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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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oder Ihnen andere Kranckheiten und Schäden zugefüget; Dieweil aber dennoch Inquisitin dieses alles beständig verneinet, und einer Person, die wegen Hexerey verbrannt worden, wenig Glauben beyzumessen, wenn Sie gleich ihre Aussage mit ihrem Tode bestärcket, weil die Ursache, die etwa in andern delictis pflegt angeführt zu werden, quod delinquens de complicibus deponens non praesumatur esse immemor salutis aeternae, auf eine Hexe nicht appliciret werden mag, und ferner dasjenige, was die andern Zeugen wieder Inquisitin deponiret, deßwegen nicht zu attendiren, weil Sie als testes unici, in causa propria, de auditu alieno, non tam de veritate quam credulitate, maxime vero de actibus remotis deponentes zu consideriren: So machen zwar diese indicia einige praesumtiones wieder Inquisitin ad inquisitionem sussicientes, und weßhalb Sie zu Erstattung der Unkosten zu condemniren; Sie seynd aber nicht gnug ad torturam, auch nicht einmahl ad purgationem per juramentum, zumahl ohnedem dergleichen purgatio bey einer Person, die Hexerey beschuldiget wird, nicht gebraucht werden kan, und ist dannenhero, als obstehet, zu erkennen gewesen.

Daß auff das Angeben anderer Hexen nicht zu trauen.

§. VII. Ich vermuthe wohl, daß noch viele von denen Lefern seyn möchten, die auff den noch leider mehr als zu gemeinen Schlendrian grosse Stücken zu halten pflegen, nemlich daß die denunciation und Aussage justificirter Hexen ein starckes indicium wieder andre denuncirte sey, und würde es vergebens seyn, mit Leuten, die muthwillig an praejudiciis hangen, in einer ordentlichen vernünfftigen disputation sich einzulassen, sondern wenn man selbige gewinnen, oder doch zum wenigsten Ihnen Ihre Thorheit höflicher Weise zu verstehen geben will, muß solches per indirectum geschehen, & tanquam aliud agendo. Dannenhero wird es Ihnen verhoffentlich nicht unangenehm seyn, wenn ich Ihnen folgende Historie vorstelle, und Sie bitte, sie möchten doch solche wohl und reiflich überlegen, zumahlen da dieselbe in Anfang Ihre Meinung vertheydiget. Es hat ein Grosser Herr in Teutschland zween Geistliche zu seiner Tafel beruffen, Männer von sonderbarer Geschicklichkeit und Frömmigkeit; Unter der Mahlzeit fieng der Fürst zu den einen also an zu reden: Mein Herr Pater, meynet ihr auch, daß wir biß daher recht daran gethan, indem wir auff zehen oder zwölff Besagungen deren, so diese oder jene auf den Zauber-Täntzen gesehen zu haben bekennet, dieselbige angreiffen und torquiren lassen; Ich besorge sehr, daß der Teuffel als ein tausendkünstiger Bösewicht seine Bundsgenossen in viele Wege betriege, und daß es demnach mit den Besagungen, darauff man biß hieher gegangen, ein unsicheres gefährliches Ding sey, zumahlen weil so viel fürnehme gelehrte Leute dieser Anzeige wiederspre-

oder Ihnen andere Kranckheiten und Schäden zugefüget; Dieweil aber dennoch Inquisitin dieses alles beständig verneinet, und einer Person, die wegen Hexerey verbrannt worden, wenig Glauben beyzumessen, wenn Sie gleich ihre Aussage mit ihrem Tode bestärcket, weil die Ursache, die etwa in andern delictis pflegt angeführt zu werden, quod delinquens de complicibus deponens non praesumatur esse immemor salutis aeternae, auf eine Hexe nicht appliciret werden mag, und ferner dasjenige, was die andern Zeugen wieder Inquisitin deponiret, deßwegen nicht zu attendiren, weil Sie als testes unici, in causa propria, de auditu alieno, non tam de veritate quam credulitate, maxime vero de actibus remotis deponentes zu consideriren: So machen zwar diese indicia einige praesumtiones wieder Inquisitin ad inquisitionem sussicientes, und weßhalb Sie zu Erstattung der Unkosten zu condemniren; Sie seynd aber nicht gnug ad torturam, auch nicht einmahl ad purgationem per juramentum, zumahl ohnedem dergleichen purgatio bey einer Person, die Hexerey beschuldiget wird, nicht gebraucht werden kan, und ist dannenhero, als obstehet, zu erkennen gewesen.

Daß auff das Angeben anderer Hexen nicht zu trauen.

§. VII. Ich vermuthe wohl, daß noch viele von denen Lefern seyn möchten, die auff den noch leider mehr als zu gemeinen Schlendrian grosse Stücken zu halten pflegen, nemlich daß die denunciation und Aussage justificirter Hexen ein starckes indicium wieder andre denuncirte sey, und würde es vergebens seyn, mit Leuten, die muthwillig an praejudiciis hangen, in einer ordentlichen vernünfftigen disputation sich einzulassen, sondern wenn man selbige gewinnen, oder doch zum wenigsten Ihnen Ihre Thorheit höflicher Weise zu verstehen geben will, muß solches per indirectum geschehen, & tanquam aliud agendo. Dannenhero wird es Ihnen verhoffentlich nicht unangenehm seyn, wenn ich Ihnen folgende Historie vorstelle, und Sie bitte, sie möchten doch solche wohl und reiflich überlegen, zumahlen da dieselbe in Anfang Ihre Meinung vertheydiget. Es hat ein Grosser Herr in Teutschland zween Geistliche zu seiner Tafel beruffen, Männer von sonderbarer Geschicklichkeit und Frömmigkeit; Unter der Mahlzeit fieng der Fürst zu den einen also an zu reden: Mein Herr Pater, meynet ihr auch, daß wir biß daher recht daran gethan, indem wir auff zehen oder zwölff Besagungen deren, so diese oder jene auf den Zauber-Täntzen gesehen zu haben bekennet, dieselbige angreiffen und torquiren lassen; Ich besorge sehr, daß der Teuffel als ein tausendkünstiger Bösewicht seine Bundsgenossen in viele Wege betriege, und daß es demnach mit den Besagungen, darauff man biß hieher gegangen, ein unsicheres gefährliches Ding sey, zumahlen weil so viel fürnehme gelehrte Leute dieser Anzeige wiederspre-

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[202/0218] oder Ihnen andere Kranckheiten und Schäden zugefüget; Dieweil aber dennoch Inquisitin dieses alles beständig verneinet, und einer Person, die wegen Hexerey verbrannt worden, wenig Glauben beyzumessen, wenn Sie gleich ihre Aussage mit ihrem Tode bestärcket, weil die Ursache, die etwa in andern delictis pflegt angeführt zu werden, quod delinquens de complicibus deponens non praesumatur esse immemor salutis aeternae, auf eine Hexe nicht appliciret werden mag, und ferner dasjenige, was die andern Zeugen wieder Inquisitin deponiret, deßwegen nicht zu attendiren, weil Sie als testes unici, in causa propria, de auditu alieno, non tam de veritate quam credulitate, maxime vero de actibus remotis deponentes zu consideriren: So machen zwar diese indicia einige praesumtiones wieder Inquisitin ad inquisitionem sussicientes, und weßhalb Sie zu Erstattung der Unkosten zu condemniren; Sie seynd aber nicht gnug ad torturam, auch nicht einmahl ad purgationem per juramentum, zumahl ohnedem dergleichen purgatio bey einer Person, die Hexerey beschuldiget wird, nicht gebraucht werden kan, und ist dannenhero, als obstehet, zu erkennen gewesen. §. VII. Ich vermuthe wohl, daß noch viele von denen Lefern seyn möchten, die auff den noch leider mehr als zu gemeinen Schlendrian grosse Stücken zu halten pflegen, nemlich daß die denunciation und Aussage justificirter Hexen ein starckes indicium wieder andre denuncirte sey, und würde es vergebens seyn, mit Leuten, die muthwillig an praejudiciis hangen, in einer ordentlichen vernünfftigen disputation sich einzulassen, sondern wenn man selbige gewinnen, oder doch zum wenigsten Ihnen Ihre Thorheit höflicher Weise zu verstehen geben will, muß solches per indirectum geschehen, & tanquam aliud agendo. Dannenhero wird es Ihnen verhoffentlich nicht unangenehm seyn, wenn ich Ihnen folgende Historie vorstelle, und Sie bitte, sie möchten doch solche wohl und reiflich überlegen, zumahlen da dieselbe in Anfang Ihre Meinung vertheydiget. Es hat ein Grosser Herr in Teutschland zween Geistliche zu seiner Tafel beruffen, Männer von sonderbarer Geschicklichkeit und Frömmigkeit; Unter der Mahlzeit fieng der Fürst zu den einen also an zu reden: Mein Herr Pater, meynet ihr auch, daß wir biß daher recht daran gethan, indem wir auff zehen oder zwölff Besagungen deren, so diese oder jene auf den Zauber-Täntzen gesehen zu haben bekennet, dieselbige angreiffen und torquiren lassen; Ich besorge sehr, daß der Teuffel als ein tausendkünstiger Bösewicht seine Bundsgenossen in viele Wege betriege, und daß es demnach mit den Besagungen, darauff man biß hieher gegangen, ein unsicheres gefährliches Ding sey, zumahlen weil so viel fürnehme gelehrte Leute dieser Anzeige wiederspre-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/218>, abgerufen am 29.03.2024.