Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.[Spaltenumbruch]
Das fünffte Stück. Zum fünfften soll bey Jung und Alten Ein Mann gut Maß im Reden halten, Zu lang reden ist verdrüßlich, Sondern fein kurtz red und beschließlich Bescheiden, ordnlich und verständlich, Gantz deutlich klar und erkentlich, Freundlich oder ernstlich dabey, Darnach nun die Materi sey, Demnach soller sein Red auch stellen, Die Stimm auch nit zu hoch aufschellen, Sondern sittlich langsamer Maß So kan mans verstehn desto baß, Das sechste Stück. Zum sechsten merck er, ob sey Zeit Zu reden ietzt mit Nutzbarkeit, Daß es nit etwa sey zu fru Daß es nit etwa schaden thu, Damit etwas verhindert werd, Oder zukünfftig werd beschwerd [Spaltenumbruch]
Oder ob es nit sey zu spat, Daß solch Red gar ohn Frucht abgaht, Sondern daß die Red werd angenommen Ein Schaden mit zu unterkommen, Oder gefördert gemeiner Nutz, Oder befordert etwas guts Dieweil eine Red zu rechter Zeit Bringet eine grosse Nutzbarkeit Saget auch Salomon der weiß Der Beschluß. Welch Mann sich der 6. Stück befleiß Der hält sein Zunge wohl in Hut, Wenn er orndlich bedencken thut, Eh er anfang, sein Red erkenn, Wer, was, wem, warum, wie und wenn Wer das thät, der wär nit so gech, Mit Worten, unbhütsam und frech, Kein andren Leuten nie zu schaden, Und er blieb auch mit unbeladen Entgieng dadurch viel Ungemachs Bey GOtt und der Welt spricht Hanß Sachs. Hertzliche Warnung an den Herrn Quaerenten. §. LIV. Zum Beschluß warne ich aus Hertzens-Grunde den Herrn Quaerenten, daß er sich für seinen vielleicht sehr nahen grossen unnachbleiblichen Unglück hüte. Ich will ihm eben keine Gelegenheit zu spotten geben, wenn ich von seinem miserablen Zustand nach diesen Leben viel Worte machen wolte: sondern ich will nur zwey Worte von seinem zeitlichen Unglück anfügen. Er ist dienstloß, er suchet neue Hoffdienste bey mächtigen Potentaten und Fürsten. Kan er sich wohl einbilden, daß ein Evangelischer König oder Fürst unter den Protestirenden, dem sein Atheistisch Werckgen für Augen kömmt, ihn in Dienste nehmen werde? Man hat mich versichern wollen, daß er schon damahls, als er es drücken lassen, in eines mächtigen Catholischen Fürstens Dienste zu gelangen sich bemühet, und dergleichen noch suche. Gesetzt, GOtt verhängte es: und seine Consilia Cameralia fingen an unter seiner direction introducirt zu werden. Ich abstrahire itzo von derselben wahren oder Schein-Nutze. Weiß er nicht, daß alle Fremde, die bey einem mächtigen Fürsten geschwinde in Gnade kommen, nothwendig von denen Einheimischen geneidet und an- [Spaltenumbruch]
Das fünffte Stück. Zum fünfften soll bey Jung und Alten Ein Mann gut Maß im Reden halten, Zu lang reden ist verdrüßlich, Sondern fein kurtz red und beschließlich Bescheiden, ordnlich und verständlich, Gantz deutlich klar und erkentlich, Freundlich oder ernstlich dabey, Darnach nun die Materi sey, Demnach soller sein Red auch stellen, Die Stimm auch nit zu hoch aufschellen, Sondern sittlich langsamer Maß So kan mans verstehn desto baß, Das sechste Stück. Zum sechsten merck er, ob sey Zeit Zu reden ietzt mit Nutzbarkeit, Daß es nit etwa sey zu fru Daß es nit etwa schaden thu, Damit etwas verhindert werd, Oder zukünfftig werd beschwerd [Spaltenumbruch]
Oder ob es nit sey zu spat, Daß solch Red gar ohn Frucht abgaht, Sondern daß die Red werd angenommen Ein Schaden mit zu unterkommen, Oder gefördert gemeiner Nutz, Oder befordert etwas guts Dieweil eine Red zu rechter Zeit Bringet eine grosse Nutzbarkeit Saget auch Salomon der weiß Der Beschluß. Welch Mann sich der 6. Stück befleiß Der hält sein Zunge wohl in Hut, Wenn er orndlich bedencken thut, Eh er anfang, sein Red erkenn, Wer, was, wem, warum, wie und wenn Wer das thät, der wär nit so gech, Mit Worten, unbhütsam und frech, Kein andren Leuten nie zu schaden, Und er blieb auch mit unbeladen Entgieng dadurch viel Ungemachs Bey GOtt und der Welt spricht Hanß Sachs. Hertzliche Warnung an den Herrn Quaerenten. §. LIV. Zum Beschluß warne ich aus Hertzens-Grunde den Herrn Quaerenten, daß er sich für seinen vielleicht sehr nahen grossen unnachbleiblichen Unglück hüte. Ich will ihm eben keine Gelegenheit zu spotten geben, wenn ich von seinem miserablen Zustand nach diesen Leben viel Worte machen wolte: sondern ich will nur zwey Worte von seinem zeitlichen Unglück anfügen. Er ist dienstloß, er suchet neue Hoffdienste bey mächtigen Potentaten und Fürsten. Kan er sich wohl einbilden, daß ein Evangelischer König oder Fürst unter den Protestirenden, dem sein Atheistisch Werckgen für Augen kömmt, ihn in Dienste nehmen werde? Man hat mich versichern wollen, daß er schon damahls, als er es drücken lassen, in eines mächtigen Catholischen Fürstens Dienste zu gelangen sich bemühet, und dergleichen noch suche. Gesetzt, GOtt verhängte es: und seine Consilia Cameralia fingen an unter seiner direction introducirt zu werden. Ich abstrahire itzo von derselben wahren oder Schein-Nutze. Weiß er nicht, daß alle Fremde, die bey einem mächtigen Fürsten geschwinde in Gnade kommen, nothwendig von denen Einheimischen geneidet und an- <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0364" n="348"/> <cb n="1"/> </div> <div> <head>Das fünffte Stück.</head><lb/> <l>Zum fünfften soll bey Jung und Alten Ein Mann gut Maß im Reden halten, Zu lang reden ist verdrüßlich, Sondern fein kurtz red und beschließlich Bescheiden, ordnlich und verständlich, Gantz deutlich klar und erkentlich, Freundlich oder ernstlich dabey, Darnach nun die Materi sey, Demnach soller sein Red auch stellen, Die Stimm auch nit zu hoch aufschellen, Sondern sittlich langsamer Maß So kan mans verstehn desto baß,</l> </div> <div> <head>Das sechste Stück.</head><lb/> <l>Zum sechsten merck er, ob sey Zeit Zu reden ietzt mit Nutzbarkeit, Daß es nit etwa sey zu fru Daß es nit etwa schaden thu, Damit etwas verhindert werd, Oder zukünfftig werd beschwerd <cb n="2"/> Oder ob es nit sey zu spat, Daß solch Red gar ohn Frucht abgaht, Sondern daß die Red werd angenommen Ein Schaden mit zu unterkommen, Oder gefördert gemeiner Nutz, Oder befordert etwas guts Dieweil eine Red zu rechter Zeit Bringet eine grosse Nutzbarkeit Saget auch Salomon der weiß</l> </div> <div> <head>Der Beschluß.</head><lb/> <l>Welch Mann sich der 6. Stück befleiß Der hält sein Zunge wohl in Hut, Wenn er orndlich bedencken thut, Eh er anfang, sein Red erkenn, Wer, was, wem, warum, wie und wenn Wer das thät, der wär nit so gech, Mit Worten, unbhütsam und frech, Kein andren Leuten nie zu schaden, Und er blieb auch mit unbeladen Entgieng dadurch viel Ungemachs Bey GOtt und der Welt spricht Hanß Sachs.</l> <note place="left">Hertzliche Warnung an den Herrn <hi rendition="#i">Quaeren</hi>ten.</note> <p>§. LIV. Zum Beschluß warne ich aus Hertzens-Grunde den Herrn Quaerenten, daß er sich für seinen vielleicht sehr nahen grossen unnachbleiblichen Unglück hüte. Ich will ihm eben keine Gelegenheit zu spotten geben, wenn ich von seinem miserablen Zustand nach diesen Leben viel Worte machen wolte: sondern ich will nur zwey Worte von seinem zeitlichen Unglück anfügen. Er ist dienstloß, er suchet neue Hoffdienste bey mächtigen Potentaten und Fürsten. Kan er sich wohl einbilden, daß ein Evangelischer König oder Fürst unter den <hi rendition="#i">P</hi>rotestirenden, dem sein Atheistisch Werckgen für Augen kömmt, ihn in Dienste nehmen werde? Man hat mich versichern wollen, daß er schon damahls, als er es drücken lassen, in eines mächtigen Catholischen Fürstens Dienste zu gelangen sich bemühet, und dergleichen noch suche. Gesetzt, GOtt verhängte es: und seine Consilia Cameralia fingen an unter seiner direction introducirt zu werden. Ich abstrahire itzo von derselben wahren oder Schein-Nutze. Weiß er nicht, daß alle Fremde, die bey einem mächtigen Fürsten geschwinde in Gnade kommen, nothwendig von denen Einheimischen geneidet und an- </p> </div> </body> </text> </TEI> [348/0364]
Das fünffte Stück.
Zum fünfften soll bey Jung und Alten Ein Mann gut Maß im Reden halten, Zu lang reden ist verdrüßlich, Sondern fein kurtz red und beschließlich Bescheiden, ordnlich und verständlich, Gantz deutlich klar und erkentlich, Freundlich oder ernstlich dabey, Darnach nun die Materi sey, Demnach soller sein Red auch stellen, Die Stimm auch nit zu hoch aufschellen, Sondern sittlich langsamer Maß So kan mans verstehn desto baß, Das sechste Stück.
Zum sechsten merck er, ob sey Zeit Zu reden ietzt mit Nutzbarkeit, Daß es nit etwa sey zu fru Daß es nit etwa schaden thu, Damit etwas verhindert werd, Oder zukünfftig werd beschwerd
Oder ob es nit sey zu spat, Daß solch Red gar ohn Frucht abgaht, Sondern daß die Red werd angenommen Ein Schaden mit zu unterkommen, Oder gefördert gemeiner Nutz, Oder befordert etwas guts Dieweil eine Red zu rechter Zeit Bringet eine grosse Nutzbarkeit Saget auch Salomon der weiß Der Beschluß.
Welch Mann sich der 6. Stück befleiß Der hält sein Zunge wohl in Hut, Wenn er orndlich bedencken thut, Eh er anfang, sein Red erkenn, Wer, was, wem, warum, wie und wenn Wer das thät, der wär nit so gech, Mit Worten, unbhütsam und frech, Kein andren Leuten nie zu schaden, Und er blieb auch mit unbeladen Entgieng dadurch viel Ungemachs Bey GOtt und der Welt spricht Hanß Sachs. §. LIV. Zum Beschluß warne ich aus Hertzens-Grunde den Herrn Quaerenten, daß er sich für seinen vielleicht sehr nahen grossen unnachbleiblichen Unglück hüte. Ich will ihm eben keine Gelegenheit zu spotten geben, wenn ich von seinem miserablen Zustand nach diesen Leben viel Worte machen wolte: sondern ich will nur zwey Worte von seinem zeitlichen Unglück anfügen. Er ist dienstloß, er suchet neue Hoffdienste bey mächtigen Potentaten und Fürsten. Kan er sich wohl einbilden, daß ein Evangelischer König oder Fürst unter den Protestirenden, dem sein Atheistisch Werckgen für Augen kömmt, ihn in Dienste nehmen werde? Man hat mich versichern wollen, daß er schon damahls, als er es drücken lassen, in eines mächtigen Catholischen Fürstens Dienste zu gelangen sich bemühet, und dergleichen noch suche. Gesetzt, GOtt verhängte es: und seine Consilia Cameralia fingen an unter seiner direction introducirt zu werden. Ich abstrahire itzo von derselben wahren oder Schein-Nutze. Weiß er nicht, daß alle Fremde, die bey einem mächtigen Fürsten geschwinde in Gnade kommen, nothwendig von denen Einheimischen geneidet und an-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/364>, abgerufen am 04.07.2024. |