das GOtt erbarm! ich weiß nicht, ob ich kan droben bleiben, denn ich muß flugs frühe wieder auffstehen, die Leutgen wollen mich (nach St. aufs Kindtauffen) abholen &c. Item: die Worte, so Ihr Schuld gegeben worden, hätte Sie nicht geredet, wäre auch vor den Bette nicht niedergefallen, hätte gantz von nichts gewust &c. ubi & reliquae circumstantiae considerari merentur.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/63>, abgerufen am 26.04.2024.