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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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mehr zu thun; als er aber abgetreten war, brache ihre Fröligkeit etwas deutlicher und zwar um deßwegen desto nachdrücklicher aus, weil unter ihnen den Herren Assessoribus selbst einer (und zwar eine Person, die allbereit etliche und dreißig Jahre als Junggeselle zurück gelegt) das erste mahl ein Bräutigam war, der also von dem einfältigen Advocato ohne seine intention per indirectum war einiger tummen Einfalt mit beschuldiget worden. Dem sey aber nun wie ihm wolle, so ist es doch gewiß, und trifft mehrentheils ein, was der Poete sagt: Omnis amans amens. (Siehe oben p. 141.) Ja wenn man die Historiam Politico-Ecclesiasticam durchgehen will, wird man gar leicht einen völligen Discurs von dieser Materie verfertigen können, wie offte und vielfältig die Päbste sich dieser Staats-Raison bedienet, und denen verliebten Königen und Fürsten, die sich um ihre dispensation oder durch die Fingersehung beworben, viele der Königlichen Gewalt höchst praejudicirliche Dinge vorher abgeschwatzt.

§. II. Dieweil aber bey dem Anfange der Reformation man aufNoch viele reliquien dieser Lehre bey denen Protestirenden. Universitäten entweder die Politic gar nicht, oder doch nach denen principiis der Catholischen Clerisey lehrete, als war es nicht zu verwundern, daß, unerachtet man bey zeiten gewahr wurde, daß die Ehe kein Sacrament wäre; man dennoch nicht alle aus diesem falschen asserto herfliessende conclusiones deutlich erkannte, sondern dererselben noch viele in den Evangelischen Consistoriis beybehielte, und in öffentlichen Schrifften defendirte, wie z. e. aus denen Consiliis Theologicis Wittebergensibus & Dedekenni hin und wieder erhellet, zugeschweigen der vielen Streit-Schrifften, die biß zu unsern Zeiten von der Ehe mit des Weibes Schwester, item mit einem verschnittenen, von den Ursachen der Ehescheidung, von der Vielweiberey, von dem Concubinat u. d. g. gewähret haben, und noch währen. Jedoch hat GOtt auch in diesem Stück Gnade gegeben, daß seit dreißig Jahren auch in dieser Materie von Ehesachen die Warheit mit Gewalt durchgebrochen, ob er sich schon, wie auch sonsten in andern Stücken nach der Unerforschlichkeit seiner Weißheit, hierzu gantz unterschiedener Instrumente bedient. Und weil ich hiervon allbereit an andern Orten, sonderlich aber in denen Anmerckungen über des Lancelotti institutiones des geistlichen Rechts über des andern Buchs 9. biß 16. Titul a p. 778. biß p. 987. weitläufftig gehandelt habe, als will ich mich hiermit darauff kürtzlich beziehen.

§. III. Indessen, gleich wie sonsten die Erkäntniß der Wahrheit soDie aber einige Zeit hero sich wenig bey einem eintzelen Menschen, als bey einem gantzen Collegio sich mit einen mahl völlig zu erkennen giebet; also ist es auch mit der Erkänt-

mehr zu thun; als er aber abgetreten war, brache ihre Fröligkeit etwas deutlicher und zwar um deßwegen desto nachdrücklicher aus, weil unter ihnen den Herren Assessoribus selbst einer (und zwar eine Person, die allbereit etliche und dreißig Jahre als Junggeselle zurück gelegt) das erste mahl ein Bräutigam war, der also von dem einfältigen Advocato ohne seine intention per indirectum war einiger tummen Einfalt mit beschuldiget worden. Dem sey aber nun wie ihm wolle, so ist es doch gewiß, und trifft mehrentheils ein, was der Poete sagt: Omnis amans amens. (Siehe oben p. 141.) Ja wenn man die Historiam Politico-Ecclesiasticam durchgehen will, wird man gar leicht einen völligen Discurs von dieser Materie verfertigen können, wie offte und vielfältig die Päbste sich dieser Staats-Raison bedienet, und denen verliebten Königen und Fürsten, die sich um ihre dispensation oder durch die Fingersehung beworben, viele der Königlichen Gewalt höchst praejudicirliche Dinge vorher abgeschwatzt.

§. II. Dieweil aber bey dem Anfange der Reformation man aufNoch viele reliquien dieser Lehre bey denen Protestirenden. Universitäten entweder die Politic gar nicht, oder doch nach denen principiis der Catholischen Clerisey lehrete, als war es nicht zu verwundern, daß, unerachtet man bey zeiten gewahr wurde, daß die Ehe kein Sacrament wäre; man dennoch nicht alle aus diesem falschen asserto herfliessende conclusiones deutlich erkannte, sondern dererselben noch viele in den Evangelischen Consistoriis beybehielte, und in öffentlichen Schrifften defendirte, wie z. e. aus denen Consiliis Theologicis Wittebergensibus & Dedekenni hin und wieder erhellet, zugeschweigen der vielen Streit-Schrifften, die biß zu unsern Zeiten von der Ehe mit des Weibes Schwester, item mit einem verschnittenen, von den Ursachen der Ehescheidung, von der Vielweiberey, von dem Concubinat u. d. g. gewähret haben, und noch währen. Jedoch hat GOtt auch in diesem Stück Gnade gegeben, daß seit dreißig Jahren auch in dieser Materie von Ehesachen die Warheit mit Gewalt durchgebrochen, ob er sich schon, wie auch sonsten in andern Stücken nach der Unerforschlichkeit seiner Weißheit, hierzu gantz unterschiedener Instrumente bedient. Und weil ich hiervon allbereit an andern Orten, sonderlich aber in denen Anmerckungen über des Lancelotti institutiones des geistlichen Rechts über des andern Buchs 9. biß 16. Titul a p. 778. biß p. 987. weitläufftig gehandelt habe, als will ich mich hiermit darauff kürtzlich beziehen.

§. III. Indessen, gleich wie sonsten die Erkäntniß der Wahrheit soDie aber einige Zeit hero sich wenig bey einem eintzelen Menschen, als bey einem gantzen Collegio sich mit einen mahl völlig zu erkennen giebet; also ist es auch mit der Erkänt-

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[359/0375] mehr zu thun; als er aber abgetreten war, brache ihre Fröligkeit etwas deutlicher und zwar um deßwegen desto nachdrücklicher aus, weil unter ihnen den Herren Assessoribus selbst einer (und zwar eine Person, die allbereit etliche und dreißig Jahre als Junggeselle zurück gelegt) das erste mahl ein Bräutigam war, der also von dem einfältigen Advocato ohne seine intention per indirectum war einiger tummen Einfalt mit beschuldiget worden. Dem sey aber nun wie ihm wolle, so ist es doch gewiß, und trifft mehrentheils ein, was der Poete sagt: Omnis amans amens. (Siehe oben p. 141.) Ja wenn man die Historiam Politico-Ecclesiasticam durchgehen will, wird man gar leicht einen völligen Discurs von dieser Materie verfertigen können, wie offte und vielfältig die Päbste sich dieser Staats-Raison bedienet, und denen verliebten Königen und Fürsten, die sich um ihre dispensation oder durch die Fingersehung beworben, viele der Königlichen Gewalt höchst praejudicirliche Dinge vorher abgeschwatzt. §. II. Dieweil aber bey dem Anfange der Reformation man auf Universitäten entweder die Politic gar nicht, oder doch nach denen principiis der Catholischen Clerisey lehrete, als war es nicht zu verwundern, daß, unerachtet man bey zeiten gewahr wurde, daß die Ehe kein Sacrament wäre; man dennoch nicht alle aus diesem falschen asserto herfliessende conclusiones deutlich erkannte, sondern dererselben noch viele in den Evangelischen Consistoriis beybehielte, und in öffentlichen Schrifften defendirte, wie z. e. aus denen Consiliis Theologicis Wittebergensibus & Dedekenni hin und wieder erhellet, zugeschweigen der vielen Streit-Schrifften, die biß zu unsern Zeiten von der Ehe mit des Weibes Schwester, item mit einem verschnittenen, von den Ursachen der Ehescheidung, von der Vielweiberey, von dem Concubinat u. d. g. gewähret haben, und noch währen. Jedoch hat GOtt auch in diesem Stück Gnade gegeben, daß seit dreißig Jahren auch in dieser Materie von Ehesachen die Warheit mit Gewalt durchgebrochen, ob er sich schon, wie auch sonsten in andern Stücken nach der Unerforschlichkeit seiner Weißheit, hierzu gantz unterschiedener Instrumente bedient. Und weil ich hiervon allbereit an andern Orten, sonderlich aber in denen Anmerckungen über des Lancelotti institutiones des geistlichen Rechts über des andern Buchs 9. biß 16. Titul a p. 778. biß p. 987. weitläufftig gehandelt habe, als will ich mich hiermit darauff kürtzlich beziehen. Noch viele reliquien dieser Lehre bey denen Protestirenden. §. III. Indessen, gleich wie sonsten die Erkäntniß der Wahrheit so wenig bey einem eintzelen Menschen, als bey einem gantzen Collegio sich mit einen mahl völlig zu erkennen giebet; also ist es auch mit der Erkänt- Die aber einige Zeit hero sich

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/375>, abgerufen am 24.04.2024.