Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.ingeniöse Poemata auch für judiciös auszugeben, ist eine andere Frage: indem zwischen einen guten ingenio und einen guten judicio ein mercklicher Unterscheid ist. §. XXXV. Ich könte ja auch wohl über dieses, wenn ich allzu hitzig seyn und alle minutias aufflesen wolte, zu fernerer Bestärckung meiner Meinung anführen, daß es eine Anzeigung eines schlechten judicii sey, wenn man sich angelegen seyn lässet, weitläufftige Poemata quamvis invita Minerva zu machen, denn judiciöse Leute machen sonst nicht leichte etwas invita Minerva. Aber ich will so billig mit dem Herrn Quaerenten handeln, daß ich mich dieses Arguments begebe, und dieses sein Vorgeben vor ein Hoff-Compliment und eine Rhetorische Figur annehme, indem beyde Poemata weisen, daß wenn er nur es sich recht will angelegen seyn lassen, seine Poemata alle unpartheyische Leser convinciren, daß selbige gar nicht invita Minerva gemacht seyn, sondern wohl fliessen, und in formalibus nicht viel zu erinnern sey, wenn nur die materialia und ingredientia was taugten. Das erste Stück dieser andern Beylage.§. XXXVI. Dieses alles habe ich mit Vorsatz zu vorher erinnern wollen, damit ich bey dem unpartheyischen Leser eine desto grössere Begierde erwecken möchte, die Poemata quaestionis selbst zulesen, indem ich mich sonst hätte befahren müssen, daß man vielleicht es mir selbst für einen grossen defectum judicii auslegen würde, diese Poemata mit beydrücken zu lassen, indem ich mich nicht entsinne, in Juristischen Händeln und Responsis teutsche und zwar etwas weitläufftige Poetische Schrifften gelesen zu haben. Wolan dann, es folget nunmehro die erste Schrifft dieser andern Beylage. I. 1. Die Worte des Verläumders sind Schläge; und gehen einem durchs Hertz. Proverb. Salom. cap. 18. v. 8. 2. Vergeltet aber nicht Böses mit Bösen oder Scheltwort mit Scheltwort: sondern dagegegen segnet die euch verfolgen: Segnet und fluchet nicht. 1. Petr. 3. v. 9. Rom. 12. v. 14. 3. Unter Trest ist indessen, daß wir ein gutes Gewissen haben und fleißigen uns guten Wandel zu führen bey allen. Ebr. 13. v. 18. 4. Wer ist weise und klug unter euch. Der erzeige mit seinen guten Wandel seine Wercke in der Sanfftmuth und Weißheit. Habt ihr aber bittern Neid und Zanck in euren Hertzen, so rühmet euch nicht und lüget nicht wieder die Warheit. Denn das ist nicht die Weißheit, die von oben herab kommt, sondern irrdisch, menschlich und Teuffelisch, Denn wo Neid und Zanck ist, da ist Unordnung und
ingeniöse Poemata auch für judiciös auszugeben, ist eine andere Frage: indem zwischen einen guten ingenio und einen guten judicio ein mercklicher Unterscheid ist. §. XXXV. Ich könte ja auch wohl über dieses, wenn ich allzu hitzig seyn und alle minutias aufflesen wolte, zu fernerer Bestärckung meiner Meinung anführen, daß es eine Anzeigung eines schlechten judicii sey, wenn man sich angelegen seyn lässet, weitläufftige Poemata quamvis invita Minerva zu machen, denn judiciöse Leute machen sonst nicht leichte etwas invita Minerva. Aber ich will so billig mit dem Herrn Quaerenten handeln, daß ich mich dieses Arguments begebe, und dieses sein Vorgeben vor ein Hoff-Compliment und eine Rhetorische Figur annehme, indem beyde Poemata weisen, daß wenn er nur es sich recht will angelegen seyn lassen, seine Poemata alle unpartheyische Leser convinciren, daß selbige gar nicht invita Minerva gemacht seyn, sondern wohl fliessen, und in formalibus nicht viel zu erinnern sey, wenn nur die materialia und ingredientia was taugten. Das erste Stück dieser andern Beylage.§. XXXVI. Dieses alles habe ich mit Vorsatz zu vorher erinnern wollen, damit ich bey dem unpartheyischen Leser eine desto grössere Begierde erwecken möchte, die Poemata quaestionis selbst zulesen, indem ich mich sonst hätte befahren müssen, daß man vielleicht es mir selbst für einen grossen defectum judicii auslegen würde, diese Poemata mit beydrücken zu lassen, indem ich mich nicht entsinne, in Juristischen Händeln und Responsis teutsche und zwar etwas weitläufftige Poetische Schrifften gelesen zu haben. Wolan dann, es folget nunmehro die erste Schrifft dieser andern Beylage. I. 1. Die Worte des Verläumders sind Schläge; und gehen einem durchs Hertz. Proverb. Salom. cap. 18. v. 8. 2. Vergeltet aber nicht Böses mit Bösen oder Scheltwort mit Scheltwort: sondern dagegegen segnet die euch verfolgen: Segnet und fluchet nicht. 1. Petr. 3. v. 9. Rom. 12. v. 14. 3. Unter Trest ist indessen, daß wir ein gutes Gewissen haben und fleißigen uns guten Wandel zu führen bey allen. Ebr. 13. v. 18. 4. Wer ist weise und klug unter euch. Der erzeige mit seinen guten Wandel seine Wercke in der Sanfftmuth und Weißheit. Habt ihr aber bittern Neid und Zanck in euren Hertzen, so rühmet euch nicht und lüget nicht wieder die Warheit. Denn das ist nicht die Weißheit, die von oben herab kommt, sondern irrdisch, menschlich und Teuffelisch, Denn wo Neid und Zanck ist, da ist Unordnung und
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ingeniöse Poemata auch für judiciös auszugeben, ist eine andere Frage: indem zwischen einen guten ingenio und einen guten judicio ein mercklicher Unterscheid ist.
§. XXXV. Ich könte ja auch wohl über dieses, wenn ich allzu hitzig seyn und alle minutias aufflesen wolte, zu fernerer Bestärckung meiner Meinung anführen, daß es eine Anzeigung eines schlechten judicii sey, wenn man sich angelegen seyn lässet, weitläufftige Poemata quamvis invita Minerva zu machen, denn judiciöse Leute machen sonst nicht leichte etwas invita Minerva. Aber ich will so billig mit dem Herrn Quaerenten handeln, daß ich mich dieses Arguments begebe, und dieses sein Vorgeben vor ein Hoff-Compliment und eine Rhetorische Figur annehme, indem beyde Poemata weisen, daß wenn er nur es sich recht will angelegen seyn lassen, seine Poemata alle unpartheyische Leser convinciren, daß selbige gar nicht invita Minerva gemacht seyn, sondern wohl fliessen, und in formalibus nicht viel zu erinnern sey, wenn nur die materialia und ingredientia was taugten.
§. XXXVI. Dieses alles habe ich mit Vorsatz zu vorher erinnern wollen, damit ich bey dem unpartheyischen Leser eine desto grössere Begierde erwecken möchte, die Poemata quaestionis selbst zulesen, indem ich mich sonst hätte befahren müssen, daß man vielleicht es mir selbst für einen grossen defectum judicii auslegen würde, diese Poemata mit beydrücken zu lassen, indem ich mich nicht entsinne, in Juristischen Händeln und Responsis teutsche und zwar etwas weitläufftige Poetische Schrifften gelesen zu haben. Wolan dann, es folget nunmehro die erste Schrifft dieser andern Beylage.
I.
1. Die Worte des Verläumders sind Schläge; und gehen einem durchs Hertz. Proverb. Salom. cap. 18. v. 8. 2. Vergeltet aber nicht Böses mit Bösen oder Scheltwort mit Scheltwort: sondern dagegegen segnet die euch verfolgen: Segnet und fluchet nicht. 1. Petr. 3. v. 9. Rom. 12. v. 14. 3. Unter Trest ist indessen, daß wir ein gutes Gewissen haben und fleißigen uns guten Wandel zu führen bey allen. Ebr. 13. v. 18. 4. Wer ist weise und klug unter euch. Der erzeige mit seinen guten Wandel seine Wercke in der Sanfftmuth und Weißheit. Habt ihr aber bittern Neid und Zanck in euren Hertzen, so rühmet euch nicht und lüget nicht wieder die Warheit. Denn das ist nicht die Weißheit, die von oben herab kommt, sondern irrdisch, menschlich und Teuffelisch, Denn wo Neid und Zanck ist, da ist Unordnung und
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